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Parken in Wien, ein Bezirkskaiser und die Gallier

Gastkommentar von Andreas Unterberger zum Thema Parken in Wien
Gastkommentar von Andreas Unterberger zum Thema Parken in Wien ©APA
Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger: Ringsum von anderen - feindlichen - Wiener Bezirken umgeben, harrt Döbling in einsamem Widerstand aus. Döbling kämpft aber nicht wie einst die Gallier gegen die Römer, sondern es lehnt eine Park(pickerl)regelung ab, wie sie in vielen anderen Bezirken schon mehr oder weniger lang eingeführt ist.

Der Döblinger Bezirksvorsteher ist durch seinen Widerstand gegen das Pickerl freilich nicht wie weiland Asterix zum Helden der Gallier – beziehungsweise Döblinger – geworden. Für viele Döblinger Autobesitzer ist er heute ein oft verfluchter Gottseibeiuns. Held ist er nur für all jene Nichtwiener, die möglichst nahe dem Wiener Stadtzentrum einen unentgeltlichen Dauerparkplatz suchen.

Der ÖVP-Mann Adolf Tiller ist Musterbeispiel eines Politikers, der sich in einer Frage total verrannt hat, sodass er am Schluss weder vor noch zurück kann. Der aber nicht einzusehen bereit ist, dass er selbst der Hauptschuldige an dieser Situation ist. Er schiebt lieber allen anderen die Schuld zu. Ihm selbst fällt jedoch trotz jahrelangem Herumpfuschen nur noch der Satz ein: “Derzeit muss ich aber um Geduld bitten.” Geduld bis zu seinem Rücktritt?

Tatsache ist, dass große Teile Döblings von Autos zugeparkt sind, deren Fahrer in dem Bezirk gar nichts wollen, außer dort  gratis parken, um dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins rasch erreichbare Zentrum zu fahren. Das machen besonders Studenten gerne, da die Hauptuniversität von Döbling aus nur 20 Minuten entfernt ist. Das machen aber auch viele andere Einpendler, da dieser Bezirk die weitaus zentrumnächste Gelegenheit ist, wo man gratis dauerparken kann. Viele Fahrzeuge stehen dann tage- oder wochenlang dort, manche sogar über den ganzen Winter. Was die dort wohnenden oder arbeitenden Autofahrer tagtäglich ärgert.

Gewiss: Adolf Tiller hat eine Abstimmung über die Einführung des Parkpickerls gemacht (die er freilich mit seiner Anti-Pickerl-Propaganda und – Desinformation begleitet hat). Diese Abstimmung ist knapp gegen das Pickerl ausgegangen. Nur hat sie gleich zwei fundamentale Fehler gehabt – die auch zeigen, wie sehr die direkte Demokratie den Einsatz des Hirns braucht, so sinnvoll, legitim und notwendig sie an sich auch ist. Zumindest solange das Wie und Was nicht durch eine Begehren der Bürger, sondern durch taktische Winkelzüge von Amtsträgern bestimmt werden.

Zum ersten ist Döbling ein Bezirk mit einer zwischen den einzelnen Bezirksteilen total unterschiedlicher Verkehrs- und Parksituation. Da gibt es die Gegenden am Stadtrand, in Neustift, in Sievering, in Grinzing, die kaum ein Parkplatzproblem haben, zumindest keines mit “Parkschwindlern”, wie Tiller selbst sie nennt. Diese einstigen Vororte sind zu abgelegen, sie sind nur mit unbequemen Autobussen erreichbar. In diesen Villengegenden hat mit Sicherheit eine klare Mehrheit gegen die Einführung der Kurzparkzonen gestimmt. Solange man nicht selbst vom Problem betroffen ist, stimmt man logischerweise gegen die Pflicht, ein Bezirkspickerl zu erwerben.

Umso schlimmer ist es in jenen Gegenden Döblings, die in der Nähe der beiden U-Bahn-Linien des Bezirks liegen, oder bei den drei Straßenbahnlinien. Mit denen ist man in 20 Minuten bei der Universität. Überdies liegen gerade diese Döblinger Grätzel direkt an der Einfahrt der Nordautobahn. So kann man – zumindest wenn man zur richtigen Uhrzeit kommt oder zum Suchen bereit ist – nach Überqueren von drei Ampeln unbegrenzt gratis parken und ist fast im Stadtzentrum. Ein solcher Komfort (zumindest für alle jene, die lange genug einen freien Parkplatz zu suchen gewillt sind) ist in keiner europäischen Millionenstadt mehr zu finden.

Die Autofahrer aus diesen Gegenden hätten daher mit großer Begeisterung die Parkometerpflicht samt Abgabe – und dafür mehr Parkplätze für den Bezirk. Nur hat Herr Tiller in seiner Bockigkeit verabsäumt, die Parkpickerl-Umfrage sprengelweise abzuhalten, sodass man leider, leider nicht mehr sagen kann, welche Sprengel genau das Pickerl wollen. Auch wenn das mutmaßliche Ergebnis auf der Hand liegt. Freilich: Am Ende wäre das ohnedies egal, wie man schon aus anderen Bezirken weiß. Denn kaum besteht in einem Gebiet Pickerlpflicht, verschiebt sich das Überparkungs-Problem schon in die angrenzenden Straßenzüge. Bis am Schluss all diese Bezirke in einer Art Dominoeffekt das Pickerl bis zur Stadtgrenze ausdehnen mussten.

