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NSA-Affäre: Europas Geduld am Ende - Merkel und Hollande machen Druck

Merkel und Hollande sollen die europäische "Speerspitze" gegen Obama sein.
Merkel und Hollande sollen die europäische "Speerspitze" gegen Obama sein. ©beide AP
Die Europäer wollen sich nicht länger ausspionieren lassen: Deutschland und Frankreich gehen gemeinsam vor, um den grenzenlosen Spähattacken aus den USA einen Riegel vorzuschieben.

Europa fordert von US-Präsident Barack Obama Garantien für ein Ende der Bespitzelung engster Verbündeter. Die Schwergewichte Deutschland und Frankreich wollen bis Jahresende harte Zusagen, dass der US-Geheimdienst NSA befreundete Staaten in Ruhe lässt. Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande bekamen dafür beim EU-Gipfel in Brüssel breite Rückendeckung.

Unterstützung kommt aus Österreich

Österreich will sich der deutsch-französischen Initiative jedenfalls anschließen. Bundeskanzler Werner Faymann sagte nach Abschluss des EU-Gipfels: “Wir werden diese Initiative voll unterstützen.” Ziel sei es, mit den USA bis Dezember zu einer Vereinbarung zu kommen. Faymann erklärte auch, sich angesichts der Enthüllungen kein neues Handy anschaffen zuwollen: “Nein, ich besorge mir kein neues Handy. Und ich finde auch, wenn so viele Menschen angeblich ausspioniert werden oder einfach ihre Daten verwendet werden, dann ist das sowohl beruflich als auch privat für jeden unangenehm, falsch und muss uns bei jedem gleich entrüsten, egal ob er Premierminister ist oder nicht.”

Einbestellung des US-Botschafters möglich

“Ein Angriff auf die Privatsphäre ist kein Kavaliersdelikt”, so Faymann im Interview der Wochendausgabe der Tageszeitung “Österreich”. Während Deutschland bereits den US-Botschafter einbestellt hat, behält sich Faymann eine scharfe Reaktion noch vor. Auf die Interview-Frage, ob er auch vorhabe, den US-Botschafter in Wien einzubestellen, antwortet der Kanzler: “Ich berate mit dem Außenminister, wie wir vorgehen. Wichtig ist mir, dass es europäisch akkordiert ist und damit mit entsprechender Härte passiert.”

Neun Abgeordnete aus dem EU-Parlamentsausschuss für bürgerliche Freiheiten soll zudem nach Angaben eines britischen EU-Parlamentariers “mögliche Rechtsmittel für EU-Bürger” infolge der angeblichen Überwachung ausloten. Unklar blieb allerdings, woraus diese bestehen könnten.

NSA soll 35 Spitzenpolitiker überwachte haben

Die NSA soll die Telefone von 35 Top-Politikern überwacht haben, darunter Merkels Handy. In Berlin wollen Union und SPD jetzt in den Koalitionsverhandlungen über mehr Datenschutz reden. Linkspartei und Grüne forderten eine Sondersitzung des Bundestages. Die CDU zeigte sich offen für einen Untersuchungsausschuss. Auch deutsches Asyl für Enthüller Edward Snowden ist wieder Thema.

Gutes Benehmen gefordert

Merkel und Hollande erhöhten in Brüssel den Druck auf die US-Regierung. “Für die Zukunft muss etwas verändert werden und zwar gravierend”, sagte Merkel. Auch Hollande zeigte sich erbost: “Die erste Regel des guten Benehmens ist: Man überwacht nicht und kontrolliert nicht die Handys von Personen, die man bei internationalen Gipfeln trifft.”

Berlin und Paris wollen bis Ende Dezember klare Regeln für die Zusammenarbeit ihrer Geheimdienste mit den USA. Die Europäer wollen genauso vor US-Spionage verschont bleiben wie die von Washington bevorzugten Partner Großbritannien, Neuseeland, Australien oder Kanada. Auch ohne Bevorzugung bleibt nach bisherigem Stand der Dinge die Spitzenpolitik in Österreich von US-Spionage verschont.

“Obama sollte deutliche Erklärung abgeben”

Der deutsche Bundespräsident Gauck sagte am Freitag in Berlin, sollten die Vorwürfe zutreffen, “wäre das ein gravierender Vertrauensbruch unter engen Freunden und politischen Partnern”. Nun sei Obama am Zug: “Der amerikanische Präsident sollte sehr deutlich erklären, was geschehen ist und auch, wie verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden kann.” Die Deutschen sorgten sich um ihre persönliche Freiheit.

Merkel stellte klar, eine Unterbrechung der Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA sei beim EU-Gipfel nicht gefordert worden. Für die vom Europaparlament verlangte Aussetzung der Weitergabe verdächtiger Bankdaten an die Amerikaner zeigte sie “gewisses Verständnis”. Dies müsse aber unter Sicherheitsaspekten abgewogen werden.

35 Top-Politiker bereits 2006 auf der Liste

Der britische “Guardian” schrieb unter Berufung auf Snowden-Unterlagen, dass die NSA die Telefon-Kommunikation von 35 Top-Politikern überwachte. Das NSA-Dokument stamme aus dem Jahr 2006. Namen seien darin nicht genannt. Insgesamt habe ein US-Beamter 200 Nummern dem Abhördienst übergeben. Großbritanniens Premierminister David Cameron bezeichnete Informanten wie Snowden als Sicherheitsrisiko. “Das hilft unseren Feinden. Ganz einfach.”

An der vermuteten Spionageattacke gegen Merkel war möglicherweise die US-Botschaft in Berlin beteiligt, berichteten “Süddeutsche Zeitung” und “Welt”. Regierung und Geheimdienste gehen den Hinweis auf eine US-Spezialeinheit in der Botschaft nach, die nah an Bundestag und Kanzleramt liegt.

In Brüssel erzählte Merkel, dass sie oft – ein weniger geschütztes – Parteihandy verwendet habe. Über die Sicherheit ihrer verschiedenen Handys wollte sich die Kanzlerin nicht auslassen: “Dass die, die weniger Krypto sind, eher überwacht werden als die, die Krypto sind, ist vielleicht in der Logik nicht ganz zufällig.” (red/dpa)

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