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Neutralitätslüge

©APA/FLORIAN WIESER (Symbolbild)
Gastkommentar von Johannes Huber. Österreich ist feig und verlässt sich darauf, im Falle des Falles von der NATO verteidigt zu werden.

Jetzt weiß man, wer außenpolitische Sprecherin der SPÖ ist: Pamela Randi-Wagner. Bisher war das eher nur Insidern bekannt. Das ist insofern bemerkenswert, als Rendi-Wagner dieser Tage als Anhängerin der österreichischen Neutralität auftritt, wie keine andere Politikerin, kein anderer Politiker hierzulande. Überzeugend wirkt es nicht: Erstens ist das im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine unpassend; zweitens würde aktive Neutralitätspolitik bedeuten, dass sie auf internationaler Ebene ständig geübt wird.

Doch eines nach dem anderen: Österreich verhält sich gegenüber dem russischen Überfall auf die Ukraine nicht viel anders als die USA, Deutschland oder Italien. Einziger Unterschied: Man liefert keine Waffen zur Verteidigung. Überflüge zu ihrem Transport lässt man jedoch zu. Abgesehen davon sucht keine westliche Macht die direkte Auseinandersetzung mit den Truppen von Wladimir Putin. Alle lehnen das ab, die USA genauso wie Deutschland, Italien oder eben auch Österreich.

Zweitens: Im gegenwärtigen Konflikt gibt es keine Neutralitätspolitik in dem Sinne, dass zum Beispiel eine Vermittlerrolle praktiziert werden könnte. Österreich steht (zurecht) so deutlich auf der Seite der Ukraine, dass dies unmöglich ist. Unabhängig von diesem Krieg wird diese Rolle nirgends auf der Welt eingenommen, weder von Rendi-Wagner noch von der Bundesregierung.

Die Sozialdemokratie hat die Außenpolitik vor vielen Jahren der ÖVP überlassen und die ÖVP hat sich nicht weiter darum gekümmert. Anfang der 2000er Jahre wollte sie die Neutralität abschaffen, um der NATO beitreten zu können, seither schreckt sie mit Blick auf Umfragewerte davor zurück.

Nicht besser als Rendi-Wagner verhält sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP): Ende Februar deutete er mit dem Hinweis, dass die Neutralität Österreich einst von sowjetischen Kommunisten aufgezwungen worden sei, an, dass er kein großer Fan davon ist. Parteifreund Andreas Khol, der bekannt dafür ist, heute dies und morgen das Gegenteil davon zu fordern, sprach sich umgehend dafür aus, sich der NATO anzuschließen. Bis es Nehammer zu heiß wurde und er die Debatte für beendet erklärte.

Österreich bleibe neutral, sagt der Kanzler und lässt mit einer bemerkenswerten Darstellung tief blicken: EU-Partner in der NATO würden auch Österreich schützen. Aha, sehr fein: Wir müssen weder einem Verteidigungsbündnis beitreten noch aktive Neutralitätspolitik betreiben, sofern das im Rahmen der europäischen Integration überhaupt noch möglich wäre, aber ohnehin nicht probiert wird.

Das ist feig und alles andere als solidarisch: Man muss die NATO kritisch sehen. Aber gibt es eine Alternative dazu? Außerdem: Die Beistandsklausel, auf die es dort ankommt, ist grundsätzliches etwas Defensives. Alle Mitglieder stehen einander bei, wenn eines angegriffen wird. Darüber sollte man aufgrund der Bedrohung, die von Wladimir Putin ausgeht, ernsthaft reden.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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