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"Nur noch die Freude" zählt

Hermann Maier muss nichts mehr beweisen. 47 Weltcupsiege, Doppelgold bei Olympia und WM, zehn kleine Kristallkugeln und vergangenen März zum vierten Mal den Gesamt-Weltcup gewonnen.

Das spricht für sich und für den „Herminator“, Am Sonntag geht es in Sölden los in die Saison 2004/2005, aber Maier hat ein bemerkenswert unsportliches Motto für den WM-Winter: „Das Vergnügen am Skifahren ist für mich mittlerweile das Wichtigste. Nur noch die Freude zählt“, so der Salzburger.

Im Dezember wird Maier 32 Jahre alt, trotzdem hat er wegen seines Unfalls nicht mehr Weltcup-Jahre auf dem Buckel als etwa ein Benni Raich, der nach dem Rücktritt von Stephan Eberharter neben Maiers Neo-Teamkollegen Bode Miller zu den großen Konkurrenten des Ski-Giganten aus Flachau gezählt wird. Auch, weil man ihn zuvor jahrelang “übersehen“ habe, hält er sich deshalb „bis auf das Bein“ für relativ unverbraucht, hat deshalb unlängst seinen wichtigsten Sponsorvertrag um gleich drei Jahre, also bis zur WM 2007, verlängert.

Zumindest derzeit begleitet den erfolgreichsten Skifahrer der Gegenwart aber eine gewisse Ambivalenz. Hier die eindrucksvollen Erfolge und der erneute Gewinn der großen Kristallkugel im vergangenen Comeback-Winter, die ihm fast ein wenig in den Schoß gefallen war. „Ich war also vor und nach meinem Unfall Weltcupsieger, es hat sich demnach nicht viel geändert und ich kann nur noch dazu gewinnen. Beweisen müssen sich höchstens die anderen“, will er deshalb fest gehalten wissen.

Auf der anderen Seite steht die fast schon ohnmächtige Verzweiflung eines Perfektionisten, der genau weiß, was ohne diesen fatalen Motorrad-Unfall im Sommer 2001, bei dem er am Zenit seines Könnens fast sein rechtes Bein verloren hätte, wohl möglich gewesen wäre. Maier: „Es wird nie wieder so wie vorher. Ich werde damit leben müssen und versuchen, das Beste daraus zu machen.“

Ob Maiers „Bestes“ auch im kommenden Winter gut genug ist, um am Ende wieder als Bester der Besten dazustehen, wird sich zeigen. Eher noch nicht in Sölden, denn diese Gletscher-Vorwegnahme des Winters sieht nicht nur Maier eher als „Test“. Auch, weil er durch Grippe und Kreuzprobleme in der Vorbereitung gebremst wurde und noch immer an der Schuhwahl tüftelt.

Maier: „Das erste Rennen nimmt man ohnehin nicht so für voll. Alles um Platz zehn wäre schon ein Erfolg. Aber richtig los geht es erst in Amerika, auf das freue ich mich, ich will so schnell wie möglich hin.“ Wie gut, dass wegen der verkürzten Nordamerika-Tournee heuer eine zusätzliche Woche Zeit bleibt, um in Sölden eventuell aufgedeckte Schwächen auszumerzen.

Zudem geht es ja im kommenden Winter wieder um WM-Medaillen und das in Bormio, also auf einer der Lieblingsstrecken des Herminators, dessen Autobiografie „Das Rennen meines Lebens“ gerade rechtzeitig vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden erschienen ist. Vielleicht hat Maier mit der aufwändigen Erzählung seines bisherigen Schicksals auch hemmende Erinnerungen hinter sich gelassen, dann wären neuerliche Erfolge keine Sensation mehr.

Aber Maier weiß, dass er seit dem Unfall nach wie vor am Aufholen ist, die Leistungen von früher „noch nicht wachgerüttelt“ sind, die Sorge vor einer neurlichen Verletzung – „Ich habe durch den Unfall gelernt, dass es sehr schnell gehen kann“ – immer noch mitfährt. Gerade deshalb versucht er seine Gedanken positiv zu zentrieren. „Ich werde Rennen für Rennen in Angriff nehmen. Wichtig ist aber, am Training, am Skisport und am Leben Freude zu haben.“

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