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Party in Tel Aviv: ESC-Fans haben nur wenig Sicherheitsbedenken

Auch abseits der ESC-Halle bietet Tel Aviv zahlreiche Party-Möglichkeiten für die Fans.
Auch abseits der ESC-Halle bietet Tel Aviv zahlreiche Party-Möglichkeiten für die Fans. ©APA/AFP/THOMAS COEX
Beim Song Contest in Tel Aviv sorgen derzeit 20.000 Polizisten in der Stadt für Sicherheit. Die Partygäste scheinen sich aber ohnehin mit der gefühlten Bedrohung abzufinden.
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Sicherheitsvorkehrungen werden getroffen
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Tel Aviv präsentiert sich international – gerade auch in der Song-Contest-Woche. Allerorten zeigen die Lokale, Galerien oder Shops Flagge, oder besser gesagt Flaggen. So sind die Banner der heuer 41 ESC-Länder als Wimpel ebenso in der gesamten Stadt drapiert wie sie als Fähnchen Kakteen in Vorgärten zieren. Israels Partymetropole will sich das Feiern mit dem Musiktross nicht verbieten lassen.

Israel feiert ESC auch unterm Damoklesschwert

Zwar hatten vor zehn Tagen – strategisch gut vor dem Großevent platziert – militante Palästinenser rund 700 Raketen auf Israel abgefeuert und dabei vier Menschen getötet, während bei den folgenden israelischen Gegenangriffen 25 Palästinenser getötet wurden. Allerdings vermittelte Ägypten in Rekordzeit eine Waffenruhe, die bis dato Bestand hat. Der gerade frisch wiedergewählte Premier Benjamin Netanjahu will sich die Möglichkeit der positiven Botschaft aus seinem Land nicht nehmen lassen.

In Tel Aviv sind die Einwohner das permanente Damoklesschwert ohnedies gewohnt. Und jene der prognostizierten 10.000 Besucher, die ungeachtet der unklaren Lage für das Event an die Mittelmeerküste gereist sind, scheinen sich soweit mit der gefühlten Bedrohung abzufinden. Schließlich umwirbt die liberale Hafenstadt mit ihren langen Sandstränden, Temperaturen um die 30 Grad und ihrem legendären Nachtleben die Feiermeute des ESC auch entsprechend. “Verlassen Sie Ihr Hotel nicht um 14 Uhr, sondern eher um 2 Uhr, und schauen Sie sich selbst an, warum wir es die Nonstop-City nennen”, rührt Bürgermeister Ron Huldai in einer Grußbotschaft die Werbetrommel für die angereisten Gäste.

Zahlreiche Party-Angebote für Fans und Journalisten

Besonders gebauchpinselt werden dabei die für das Event eingeflogenen Journalisten, denen man nicht nur eine Vielzahl an Ausflugsmöglichkeiten und auf Wunsch auch Badetücher und Beachballset zur Verfügung stellt. Einen Tag vor dem Finale am Samstag können sich Interessierte auch zur Teilnahme an einem privaten Sabbat-Abendessen melden. Besucher können für umgerechnet rund zwölf Euro in einer Familie, in einem Gemeindezentrum oder in einer Familie für Mitglieder der schwuLesBischen Gemeinschaft im privaten Ambiente speisen.

Da ist das gigantische Eurovision Village im direkt am Meer gelegenen Charles Clore Park mit seinen Bühnen und Ständen für diejenigen, die nicht in der ESC-Halle feiern wollen, noch gar nicht eingerechnet. Oder der Euroclub als Location für Auftritte der Stars abseits der Halle im Hangar 11 am Hafen. Oder das als Treffpunkt für Fans im Nachtclub Haoman 17 positionierte EuroCafe. Selbstredend liegt der Fokus jedoch auf der Veranstaltungshalle Expo Tel Aviv im Norden, die für rund zwei Millionen Euro adaptiert wurde und rund 7.500 Menschen während der Liveshows Platz bietet.

20.000 Polizisten in Tel Aviv im Einsatz

ESC-Neuling Tel Aviv – hatte doch die beiden vergangenen Male Jerusalem das Event nach dem Sieg Israels ausgetragen, respektive die Niederlande, an die man die kostspielige Veranstaltung 1980 abtrat – lässt sich die Ausrichtung des Events also durchaus Einiges kosten. Trotz aller Partylaune nicht zuletzt auch aufseiten der Sicherheit.

