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ÖVP-Ermittlungen: Ex-Ministerin Karmasin wurde festgenommen

Ex-Familienministerin Sophie Karmasin wurde offenbar festgenommen.
Ex-Familienministerin Sophie Karmasin wurde offenbar festgenommen. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Die frühere ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin wurde festgenommen. Im Zuge der ÖVP-Ermittlungen wurde Karmasin von ihrer ehemaligen Geschäftspartnerin Sabine Beinschab belastet.
Beinschab bestätigt teils Vorwürfe
Kurz sieht sich entlastet

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestätigte am Donnerstag per Presseaussendung lediglich "die Festnahme einer Person wegen Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr". Gesicherten APA-Informationen zufolge klickten für Karmasin am Mittwoch gegen 16.00 Uhr die Handschellen.

Karmasin soll in der ÖVP-Affäre wesentliche Rolle spielen

"Falter"-Chefredakteur Florian Klenk veröffentlichte am Donnerstagnachmittag die Festnahmeanordnung der WKStA auf Twitter, aus der sich - losgelöst von der ÖVP-Affäre - eine neue Verdachtslage gegen die Ex-Politikerin ergab. In der Festnahmeanordnung wird Karmasin unter Verweis auf "bisherige Beweisergebnisse" als "Urheberin und maßgebliche Ideengeberin sowohl hinsichtlich der 'Entwicklung' des 'Beinschab-Österreich-Tools'", das in der ÖVP-Affäre eine wesentliche Rolle spielt, aber auch zu "neu hervorgekommenen Preisabsprachen" bezeichnet. Karmasins strafbare Handlungen hätten sich demnach "nach der dringenden Verdachtslage über mehr als fünf Jahre" erstreckt, sie sei "federführend" daran beteiligt gewesen und hätte "mit unterschiedlichen kreativen Umgehungsvereinbarungen und Verschleierungsgeschäften zum eigenen Vorteil und zum Nachteil vor allem der Republik Österreich Straftaten mit einem demokratiepolitisch immensen und auch vermögensrechtlich erheblichen Unrechtswert" begangen.

Details aus der Festnahmeanordnung

Für die WKStA war die Festnahme der Ex-Ministerin unter anderem deshalb erforderlich, weil die Behörde befürchtet, Karmasin könnte ansonsten "versuchen, Mitbeschuldigte und Zeugen zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren", wird in der Festnahmeanordnung betont. Denn Karmasin - und das war bisher nicht bekannt - soll losgelöst von der ÖVP-Inseraten-Affäre noch bis Mitte 2021 wettbewerbsbeschränkende und damit rechtswidrige Absprachen in mehreren Vergabeverfahren inszeniert haben. Damit wollte sie der Verdachtslage zufolge für ihr Institut den Zuschlag für drei vom Sportministerium ausgeschriebene Studien zu den Themen "Motivanalyse Bewegung und Sport", "Frauen im Vereinssport" und "Kinder und Jugendliche im Vereinssport bzw. "Rück- und Neugewinnung von Vereinsmitgliedern für Sportvereine" bekommen. Zwischen Mai 2019 und Mitte 2021 soll sie sich dabei vor allem wieder Sabine Beinschabs bedient haben, indem sie sie aufforderte, von ihr inhaltlich vorgegebene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass sie selbst die Aufträge bekommen würde, heißt es in der Festnahmeanordnung.

Inseratenaffäre: Festnahme von Karmasin

Die 55-Jährige war von ihrer ehemaligen Geschäftspartnerin und Meinungsforscherin Sabine Beinschab in der Inseraten-Korruptionsaffäre rund um die ÖVP und den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz belastet worden. Die Festnahme erfolgte laut Mitteilung der WKStA auf Anfrage der APA nach gerichtlicher Bewilligung. Da es sich um eine Verschlusssache handelt und im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen, gibt die WKStA derzeit keine weiteren Details zum Verfahren und den Verfahrensbeteiligten bekannt. Karmasins Anwalt Norbert Wess war für die APA vorerst telefonisch nicht erreichbar.

