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ÖVP-Kandidat Tschann gewinnt in Bludenz

Neo-Winzer Tschann will als neuer Bludenzer Stadtchef Gastgeber in der Politik sein.
Neo-Winzer Tschann will als neuer Bludenzer Stadtchef Gastgeber in der Politik sein. ©Lerch
Das Duell um Bludenz ist entschieden: Simon Tschann (28) von der Bludenzer Volkspartei wird neuer Bürgermeister der Alpenstadt. 51,63 Prozent der Wähler stimmten für ihn.
Wahlsieger Tschann in Bludenz
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Er setzte sich gegen SPÖ-Vizebürgermeister Mario Leiter (55) durch, der auf 48,37 Prozent der Stimmen kam. Der Stadtpolizist scheiterte damit auch im zweiten Anlauf, Bludenz für die SPÖ nach mittlerweile 25 Jahren zurückzuerobern. Simon Tschann wird der jüngste Bürgermeister Vorarlbergs.

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Der studierte Betriebswirt Tschann bestätigte am Stichwahl-Sonntag, was sich bereits vor zwei Wochen abzeichnete: Bei seiner Premiere im ersten Wahlgang gewann der Touristikfachmann, der einen neuen Polit-Stil versprach, 2.975 Wähler für sich, also 46,98 Prozent. Leiter blieb mit 2.779 Stimmen hinter Tschann. Die beiden trennten 196 Stimmen. Diesmal entfielen bei einer Wahlbeteiligung von 63,99 Prozent 3.512 Stimmen auf Tschann, 3.290 auf Leiter.

Dass die Auszählung relativ lange dauerte, erklärte Noch-Bürgermeister Josef "Mandi" Katzenmayer mit "Ungereimtheiten". Laut einem Sprechers der Stadt betrafen diese mehrere - nach aktuellem Wissen vier - Wahlkarten, deren Anträge offenbar gefälschte Unterschriften trugen. Die betreffenden Wahlberechtigten hatten nie eine beantragt. Die Kriminalpolizei untersuche die Vorfälle. Zumindest eine der Wahlkarten, die per falscher Unterschrift beantragt worden sein sollen, trage die Unterschrift eines Mitglieds des Teams Mario Leiter.

Tschann zeigte sich über den Wahlausgang erleichtert und "überglücklich", dass Bludenz in ÖVP-Hand blieb. Er freue sich, sei aber demütig, denn jetzt gelte es, an die Arbeit zu gehen: "Wir müssen weiter zusammenarbeiten und zusammenhalten, gerade in diesen Zeiten." Zunächst stehe einmal die Regierungsbildung an, man werde mit allen Gespräche führen. Das Budget 2021 werde eine Herausforderung. Katzenmayer äußerte sich "glücklich, dass ich den Richtigen vorgeschlagen habe".

Mario Leiter fühlte sich nicht als Verlierer, vielmehr als "zweiter Sieger". Schließlich habe man nach einem tollen, aber sehr langen Wahlkampf in Mandaten zugelegt. Corona sei der ÖVP zupassgekommen, da ihr Kandidat mehr Zeit gehabt habe, bekannt zu werden. "Das Ergebnis ist zu akzeptieren", sagte er. Er hoffte auf politische Ruhe. Keine der Fraktionen habe im Wahlkampf Scherben zerschlagen, so könne man weiterarbeiten. "Meine eigene politische Zukunft werde ich mir anschauen und mit der Familie analysieren, es ist alles offen", so Leiter. Er sei nach wie vor Polizeibeamter, diesen Job liebe er und darauf liege nun sein Fokus.

Leiter hatte bereits 2015 gegen ÖVP-Langzeit-Bürgermeister Katzenmayer einen Achtungserfolg erzielt, als er den Amtsinhaber in die Stichwahl gezwungen hatte und dank großer Zugewinne für die SPÖ Vizebürgermeister geworden war. Aber auch im zweiten Versuch gelang es ihm nicht, die einst rote Bastion zurückzugewinnen. Bludenz, mit 14.800 Einwohner die kleinste Stadt Vorarlbergs, stand ab 1970 rund 25 Jahre lang unter SPÖ-Regentschaft. 1995 verloren die Sozialdemokraten den Bürgermeisterposten an die ÖVP, die seither im Rathaus den Ton angibt.

