Offener Brief: Vorarlberger SPÖ-Klubobmann Ritsch gegen Hassnachrichten

Die Nachricht stamme laut Ritsch etwa aus dem Jahr 2010 und würde seitdem immer wieder aufs Neue nahezu unverändert verbreitet. Unterschrieben ist die Nachricht angeblich von einer Frau im Wiener Stadtschulrat. Diese hat mit der gefälschten Nachricht allerdings in Wahrheit nichts zu tun, ihr Name wird missbräuchlich verwendet.
In der Nachricht heißt es, dass Ausländer, etwa Rumänen, über die staatliche Ausgleichszulage jährlich viele Millionen Euro ins Ausland abschöpfen würden. Die Intention der Nachricht ist “das Schüren von Hass und Vorurteilen gegenüber Ausländern, etwa gegen Menschen aus Rumänien”, meint Ritsch.

Kettenmail lügt über Ausgleichszulage
In einem offenen Brief will Michael Ritsch daher darüber aufklären, wer Anspruch auf die Ausgleichszulage hat und ob der vermeintliche Betrug, wie er in der Fake-Nachricht beschrieben wird, überhaupt möglich ist. Die Ausgleichszulage ist praktisch eine “Mindestpension”, um Beziehern kleiner Pensionen das Überleben zu sichern. “Anspruch darauf hat man aber nicht – wie in diesem Kettenmail gelogen wird – nur mit einem Meldezettel”, schreibt Ritsch in dem Brief.
Stattdessen brauche man zunächst einen Pensionsanspruch, wozu man ausreichend lange in Österreich oder einem anderen EU-Land gearbeitet haben muss. In Österreich sind das 15 Jahre. Zudem müsse man laut Ritsch als Frau mindestens 60, als Mann mindestens 65 Jahre alt sein, um Anspruch zu haben. Ein fester Wohnsitz in Österreich ist ebenfalls nötig, die Fremdenpolizei muss zudem eine Aufenthaltsberechtigung bescheinigen. Ausreichende Existenzmittel und ein umfassender Krankenversicherungsschutz muss außerdem nachgewiesen werden. “Mal schnell nach Österreich kommen und Ausgleichszulage kassieren? Klappt nicht. Nicht einmal ansatzweise”, sagt Ritsch.
Ritsch: Ausländer sind “Sündenböcke für Rechtspopulisten”
“All das interessiert aber viele nicht. Wie inzwischen so oft, geht es hier nicht um Fakten und Tatsachen, sondern um das bewusste Schüren einer Stimmung: Gegen Ausländer, gegen „Sozialschmarotzer“, gegen Fremde”, kritisiert Ritsch in dem offenen Brief weiter. Die Botschaft treffe “im postfaktischen Zeitalter auf perfekte Lebensumstände”. Ritsch selbst habe sie gleich von mehreren WhatsApp-Kontakten erhalten. “Es nervt mich tierisch, wenn ständig neue Sündenböcke dafür herhalten müssen, die miese Politik von Rechtspopulisten zu rechtfertigen”, äußert sich der SP-Klubobmann deutlich. Dass viele Menschen Angst vor der Zukunft haben, verstehe er. Trotz der “existenziellen Belastungen” im Alltag würden die Reichen immer Reicher werden. “Die sind den Rechtspopulisten aber nicht nur egal, in ihrer konkreten Politik fördern sie sie auch noch”, schreibt Ritsch. Stattdessen würden die “Schwächsten der Schwachen” zu den Sündenbocken der Nation gemacht.
Der offene Brief von Michael Ritsch im Wortlaut:
Klauen uns Ausländer die Ausgleichszulage?
Die Widerlegung einer uralt-Kettenmail, die im postfaktischen Zeitalter auf perfekte Überlebensumstände trifft.
