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NR-Sondersitzung: Schlagabtausch zwischen Kurz und Opposition

Sondersitzung im Nationalrat: Kurz wirft Opposition Diffamierung vor.
Sondersitzung im Nationalrat: Kurz wirft Opposition Diffamierung vor. ©APA
Der Schlagabtausch zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Opposition hat sich gleich zu Wochenbeginn in einer Sondersitzung des Nationalrats fortgesetzt.
"Dringliches" Scherbengericht gegen Kurz und Blümel
Das wird Kurz vorgeworfen

Der Fraktionschef der SPÖ im U-Ausschuss Kai Jan Krainer ritt mit einer "Dringlichen Anfrage" eine neue Attacke gegen den Regierungschef, der in seiner Replik Anpatz-Versuche der Opposition beklagte.

"Dringliche Anfrage" von der SPÖ

Krainer ging es ruhig im Ton an, in der Sache aber polemisch. An Karl-Heinz Grasser sah sich der SP-Mandatar bei des Kanzlers Unschuldsbeteuerungen erinnert. Die Unwahrheit im Ausschuss gesagt zu haben, attestierte er ihm. Zudem habe Kurz versucht die Justiz einzuschüchtern und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu zerschlagen. Selbst die Kirche habe der Kanzler unter Druck zu setzen versucht.

Überhaupt bemühte er sich in der Begründung der "Dringlichen", ein möglichst finsteres Bild der Volkspartei unter Kurz zu zeichnen. Der Verdacht der Parteienfinanzierung durch die Novomatic wurde ebenso in den Raum gestellt wie die Schredder-Affäre wieder nach oben gezogen. Die "rote Linie" werde erreicht, wenn gegen Kurz Anklage erhoben werde. Das gelte im übrigen auch für Landeshauptleute, gab es einen Seitenhieb in Richtung des burgenländischen Landeschefs Hans Peter Doskozil (SPÖ), gegen den wie gegen Kurz wegen Falschaussage ermittelt wird.

Kanzler Kurz in der Sondersitzung

Der Kanzler gab sich bedrückt ob der Angriffe der Opposition. Vieles sei er gewohnt gewesen, doch die letzten Monate hätten einen neuen Höhepunkt gebracht. Es gehe nicht mehr um den Wettbewerb der besten Ideen, nicht einmal nur mehr um das gegenseitige Kritisieren sondern bloß noch um "diffamieren, beschädigen und vernichten". Krainer persönlich warf Kurz Selbstüberhöhung vor.

Der VP-Chef sah sich mit dem Wähler in einem Boot. Der wolle wissen, wie man aus der Pandemie herauskomme, das wirtschaftliche Comeback schaffe und die Arbeitslosigkeit bekämpfe und genau diesen Themen widme er sich: "Beim Wähler genügt es nicht, andere herabzuwürdigen."

Die 50 an ihn gerichteten Fragen beantwortete Kurz betont vorsichtig, las für ihn ungewöhnlich vieles vom Blatt ab. Was die Bestellungen in der ÖBAG angeht, betonte Kurz, an dessen Seite Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) Platz genommen hatte, dass er sich nicht mehr an alles im Detail erinnern könne, führe er doch täglich dutzende Gespräche und bekomme ebenso viele Nachrichten und Anrufe. Vehement bestritt der ÖVP-Chef, dass es Parteispenden im Bund seitens der Novomatic unter seiner Obmannschaft gegeben habe.

SPÖ: Rendi-Wagner bemängelt Beantwortung der Fragen

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wanger kanzelte die Beantwortung der 50 Fragen durch Kurz als "mangelhaft" ab und diagnostizierte eine "besorgniserregende Entwicklung" der letzten Monate, gekennzeichnet von Angriffen gegen die Justiz, "permanenter Verhöhnung des Parlaments" und einer "systematischen Missachtung" der demokratischen Institutionen. Sie erinnerte Kurz daran, dass niemand über dem Recht stehe und vor diesem alle gleich seien. "Recht muss Recht bleiben", so die SPÖ-Chefin.

Kickl: "Schämen Sie sich eigentlich nicht?"