Weitere Ermittlungen auch wegen Geldwäscherei

Die WKStA dürfte in den vergangenen Wochen und Monaten in Bezug auf Karmasin weiteres belastendes Beweismaterial gesammelt bzw. gewonnen haben. Im Zusammenhang mit den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Vergabeverfahren wird gegen Karmasin als Bestimmungstäterin und gegen Beinschab und eine weitere, dritte Verdächtige ermittelt. Außerdem steht gegen Karmasin noch der Verdacht der Geldwäscherei im Raum. Hintergrund dessen: Karmasin soll ihre Einkünfte aus ihren strafbaren Handlungen teilweise verschleiert haben, indem sie rund 52.000 Euro auf Basis von Scheinrechnungen für angebliche Leistungen in ihrer Buchhaltung aufnahm, die die Beratungsfirma eines Angehörigen gelegt hatte.

Beinschab belastete Karmasin bei Einvernahme der WKStA

Wie vergangen Woche bekannt geworden ist, hat Beinschab bei ihrer Einvernahme vor der WKStA im vergangenen Oktober Karmasin belastet. Sie gab an, dass ihr Aufträge für das Finanzministerium für diverse Studien von Ex-Familienministerin Karmasin vermittelt worden seien - Karmasin habe dafür mit 20 Prozent des Umsatzes "mitgeschnitten". Über die Festnahme hatte am Donnerstag zuerst "Der Standard" berichtet.

Einvernahme Karmasins derzeit in Gange

Über die Festnahme der Ex-Ministerin hatte am Donnerstag zuerst "Der Standard" berichtet. Karmasin dürfte sich zur Stunde im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) befinden und im Beisein ihres Anwalts vernommen werden. Die Strafverfolgungsbehörden haben ab dem Zeitpunkt der Festnahme 48 Stunden Zeit, um die Beschuldigte mit der Verdachtslage zu konfrontieren und sie dazu zu befragen. Nach Ablauf der 48-Stunden-Frist - im konkreten Fall: am Freitagnachmittag - muss Karmasin entweder wieder auf freien Fuß gesetzt werden oder das Wiener Landesgericht für Strafsachen hätte allenfalls über einen U-Haft-Antrag, der bis dahin von der WKStA einzubringen wäre, zu entscheiden.

Dass als Haftgrund auch Verdunkelungsgefahr angenommen wurde, könnte darauf hindeuten, dass Karmasin nach Bekanntwerden vom Beinschabs sie belastenden Angaben Schritte gesetzt hat, die für die WKStA Gefahr im Verzug annehmen ließ. Denkbar wäre, dass etwa eine - zumindest versuchte - Kontaktaufnahme zwischen Karmasin und Beinschab stattgefunden hat oder die WKStA gar befürchtete, der Anklagebehörde noch nicht bekanntes Beweismaterial könnte beiseite geschafft werden und daher eine gegen Karmasin gerichtlich bewilligte Festnahmeanordnung erging. Für sämtliche Beteiligte gilt die Unschuldsvermutung.

Karmasins Anwalt Norbert Wess hatte in der Vorwoche gegenüber dem ORF und dem Nachrichtenmagazin "profil" die 20-Prozent-Vereinbarung bestätigt, aber die Rechtswidrigkeit bestritten. Auch eine Nicht-Meldung der Einkünfte in Karmasins Zeit als Ministerin sei nicht strafbar gewesen. Laut Wess habe Karmasin aber nicht gewusst, dass dem Finanzministerium ressortfremde Leistungen in Rechnung gestellt wurden.

Für FPÖ kommt Festnahme von Karmasin "zu spät"

Für die FPÖ ist die Festnahme Karmasins "ein logischer Schritt", der "aber vermutlich zu spät kommt". Der Fraktionsführer im U-Ausschuss, Christian Hafenecker, verwies darauf, dass die Festnahme fast fünf Monate nach der Einvernahme Beinschabs erfolgte. "Wenn es etwas zu verdunkeln gab, dann hatte Karmasin dazu ausreichend Zeit", so Hafenecker in einer Aussendung. Die "massive Korruptionsbelastung der ÖVP" sieht Hafenecker damit einmal mehr belegt.

(APA/Red)

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