Seit geraumer Zeit macht eine altbekannte Kettenmail wieder ihre Runden – diesmal allerdings über den SMS-Nachrichtendienst WhatsApp. Die Botschaft stammt etwa aus dem Jahr 2010 – womit sie in Internetjahren gerechnet ungefähr aus dem Mittelalter stammt – und taucht seither immer wieder beinehe unverändert auf. Das Portal „Stoppt die Rechten“ hat sich beispielsweise bereits im Jahr 2012 dieser Nachricht angenommen. Schlussendlich ist ihre Intention das Schüren von Hass und Vorurteilen gegenüber Ausländern, etwa gegen Menschen aus Rumänien. Diese sollen anscheinend über die staatliche Ausgleichszulage viele Millionen Euro jährlich ins Ausland abschöpfen. Es wird zudem vorgegaukelt, dass es sich dabei um eine weitergeleitete Nachricht einer Dame des Wiener Stadtschulrates handelt. Die Dame weiß allerdings nichts davon, denn ihr Name wird hier missbräuchlich verwendet. Das ist allerdings bei weitem nicht die einzige Lüge, die hier verbreitet wird.
Crashkurs: Die Ausgleichszulage
Doch was ist diese „Ausgleichszulage“ überhaupt, die diese „bösen Ausländer“ anscheinend abschöpfen? So wird die Mindestsicherung für Pensionisten bezeichnet. Sie ist praktisch eine „Mindestpension“, um Beziehern kleiner Pensionen das Überleben zu sichern. Anspruch darauf hat man aber nicht – wie in diesem Kettenmail gelogen wird – nur mit einem „Meldezettel“.
Was brauche ich also? Erstens: Einen Pensionsanspruch. Ich muss in Österreich oder einem EU-Land so lange gearbeitet haben, dass ich Anspruch auf eine Pension habe (in Österreich: 15 Jahre). Zweitens: Ich muss als Frau mindestens 60, als Mann mindestens 65 sein, um Anspruch zu haben. Drittens: Einen festen Wohnsitz in Österreich; hier reicht ein einfacher Meldezettel nicht aus, die Fremdenpolizei muss bescheinigen, dass ich eine Aufenthaltsberechtigung habe. Viertens: Ich muss nachweisen, dass ich über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfüge. Mal schnell nach Österreich kommen und Ausgleichszulage kassieren? Klappt nicht. Nicht einmal ansatzweise.
„EU-Bürger, die nicht erwerbstätig sind und nur zum Zweck des Bezugs einer Sozialleistung in einen anderen Mitgliedstaat übersiedeln, können auf der Grundlage des Unionsrechts keine Ansprüche auf Sozialleistungen wie die Ausgleichszulage geltend machen.“
Die Ausgleichszulage entspricht EU-Recht. Auch Österreicher, die im Ausland leben, haben dort unter gleichen Voraussetzungen ebenso Anspruch auf entsprechende staatliche Leistungen.
Stimmungsmache mit Sündenböcken
All das interessiert aber viele nicht. Wie inzwischen so oft, geht es hier nicht um Fakten und Tatsachen, sondern um das bewusste Schüren einer Stimmung: Gegen Ausländer, gegen „Sozialschmarotzer“, gegen Fremde. Im postfaktischen Zeitalter trifft die veraltete Botschaft auf perfekte Lebensumstände; so habe ich sie gleich von mehreren WhatsApp-Kontakten erhalten. Natürlich mit der Aufforderung, die Lüge fleißig weiterzuverbreiten. Ich mache hier nicht mit. Es nervt mich tierisch, wenn ständig neue Sündenböcke dafür herhalten müssen, die miese Politik von Rechtspopulisten zu rechtfertigen. Ich verstehe, dass viele Angst vor der Zukunft haben. Tagtäglich werden die existenziellen Belastungen – Mieten, Lebensmittelpreise, etc. – größer. Trotz dieser Entwicklung geht es Banken und Großkonzernen so gut wie nie und die Reichen werden immer noch reicher. Die sind den Rechtspopulisten aber nicht nur egal, in ihrer konkreten Politik fördern sie sie auch noch. Gleichzeitig werden die Schwächsten der Schwachen – Zuwanderer, Flüchtlinge, Mindestsicherungsbezieher – zu den Sündenböcken der Nation gemacht. Das ist letztklassig. Machen wir denen, deren politische Agenda ausschließlich in Hass und Zwietracht besteht, einen Strich durch die Rechnung. Nur, wenn wir uns nicht von den Hartherzigen auseinanderdividieren lassen, sind wir stark. Gemeinsam statt gegeneinander, menschlich statt unmenschlich, Freundschaft statt Hass!
Michael Ritsch, Clubobmann der sozialdemokratischen Landtagsfraktion in Vorarlberg
(Red.)