Insgesamt 20.000 Polizisten sind in der Stadt eingesetzt, wie Sprecher Micky Rosenfeld im Vorfeld erklärte. Diese agieren allerdings für die Besucher erstaunlich unaufgeregt, beinahe dezent. So kann von überbordenden Sicherheitskontrollen im Vergleich zu den Vorjahren in keiner Weise die Rede sein – beinahe im Gegenteil. Auch an ein Damoklesschwert kann man sich scheinbar als Normalität gewöhnen.

Protest-Konzert und Hacker-Angriff

In Gaza-Stadt haben indes Palästinenser am Dienstag dieser Woche aus Protest ein Konzert in den Trümmern eines Gebäudes veranstaltet, das bei der jüngsten Eskalation der Gewalt von den Israelis zerstört worden war. Zeitgleich störten unbekannte Hacker für einige Minuten die Onlineübertragung des 1. Halbfinales des israelischen Gastgebersenders KAN mit einem Satellitenbild von Tel Aviv samt Rauchwolke und der gefälschten Warnung vor einem Raketenangriff.

“Zu einem bestimmten Zeitpunkt gab es eine Übernahme – offenbar durch die Hamas – unseres Digitalprogramms”, so KAN-Chef Eldad Koblenz im israelischen Rundfunk. Und am gestrigen Mittwoch kam es an der Gaza-Grenze wieder zu Konfrontationen von Palästinensern und israelischen Soldaten mit – laut palästinensischen Angaben – 47 Verletzten. Nicht allen in der Region ist also nach Feiern zumute.

Delegationschef: “Publikum schwer vorherzusagen”

Stefan Zechner ist mittlerweile ein im besten Sinne Routinier des Eurovision Song Contests. Seit 2011 ist er als Delegationsleiter Chef des ESC-Projekts im ORF. Kurz vor dem für Österreich entscheidenden 2. Halbfinale sprach Zechner im Interview über die Sicherheitslage, die Stimmung in Tel Aviv und darüber, was eigentlich genau sein Job ist.

APA: Kurz vor der ESC-Woche gab es eine erneute Eskalation im Konflikt Israel und Hamas. Wie nehmen Sie die Sicherheitslage beim ESC wahr?

Stefan Zechner: Überhaupt nicht gesteigert – gefühlt ist es sogar weniger als in den Vorjahren. Wir hatten ja einige Sicherheitsbesprechungen, bevor wir hierhergekommen sind und waren auch im Außenministerium. Entsprechend haben wir alle erwartet, dass wir in Sicherheitspersonal ersticken. Das ist aber überhaupt nicht so. Wie es die Israelis hinbekommen, weiß ich nicht. Aber man merkt in der Stadt überhaupt nichts von einer angespannten Situation.

Ist die Stimmung allgemein mit den ESC-Städten der Vorjahren vergleichbar?

In den Teilen der Stadt, in denen wir uns meist bewegen, bekommt man zwar relativ wenig von der Eurovision mit. Aber im Eurovision Village ist extrem viel los. Insgesamt kann man also sagen, dass die Stimmung gut ist, weil Israel einfach ein sehr Song-Contest-affines Land ist.

Wir sind am Tag des 2. Halbfinales, die Show für Paenda steht. Was ist jetzt noch Ihr Job als Delegationsleiter?

Den Laden zusammenzuhalten. Und die Daumen zu drücken, dass wir die hohen Erwartungen, die wir uns selbst gesetzt haben, erfüllen. Die Rahmenbedingungen rund herum stimmen – jetzt kommt es ganz auf Paenda selbst an.

Sind in Ihren Augen für einen Song wie Paendas “Limit” die Stimmen der Jury wichtiger oder die des Publikums?

Das ist schwer einzuschätzen. Natürlich ist es so, dass die Jurys eher die Qualität schätzen. Und Paenda ist eine hochwertige Musikerin, die ihre Sachen selbst schreibt. Aber das Publikum ist schwer vorherzusagen. Wir hatten etwa bei Nathan Trent damals sehr hohe Jurypunkte bekommen und dann von den Zuschauern 0 Punkte bekommen, obwohl ich mir total sicher war. Das ist einfach manchmal unvorhersehbar.

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)

(APA/Red)

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