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Österreich kauft Sky Shield-Luftabwehrsystem mit Berlin

Im Rahmen von Sky Shield möchte Österreich gemeinsam mit Deutschland Luftabwehrsystem kaufen.
Im Rahmen von Sky Shield möchte Österreich gemeinsam mit Deutschland Luftabwehrsystem kaufen. ©APA/BARBARA GINDL (Archiv)
Österreich plant im Rahmen des europäischen Luftverteidigungssystems Sky Shield eine gemeinsame Beschaffung und Ausbildung mit Deutschland.
Sky Shield: SPÖ und FPÖ fordern mehr Informationen

Dies teilte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Dienstag vor Journalisten in Wien mit. Konkret sei der Kauf des deutschen Mittelstrecken-Luftabwehrsystems Iris-T geplant, sagte Tanner. In den nächsten Wochen soll dazu ein "Memorandum of Understanding" mit Berlin akkordiert werden.

"Dieses Memorandum of Understanding baut darauf auf, dass Deutschland auf das System Iris-T setzt. Wir wollen da mit Deutschland eine Vereinbarung schließen, schon sehr, sehr bald, wo es um die gemeinsame Beschaffung geht dieses Luftabwehrsystems Iris-T", sagte Tanner. Angesichts des Ukraine-Kriegs sei es nämlich "unabdingbar notwendig", die Lücken im europäischen Luftraum zu schließen. Nicht beteiligen will sich Österreich an weiterreichenden Systemen wie Arrow 3, die Deutschland selbst beschaffen möchte. Hier gehe man davon aus, dass Österreich "mitgeschützt" werde. "Das Ziel ist selbstverständlich, dass wir unter dem ganz großen Schutzschirm für Europa mit dabei sind", so Tanner.

Sky Shield: Österreich kauft Luftabwehrsystem mit Berlin

Tanner trat gemeinsam mit Luftwaffenchef Gerfried Promberger auf. Dieser hatte kürzlich an einem Treffen der Luftwaffenchefs der Partnerstaaten der European Sky Shield Initiative (ESSI) in Deutschland teilgenommen, bei dem der deutsche Rüstungskonzern Diehl sein System Iris-T präsentiert hatte. Tanner und Promberger erwarten sich von der gemeinsamen Beschaffung geringere Kosten für Ankauf und Ausbildung. Diese solle im Rahmen der deutschen Armee erfolgen, die derzeit eine Art europäische Akademie für die ESSI-Partnerstaaten aufbaue.

Promberger hob militärischen Wert des Systems hervor

Promberger hob vor Journalisten auch den militärischen Wert des Systems hervor, das aktuell etwa von der Ukraine mit "hoher Abschussrate" gegen russische Raketen eingesetzt werde. "Das System ist akkurat, marktverfügbar und combat proven (kampferprobt, Anm.)", betonte der Brigadier. Es sei auch äußerst flexibel und könne innerhalb weniger Minuten ab- und aufgebaut werden.

Österreich plant die Beschaffung von vier Kurzstreckensystemen

Konkret plant Österreich die Beschaffung von vier Kurzstreckensystemen mit einer Reichweite von bis zu 15 Kilometer und vier Mittelstreckensystemen mit einer Reichweite bis 50 Kilometern, so Promberger. Die Systeme haben jeweils drei Werfer. Wo sie genau stationiert werden, hänge von der Bedrohungslage ab. Die Lieferung des ersten Systems soll bereits ein Jahr nach der Unterzeichnung des Beschaffungsvertrags erfolgen.

Österreich werde benötigte Systeme von Deutschland abkaufen

Promberger und Tanner bestätigten auf Nachfrage, dass die Verhandlungen mit dem Rüstungskonzern von der deutschen Regierung geführt werden. Formell werde Österreich die benötigten Systeme von Deutschland abkaufen. Tanner hob in diesem Zusammenhang die Transparenz des Vorganges hervor. Einfluss von Lobbyisten sei nun nicht mehr möglich, sagte sie in Anspielung auf den skandalumwitterten Eurofighter-Beschaffungsvorgang.