Die Volkspartei Bludenz legte am 13. September unter ihrem neuen Frontmann Tschann - er hatte noch nie ein politisches Amt inne - in der Stadtvertretung um 5,35 Prozentpunkte auf 45,86 Prozent zu, das ist ein Zugewinn von zwei Mandaten auf 16 Sitze. Die SPÖ konnte mit 38,99 Prozent ebenfalls zulegen, wenn auch nur leicht (2015: 37,76 Prozent), und hat ein Mandat mehr, insgesamt 14.

Polit-Debütant wird Bludenz-Chef

Simon Tschann, von der Volkspartei ins Rennen um das Bürgermeisteramt in Bludenz geschickt, hat den Showdown zwischen ÖVP und SPÖ in der Alpenstadt für sich entschieden. Der erst 28-jährige Tourismuskaufmann mit dem adretten Äußeren und der gewinnenden Persönlichkeit wird damit Vorarlbergs aktuell jüngster Bürgermeister. Dabei "kauften" die Bludenzer gewissermaßen die Katz' im Sack: Ein politisches Amt hatte Tschann nämlich bisher noch nie inne.

Als sich der Abgang von Langzeit-Bürgermeister Josef "Mandi" Katzenmayer (ÖVP) abzeichnete, erkor eine parteiinterne Findungsgruppe den am 21. Juli 1992 geborene Simon Tschann. Der aus dem Stadtteil Rungelin stammende Bludenzer besuchte die Tourismusschule in seiner Heimatstadt und arbeitete von 2012 bis 2013 in jenem Bregenzerwälder Hotel, das vom heutigen Wirtschaftskammerpräsidenten Hans-Peter Metzler geführt wird. Von 2013 bis 2017 studierte der ausgebildete Sommelier Betriebswirtschaft in Innsbruck, was er mit einem Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften beendete.

Neben seiner Tätigkeit in einem Hotel in Braz (Bezirk Bludenz) als rechte Hand der Geschäftsleitung begann Tschann ab 2017 mit dem Aufbau eines Weingartens in Rungelin, mit dem er die Tradition des Weinbaus in Vorarlberg wiederbeleben will. Genau dieses Weingut verursachte einen der wenigen "Rumpler" in seinem von der ÖVP groß orchestrierten Wahlkampf: Weil für Terrassen für eine Erweiterung des Anbaus eine Bauanzeige fehlte, mussten die baulichen Maßnahmen nach politischer Aufregung rückgebaut werden. Neben Wein nennt der umtriebige Tschann als Hobbys das Wandern, die Natur und die Funkenzunft Rungelin, soweit es die Zeit zulasse. Er sei ein "leidenschaftlicher Vereinsmensch", so Tschann.

Bei seinem ersten Antreten als Bürgermeister- und Spitzenkandidat der Volkspartei Bludenz fuhr Tschann im ersten Wahlgang ein für viele überraschend deutliches Ergebnis von 46,98 Prozent ein. Bei der Gemeindevertretungswahl gewann die Volkspartei von 40,51 auf 45,86 Prozent dazu. Die ÖVP betrieb Tschanns Wahlkampf mit viel Aufwand, vor allem auch auf den Social Media-Kanälen, wo man ihm etwa auf Instagram unter dem Hashtag #tschanntastic folgen kann; im März unterstützte gar Bundeskanzler Sebastian Kurz die Kampagne mit einer Stippvisite. Dieser ist - wie Tschann einmal sagte - auch sein Vorbild, nämlich "insofern, als Sebastian Kurz im selben Alter bereit war, Verantwortung zu übernehmen", das habe ihn bestärkt. "Aber: Kurz ist Kurz und Tschann ist Tschann." Ein direktes politisches Vorbild habe er nicht, er hoffe, mit seiner Kandidatur eine "neue Welle sachlicher, ehrlicher Politik" auszulösen.

Politisch ist Tschann ein unbeschriebenes Blatt. Seine Jugend und Unerfahrenheit münzte er im Wahlkampf um: Es sei Zeit, "jung zu denken" und für einen neuen Polit-Stil ohne Hickhack, war da zu hören. Er beschrieb sich als "leidenschaftlicher Teamplayer" und kündigte an, alle Abteilungen im Rathaus, von der Müllabfuhr angefangen, durchlaufen zu wollen. Seine "Visionen" für Bludenz enthalten unter anderen neben einer wirtschaftlichen Belebung der Stadt und der Gastronomie den Kampf gegen Leerstand, Lehrlingsoffensive und mehr leistbares Wohnen, konkrete Vorhaben blieb er aber - unter Hinweis auf die Corona-Krise - zumeist noch schuldig. Tschann lebt in Partnerschaft mit seiner Freundin Melina.

(APA)

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