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"Ozempic Babys": Die unerwartete Nebenwirkung der Abnehmspritze

Schwanger durch die Abnehmspritze?
Schwanger durch die Abnehmspritze? ©VOL.AT/Emilia Waanders/DALL.E (mit KI generiert)
Plötzlich schwanger statt schlanker? Das steckt hinter den "Ozempic Babys".

Die Abnehmspritze sorgt nicht nur für purzelnde Kilos, sondern auch für positive Schwangerschaftstests. Wie ein Hype-Medikament ungeplant fruchtbar macht – und wie sich Internist Alexander Vonbank dieses Phänomen erklärt.

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Wenn die Diät zur Schwangerschaft führt

Das Medikament zur Gewichtsreduktion sorgt für Überraschungen – nicht wegen seiner Wirkung auf die Waage, sondern wegen positiver Schwangerschaftstests. In Onlineforen, Facebookgruppen und TikTok-Videos schildern zahlreiche Frauen, dass sie trotz jahrelanger Unfruchtbarkeit plötzlich schwanger wurden – oft ungeplant, meist unerwartet.

"Steigert die Fruchtbarkeit"

Die Ursache liegt nicht unbedingt im Medikament selbst, sondern in dessen Effekten. Semaglutid (bekannt als Ozempic oder Wegovy) imitiert das Darmhormon GLP-1, das den Blutzucker senkt, den Appetit zügelt und die Magenentleerung verlangsamt. Der daraus resultierende Gewichtsverlust – teils über 10 Prozent des Körpergewichts – kann hormonelle Dysbalancen ausgleichen, die durch Adipositas ausgelöst wurden.

"Bei übergewichtigen Frauen kommt es häufig zu Zyklusstörungen", erklärt Vonbank. "Eine moderate Gewichtsreduktion kann die Ovulation wiederherstellen – das steigert die Fruchtbarkeit." Auch internationale Studien zeigen: Schon eine Gewichtsabnahme von 5 bis 10 Prozent kann ausreichen, um einen regelmäßigen Eisprung zurückzubringen.

Verbesserter Insulinhaushalt

Besonders betroffen scheinen Frauen mit PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom), einer hormonellen Störung, die oft mit Adipositas und Diabetes einhergeht. Bei ihnen kann der Insulinhaushalt entgleisen, was zu einem Überschuss an Androgenen führt – und damit zu Unfruchtbarkeit.

Die Abnehmspritze greift hier gleich mehrfach an: Sie verbessert den Insulinhaushalt, senkt den Testosteronspiegel und reduziert das Körpergewicht – alles Faktoren, die die Fruchtbarkeit steigern können. Deshalb wird Semaglutid in manchen Fällen sogar off-label zur Unterstützung des Kinderwunschs eingesetzt, etwa bei PCOS-Patientinnen.

Alexander Vonbank, Facharzt für Innere Medizin. ©VOL.AT/Emilia Waanders

"Aufnahme der Pille kann gestört werden"

Ein weiterer möglicher Grund für den "Babyboom": die Wirkung auf orale Verhütungsmittel. "Durch Erbrechen und Durchfall – häufige Nebenwirkungen von Semaglutid – kann die Aufnahme der Antibabypille gestört werden", erklärt Vonbank. Dazu kommt, dass das Medikament die Magenentleerung verlangsamt – auch das könnte die Wirksamkeit der Pille verringern.

Viele betroffene Frauen berichten, trotz hormoneller Verhütung schwanger geworden zu sein. Die US-Arzneimittelbehörde FDA bestätigt, dass Semaglutid Wechselwirkungen mit Medikamenten im Magen-Darm-Trakt haben kann. Experten raten daher zu mechanischen Verhütungsmethoden wie Kondomen.

Risiken für ungeborenes Kind

Was bedeutet eine Schwangerschaft unter Semaglutid für das ungeborene Kind? Tierstudien geben Anlass zur Vorsicht: Bei Ratten und Kaninchen kam es zu schweren Fehlbildungen und Embryo-Tod. In der Schwangerschaft wird die Einnahme daher ausdrücklich nicht empfohlen – ebenso wenig in der Stillzeit.

"Die Datenlage beim Menschen ist extrem dünn", sagt Vonbank. "Es fehlen systematische Studien mit ausreichend Fallzahlen." Hersteller wie Novo Nordisk haben mittlerweile Register eingerichtet, um Fälle dokumentierter Schwangerschaften unter Semaglutid zu erfassen. Ergebnisse klinischer Studien dazu werden frühestens 2027 erwartet.

"Das ist gefährlich"

Kritisch sieht Vonbank auch die Rolle von sozialen Netzwerken. "In sozialen Medien wird das Medikament oft als harmloses Abnehmwundermittel beworben – ohne den medizinischen Kontext", sagt er. "Das ist gefährlich." Die Botschaft, dass Semaglutid ein reguläres Arzneimittel mit ernstzunehmenden Nebenwirkungen ist, müsse stärker in die Öffentlichkeit getragen werden.

Hinweis: Dieser Beitrag dient ausschließlich der Information und ersetzt keine medizinische Beratung. Personen, die eine Behandlung in Erwägung ziehen, sollten sich stets an einen Arzt oder eine Ärztin ihres Vertrauens wenden, um individuelle Risiken, Voraussetzungen und Therapieoptionen abzuklären.

(VOL.AT)

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