Paradiese als aktive, stets sich erneuernde Haltungshandlungen

BERGER, Evelyn DOLL, Aleksandra ERAKOVIC-PAVLICEVIC, Patricia HELL, Sonja HENISCH, Claudia JÄGER, Heidrun KARLIC, Dorothea NAHLER, Iris Maria NITZL, Mafalda RAKOS, Bernadette STUMMER und der Künstler Florian ROTTENSTEINER stellen anhand von Malerei, Zeichnung, Fotografie, Video und Literatur in vielfältigen Positionen das „Reale” und „Emotionale” des Paradies-Begriffs dar. Sie untersuchen, welche Möglichkeiten eines paradiesischen Daseins den Menschen in ihrer Existenz offen stehen und inwieweit sie selbst dafür verantwortlich sind, ob dies gelingt oder nicht. Trotz der unterschiedlichen visuellen Umsetzung ergeben sich inhaltliche Überschneidungen im gedanklichen Zugang zum Thema. Der gemeinsame Nenner liegt bei allen in der tiefen Sehnsucht nach Frieden und Geborgenheit.
Ingeborg Chr. BERGER ist mit der Serie „Lebensspuren… verwoben im Paradies“ vertreten. Für sie ist es der „aus Erfahrungen gewonnene Umgang mit dem Sein und Nichtsein“. Der Verlust des Paradieses birgt – so ihr Ansatz – die Möglichkeit, „das Leben in allen Facetten“ zu erkunden, unumgänglich auf dem Weg zu Erkenntnis, Souveränität und „freier“ Willensentscheidung. Ihre Werke sind eigenwillige Kompositionen expressionistischer Kunst, aus denen jeder seine eigenen Sichtweisen entwickeln kann. Die Technik „Monaqua“ wurde von der Künstlerin selbst entwickelt und über Jahre hinweg erweitert.
Evelyn DOLL lässt den Betrachter in „Hinter dem Vorhang“ auf eine „uneinladende“ Landschaft blicken, in der menschliche Zivilisation nur vermutet werden kann. Das zweite Bild bezieht sich auf die „Ressourcen“ – einerseits der Welt, andererseits auf die „inneren“ Ressourcen der Lebenskraft: symbolisiert durch einen Fluss, der von innen nach außen fließt oder in das Innere des Berges resorbiert wird. Beide Werke thematisieren den Umgang mit unserem Planeten, auf dem der Mensch ein Paradies erschaffen oder ein Bestehendes zerstören kann.
Aleksandra ERAKOVIC-PAVLICEVIC verbindet in den Ölbildern „Ein Weg nach Eden“ und „Zwischen Himmel und Erde“ die Aussage, dass es möglich ist, „die Entstehung der Erde, der Menschen, den Sinns des Lebens und der Gesetze mit einem Atem zu erfassen“.
Patricia HELL assoziiert in der aktuellen Serie ihrer „Sehstücke“ auf impressionistische Weise paradiesische Momente. Der Betrachter soll seine persönliche Wahrnehmung einbeziehen und seinem Sehen Zeit und Raum geben.
Sonja HENISCH verweist im gleichnamigen Werk auf die „Achtsamkeit“. Diese schließt bewusstes Handeln ein und das Wissen um seine Folgen. Die Schlange im Bild symbolisiert Lebenskraft, die Acht als Zeichen der Unendlichkeit den achten Schöpfungstag und die Neuschöpfung des Menschen.
Die Arbeit „Hommage an Niki“ ist Niki de Saint Phalle gewidmet, ihrer Hinwendung zum Thema der „Urfrau“ und dem göttlichen Aspekt des Weiblichen.
Die Zeichnung „Wie lange Paradies?“ spannt den Bogen von zwei Mädchen am Strand einer exotisch anmutenden Insel, auf dem gerade ein Europäer landet, zur Frage der Wertschätzung des Eigenen und des Anderen, ohne die paradiesische Zustände nicht erlebbar sind. In ihrem Text bietet Sonja Henisch einen Überblick über die Paradiesvorstellungen verschiedener Kulturen und Religionen.
Claudia JÄGER hält in der Serie „Menschenbilder“ Lebenssituationen fest, in denen Frieden, Freude, Liebe, Geborgenheit, Verständnis oder Glück empfunden wird. „Paradies“ bedeutet für die Künstlerin, diese Momente mit anderen Menschen
„im Hier und Jetzt“ zu teilen.
Heidrun KARLIC entwickelt in ihrer Collagenserie paradiesische Visionen für die vier Jahreszeiten: den blühenden Frühling mit dem umweltfreundlichen Elektroauto, den Bergsommer mit Sport und einer bunten Schönheit, den schwebenden Schönheitsschlaf in der Herbstsonne und das Winterbild mit der sonnigen Schneelandschaft und dem tropischen Paradiesvogel als Symbol für die Sehnsucht nach dem sonnigen Süden.
Dorothea NAHLER interpretiert in vier Fotoarbeiten ihre Gedanken über das, was wir Paradies nennen. Selbstverschuldete Umstände oder auch Einflüsse von außen – das vorgegebene Schicksal – können zum Verlust des Paradieses als einem Ort und in gleicher Weise als einem Zustand oder einem Gefühl führen.
Iris Maria NITZL sieht ihr Paradies im Gefühl der Verschmelzung. Die für sie einzige Möglichkeit, es abzubilden, ist, die Farbwahrnehmungen, die in der Meditation vor ihrem inneren Auge entstehen, ins Außen zu tragen. Der Blick des Betrachters wiederum wird dazu angehalten, sich „in einen inneren Blick“ zu drehen.
Mafalda RAKOS begibt sich in ihrem Langzeit-Fotoprojekt „Paradise Sellers“, das sie als Bechersche Typologie präsentiert, auf eine Entdeckungsreise der besonderen Art: Ihre Serie ist eine Hommage an die Wiener Floristinnen und Floristen, die mit frischen Blumen der unterschiedlichsten Farben und Formen das Heim der Kunden in einen „persönlichen Garten Eden“ verwandeln.
Florian ROTTENSTEINER reflektiert in seinem Gemälde „Egomelancholia“ darüber, was für ihn Paradies bedeutet: Freiheit, frei sein von Zwängen und sich in einem Zustand vollkommenen Glücks befinden.
Bernadette STUMMER vergleicht in ihrer Videoarbeit „Weißes Licht braucht alle Farben“ das Paradies mit der Atmung, in der Aus- und Einatmen von selber geschehen. Es kann nicht einseitig konsumiert werden, sondern muss wie ein Lichtspeicher immer wieder aufgefüllt werden, um als Ressource des Lebens zu dienen – im Sinne einer aktiven, stets sich erneuernden Haltungshandlung, die Nehmen und Geben voraussetzt.
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