Eine "Ironie" sah FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl darin, dass Kurz vor rund zwei Jahren nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos ausschloss, mit ihm als damaligen Innenminister wegen anstehender Ermittlungen zusammenzuarbeiten. "Was ist jetzt, wo sich die Ermittlungen gegen Sie und ihre engsten Verbündeten richten", fragte Kickl: "Schämen sie sich eigentlich nicht angesichts ihrer Wendehalsigkeit?" Kurz schlage nun wild um sich, wiewohl ihm niemand eine Falle gestellt habe, meinte Kickl in Anspielung auf das Ibiza-Video. Kurz habe lediglich beim Schreddern auf das Handy des nunmehrigen ÖBAG-Chefs Thomas Schmid vergessen. Und die darauf befindlichen Chats zeugten nun von "Machtbesessenheit, Eitelkeit und unglaublicher Überheblichkeit sowie Postenschacher" in "Ceausescu-Manier" (rumänischen Diktator, Anm.), was Kickl einen Ordnungsruf einbrachte. Für die Opposition brachte Christian Hafenecker einen Misstrauensantrag gegen Blümel ein.

NEOS: Meinl-Reisinger in der Sondersitzung

Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger erinnerte an die Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Das darin Gesagte beschäftige uns bis heute und habe zu einem der wichtigsten U-Ausschüsse der Zweiten Republik geführt. Konsequenz sei nun, dass nicht nur Bundeskanzler und Finanzminister sondern auch Schmid und Kurz' Kabinettsleiter als Beschuldigte geführt werden. Daran seien aber nicht Anzeigen der Opposition schuld, kritisierte Meinl-Reisinger den Versuch des Kanzlers, das zu "relativieren". Für Meinl-Reisinger ist dann eine rote Linie überschritten, wenn Kurz angeklagt wird. "Für das Amt gelten andere Regeln." Denn schließlich gehe es um die Handlungsfähigkeit, argumentierte die NEOS-Chefin: "Anklagebank und Regierungsbank passen nicht zusammen."

Maurer kritisiert Koalitionspartner

Verhaltene Kritik an der ÖVP kam auch von den Grünen. Klubobfrau Sigrid Maurer betonte einmal mehr, dass die verzögerte Aktenlieferung von Blümel "hochnotpeinlich" gewesen sei. Und dass das Finanzministerium die Akten pauschal mit Geheimhaltungsstufe "drei" geliefert habe, sei der Versuch gewesen, das Hohe Haus zu "papierln". Blümel habe aber gerade noch die Kurve gekratzt und nun zugesichert, die Einstufung zu überdenken sowie die Akten auch digital zu liefern, so Maurer, die darauf verwies, dass die Grünen Garant für unabhängige Ermittlungen seien.

Für die Oppositionsparteien brachte der Freiheitliche Christian Hafenecker einen Misstrauensantrag gegen Blümel ein, der am Ende der Sitzung mit Koalitionsmehrheit abgeschmettert wurde. Der Misstrauensantrag der FPÖ gegen Kanzler Kurz fand außerhalb der eigenen Reihen keine Unterstützung.

Roms Parlamentspräsident zu "italienischen Verhältnissen" in Wien

Seine erste Auslandsreise nach der Pandemie hat den italienischen Parlamentspräsidenten Roberto Fico am heutigen Montag nach Wien geführt. Die "italienischen Verhältnisse" in der österreichischen Innenpolitik sieht er differenziert. Wie er der APA nach einem Treffen mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sagte, hat sich Österreich bei der politischen (In-)Stabilität an Italien "angenähert". Häufige Neuwahlen gebe es in Italien aber nicht, fügte Fico hinzu.

Zwar habe es in den vergangenen drei Jahren drei Regierungen gegeben, aber die vergangene Legislaturperiode habe volle fünf Jahre gedauert "und diese wird hoffentlich wieder fünf Jahre dauern", erläuterte Fico. "Ja, die Regierung kann wechseln, aber wir arbeiten, wir arbeiten kontinuierlich", betonte der Politiker der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung in Anspielung auf Österreich, dem angesichts der Justizprobleme von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die dritte Parlamentswahl innerhalb von vier Jahren ins Haus stehen könnte.

Fico sagte, dass er die österreichische Politik "mit großem Interesse beobachtet". "In der Tat sehe ich, dass sich die Dinge gegenüber der Stabilität in der Vergangenheit geändert haben und sich die Verhältnisse den italienischen angenähert haben", sagte der Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer. "Sehr interessant" finde er auch die türkis-grüne Koalition, weil in dieser zwei sehr unterschiedliche Parteien einen gemeinsamen Weg finden müssten.

(APA/Red)

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