Der zweite große Mangel der Tiller-Umfrage: Es wurden nicht die Autofahrer, sondern alle Einwohner gefragt, also auch die, denen die Parkplatzfrage mangels Autos egal ist. Das hat wieder zu folgendem Effekt geführt: Alle Friseurinnen haben ihre autolosen Kundinnen bekniet, gegen das Pickerl zu votieren, sodass sie selbst weiter die Chance auf einen Gratisparkplatz haben und nicht öffentlich fahren müssen. Und natürlich haben viele Kundinnen ihren Friseurinnen diese Freude gemacht.

Seit auch der Nachbarbezirk Währung 2016 das Pickerl eingeführt hat, ist nun in Döbling guter Rat teuer. Der hilflos verstiegene Tiller hat nun selbst, ohne eine Lösung anbieten zu können, in einem Interview zugegeben: „Die Situation ist traurig.“ Er schiebt freilich – wahrheitswidrig – die Schuld daran der Bezirksvertretung zu, wo es keine Mehrheit für ein Parkpickerl gäbe. Dabei hätte das bei den Bezirksräten in Wirklichkeit längst eine Mehrheit, nur der Bezirksvorsteher selbst blockiert. Weil er seine Fehler nicht zugeben will. Besonders absurd ist, dass er lange mit dem Vorschlag hausieren gegangen ist, Gratis-Zonen für Bezirkseinwohner zu schaffen, ohne eine Pickerl-Pflicht einzuführen. Das wäre aber – wie jeder Rechtskundige sofort erkannt hat – massiv rechts- und gleichheitswidrig, da ja die Einwohner anderer Bezirke sehr wohl für die Benutzung solcher Bezirkszonen die notwendigen Pickerln erwerben müssen.

Gewiss: Man kann mit vielen Argumenten behaupten, dass die in Wien gefundene Parkzonenregelung insgesamt nicht optimal sei (und an das Märchen glauben, dass es überhaupt irgendeine “ideale” Lösungsformel für ein so knappes Gut wie Parkplätze gäbe). Überaus tadelnswert ist aber jedenfalls, dass Nichtwiener Autofahrer, Touristen etwa, nur völlig unzureichend über die Wiener Parkraumregelungen informiert werden. Das Wiener Rathaus geht offenbar davon aus, dass alle Touristen das irgendwo auf den Boden gemalte Word “Zone” in seiner Bedeutung verstehen könnten. Die Touristen werden vielmehr oft unfreiwillig Opfer des Wiener Systems. Ebenso negativ ist, dass es keine guten und billigen Parkflächen/häuser am Stadtrand gibt, von wo aus man auch bequem Hotels oder andere Ziele erreichen kann.

Aber Tatsache ist nun einmal, dass diese Parkraumregelung im Großteil Wiens derzeit so eingeführt ist, wie es der Fall ist. Daher ist es völlig absurd, dass sich ausgerechnet ein so günstig gelegener Bezirk wie Döbling ausklinkt, weil sein Vorsteher aus Prinzip – oder parteipolitischem Bestemm – dagegen ist. In zwei anderen noch parkregelungsfreien Bezirken Wiens ist die Situation ähnlich, aber aus zwei Gründen doch deutlich besser. Hietzing (ebenfalls ÖVP-Mehrheit) wie Simmering (FPÖ-Mehrheit) liegen erstens weiter vom Zentrum entfernt als Döbling. Zweitens sind beide Bezirke für Studenten – die ja besonders am Gratisparken interessiert sind – viel weniger relevant. Und drittens soll in diesen beiden Bezirken – bei den noch bevorstehenden Abstimmungen – zum Unterschied von Döbling grätzelweise ausgezählt werden. Dort wird daher wohl eine – vorerst – gebietsweise unterschiedliche Einführung des Pickerls kommen. Allerdings wird es dann wohl auch dort den beschriebenen Dominoeffekt geben, dass die Gratisparker halt dann ein Grätzel weiterziehen, bis auch dort die Abgabenpflicht gilt.

Aber ansonsten gibt es auch in Hietzing und Simmering eine schnelle U-Bahn ins Zentrum (die in Hietzing derzeit allerdings von ständigen Umbauten effizienzreduziert ist), und eine Autobahneinfahrt, die dort mündet. Eigentlich sollten es ja gerade ÖVP-Politiker wissen (die in Döbling und Hietzing die Mehrheit haben): Wenn es ein Knappheitsproblem gibt, dann sind Gratis-Lösungen die schlechtestmöglichen und marktwirtschaftliche die besten. Nur durch Entgeltlichkeit werden Dinge möglichst effizient und sparsam genutzt.

Wer das nicht begreift, stelle sich einmal vor, der elektrische Strom, ein anderes knappes Gut, wäre gratis: Es würde dann sehr rasch große Stromknappheit geben. Und sogar beim Wasser gäbe es wohl ähnliche Folgen. Warum ausgerechnet die Marktwirtschaftspartei ÖVP bei knappen Gütern wie Parkplätzen krampfhaft an Modellen „Gratis und unbeschränkt für alle“ festhält, ist ziemlich rätselhaft. Solches naives Wunschdenken würde man eher bei Kommunisten erwarten.

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.

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