Tanner und Promberger hielten sich zu den Kosten bedeckt

Bedeckt hielten sich Tanner und Promberger zu den Kosten. Dies hänge von den Verhandlungen ab, sagten sie auf APA-Nachfrage. Die Verteidigungsministerin verwies diesbezüglich auf den Aufbauplan für die bodengestützte Luftabwehr, der einen Umfang von zwei Milliarden Euro habe. Nicht alles davon werde aber in das System Iris-T fließen. Tanner sicherte zugleich eine ausführliche Information des Nationalrats zu, konkret im Rahmen der zuständigen Ausschüsse. Der Auftrag dürfte aber milliardenschwer sein. So hat der Deutsche Bundestag erst im Juni 950 Millionen Euro für Beschaffung von sechs Iris-T-Systemen samt Munition bewilligt. Österreich will acht Systeme kaufen.

Zeil von Pistorius sei laut Tanner "ambitioniert" aber "machbar"

Als "ambitioniert", aber gerade auch im Lichte der jüngsten Entwicklungen "machbar" bezeichnete Tanner das von ihrem deutschen Kollegen Boris Pistorius genannte Ziel, dass Sky Shield schon 2026 in Betrieb sein soll. Das MoU soll von der deutschen Seite "in den nächsten Wochen" übermittelt und dann von Experten im Verteidigungsministerium geprüft werden, so Tanner. Sie ließ durchblicken, dass es schon rund um das nächste Treffen der Sky-Shield-Luftwaffenchefs im November unterzeichnet werden könnte. Estland und Lettland hätten am gestrigen Montag bereits ein entsprechendes MoU unterfertigt, Slowenien solle folgen. Schweden und Ägypten hätten Iris-T bereits im Einsatz.

Neutralitätsrechtliche Bedenken zu Sky Shield seien "an den Haaren herbeigezogen"

Als "an den Haaren herbeigezogen" kritisierte Tanner vermeintliche neutralitätsrechtliche Bedenken im Zusammenhang mit Sky Shield. Es gebe nämlich keine Verfassungs- oder Völkerrechtsexperten, die diesbezüglich einen Zusammenhang sähen. Schon vor der im Juli (gemeinsam mit der Schweiz) mit Deutschland unterzeichneten Absichtserklärung sei dies geprüft worden. Auch sei es "nicht das erste Mal, dass wir gemeinsame Beschaffungen (mit anderen Ländern, Anm.) durchführen", betonte sie.

FPÖ unterstrich ihre Skepsis gegenüber Sky Shield

Die FPÖ unterstrich unterdessen ihre Skepsis gegenüber Sky Shield. "Wenn Österreich schon am Weg Richtung Nato ist und Sky Shield ein weiterer Baustein auf diesem Weg ist, sollte die Bevölkerung zumindest die Möglichkeit bekommen, in einer Volksabstimmung darüber abzustimmen", betonte der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Alois Kainz am Dienstag - noch vor Tanners Ankündigung - in einer Aussendung.

SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer forderte in einer Reaktion "umgehend ein erstes Informationsgespräch mit allen Wehrsprechern". "Eine verantwortungsbewusste Verteidigungsministerin hätte schon längst den Austausch mit dem Nationalrat gesucht, anstatt scheibchenweise Informationen an die Medien zu spielen", kritisierte er in einer Stellungnahme. Schon vor dem Auftritt Tanners hatte die FPÖ ihre Skepsis gegenüber Sky Shield bekräftigt. "Wenn Österreich schon am Weg Richtung Nato ist und Sky Shield ein weiterer Baustein auf diesem Weg ist, sollte die Bevölkerung zumindest die Möglichkeit bekommen, in einer Volksabstimmung darüber abzustimmen", betonte der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Alois Kainz am Dienstag in einer Aussendung.

(APA/Red)

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