AA

OGH zerpflückt BAWAG-Urteil und bringt Bandion-Ortner unter Druck

Der Oberste Gerichtshof hat heute nicht nur über das Schicksal der neun Angeklagten im BAWAG-Prozess entschieden. Auch die Richterin in der ersten Instanz, die ein halbes Jahr nach ihrer Urteilsverkündung zur Justizministerin ernannt worden war, stand auf dem Prüfstand.
Winkt Elsner trotzdem Freiheit?
Urteil teilweise aufgehoben
Bandion: "Kein Rücktritt"
Bandion: "Schuldspruch"
OGH hebt Urteil auf
Die Entscheidung im Detail
Flött-Urteil ganz aufgehoben
Bilder aus dem Gerichtssal
Chronologie zum Fall Elsner

Und das Urteil über ihr Urteil fiel eindeutig aus: Eine ordentliche Urteilsschelte durch den Obersten hat sich Claudia Bandion-Ortner heute eingefangen.

“Große Teile des Urteils haben wir aufgehoben, weil uns das zu wenig war”, formulierte Senatsvorsitzender Rudolf Lässig etwa. Begründungsmängel und fehlende Feststellungen im Urteil führten dazu, dass es nun zweieinhalb Jahre nach der Verkündung des Ersturteils für die Mehrheit der BAWAG-Angeklagten heißt: Zurück an den Start. Für den Spekulanten Wolfgang Flöttl, den Wirtschaftsprüfer Robert Reiter, die Ex-BAWAG-Vorstände Josef Schwarzecker, Hubert Kreuch und Christian Büttner wurde das komplette Urteil aufgehoben. Für sie gilt weiter die Unschuldsvermutung, ob sie überhaupt je verurteilt werden, ist unklar. Und auch beim Hauptangeklagten Helmut Elsner wurden die Verurteilungen wegen schweren Betrugs, Bilanzfälschung und Vergehen gegen Privatstiftungsgesetz wegen Mängeln ganz kassiert – die übriggebliebene Untreue in Höhe von “weit über einer Milliarde” reichte dem OGH aber immer noch zur Höchststrafe von zehn Jahren Haft.

117 Tage lang dauerte der BAWAG-Prozess gegen neun Angeklagte, alle wurden in erster Instanz verurteilt. Rund ein halbes Jahr, von Juli bis Jahresende 2008 nahm sich die Richterin für die Urteilsausfertigung Zeit. Als “Richterin Gnadenlos” wurde Bandion-Ortner damals von einigen Medien gefeiert. Doch ihr Urteil wurde nun “gnadenlos” von den Richtern am OGH zu großen Teilen gekippt.

Für das Amt der Justizministerin haben die launige Prozessführung und das Urteil offenbar gereicht. Ob es weiterhin reicht, um Bandion-Ortner an diesem wichtigen Amt in der Republik zu halten? BZÖ und Grüne fordern offen ihren Rücktritt, die FPÖ sieht Erklärungsbedarf, während in Zeitungen und in Justizkreisen schon offen über einen möglichen Nachfolger spekuliert wird.

Die Ministerin selbst sieht sich durch die Urteilsschelte im Justizpalast jedenfalls nicht betroffen. Noch während der Urteilsbegründung durch den Senatsvorsitzenden am OGH wurde die Presseaussendung des Justizministeriums ausgeschickt. Darin begrüßte Bandion-Ortner ausdrücklich die Höchststrafe für Elsner – obwohl sie selbst eigentlich einen Trennstrich zwischen ihren Funktionen als Ministerin und Richterin ziehen wollte. “Helmut Elsner wurde zu einer Strafe von insgesamt zehn Jahren verurteilt – nunmehr rechtskräftig. Der Versuch, die Schuld auf seine Umgebung abzuwälzen, ist gescheitert”, jubelte die Ministerin um 9.33 Uhr, während gleichzeitig im Gerichtssaal die Mängel in ihrem Richterspruch erläutert wurden.

Das Höchstgericht habe ihre Urteile “in den wesentlichen, wichtigsten Bestandteilen” bestätigt, sagte sie bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz – zur Verwunderung manches Medienvertreters. Ihren Rücktritt schloss Bandion-Ortner neuerlich kategorisch aus.

Der Eindruck einer Schieflage in der ganzen Causa hat sich unterdessen weiter verstärkt: Während Helmut Elsner nun rechtskräftig zu zehn Jahren Haft, der Höchststrafe bei Untreue, verurteilt ist, wurde das Ersturteil über Wolfgang Flöttl zur Gänze aufgehoben. “Das ist ein Witz, einer soll zehn Jahre hinter Gitter, der andere geht in New York spazieren”, meinte ein Prozessbeobachter heute. Denn mit der Frage, ob die verlorenen BAWAG-Millionen von Flöttl wirklich verspekuliert worden sind, hat sich der Oberste gar nicht befasst. “Wo das Geld ist, das ist für die Untreue irrelevant”, erläuterte der Senatsvorsitzende bei der Urteilsbegründung. “Das wäre interessant, wenn man denjenigen verfolgen wollte, dem das Geld zugeflossen ist”, so Lässig. Nun, der Eindruck verstärkt sich: Das will man eben nicht.

  • VIENNA.AT
  • Wirtschaft
  • OGH zerpflückt BAWAG-Urteil und bringt Bandion-Ortner unter Druck
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen