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Neuseeland gibt auf: Coronavirus kann nicht ausgerottet werden

Die Delta-Variante habe laut Ministerpräsidentin Ardern alles verändert.
Die Delta-Variante habe laut Ministerpräsidentin Ardern alles verändert. ©AP
Nach eineinhalb Jahren musste auch Neuseelands Ministerpräsidentin Jacinda Ardern eingestehen, dass kein Land der Welt das Coronavirus auf Dauer komplett ausrotten kann. Zuvor wurde eine "Null-Covid-Strategie" verfolgt.

"Zero Covid" gab den Bürgern Freiheiten, von denen der Rest der Welt nur träumen konnte. Die Kehrseite: Totale Abschottung, geschlossene Grenzen und extrem strikte Beschränkungen schon bei einer Handvoll Fälle.

Aus für Null-Covid in Neuseeland und Australien

Der jüngste, von der hochansteckenden Delta-Variante ausgelöste Ausbruch fühle sich aber nun an "wie ein Tentakel, der unglaublich schwer abzuschütteln ist", gab Ardern zu. Eine Rückkehr zu "Zero Covid" sei kaum möglich. "Die Eliminationsstrategie war aber wichtig, weil wir damals keine Impfstoffe hatten", so die 41-Jährige.

Dank der Vakzine könne das Land jetzt aber optimistisch in die Zukunft blicken. Ardern will auf Massenimpfungen, aber auch weiter auf Tests und Kontaktbeschränkungen setzen. Lockdowns sollen erst weitgehend aufgehoben werden, wenn 90 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind. Das kann noch dauern: Derzeit haben erst 50 Prozent zwei Impfdosen erhalten - unter anderem wegen eines vergleichsweise langsamen Starts der Impfkampagne in dem Land.

Die Immunologin Dianne Sika-Paotonu von der Abteilung für Gesundheitswissenschaften der University of Otago in Wellington warnte, wenn das Land nicht aufpasse, dann drohe jetzt die "ernste Gefahr", das Gesundheitssystem zu überfordern. Als Realitätscheck reiche ein Blick in andere Länder.

Anpassungsfähigkeit laut Statistiker entscheidend

"Wir haben noch einen langen Weg vor uns, um die hohe Impfrate zu erreichen, die wir brauchen", betonte auch Michael Plank, Statistiker an der Universität von Canterbury. "Und wenn wir das Virus jetzt sich selbst überlassen, dann würde es sich wie ein Lauffeuer in unserer ungeimpften und teilweise geimpften Bevölkerung ausbreiten und unser Gesundheitssystem überlasten." Entscheidend sei, "anpassungsfähig zu bleiben und schnell auf Veränderungen der Fallzahlen zu reagieren".

Derzeit meldet Neuseeland aber landesweit gerade einmal etwa zwei Dutzend Neuinfektionen pro Tag - bei fünf Millionen Einwohnern. Die höchste jemals verzeichnete Zahl betrug 89. Das sind Daten, die in fast allen anderen Staaten der Erde als Utopie erscheinen. Bisher gab es nur rund 4.400 Fälle und 28 Tote in Verbindung mit Covid-19.

Corona-Regeln sollen schrittweise gelockert werden

In der größten Stadt Auckland, dem Epizentrum des jüngsten Ausbruchs, gelten für die 1,6 Millionen Einwohner bereits seit Mitte August strenge Beschränkungen. Ardern kündigte eine Roadmap an, durch die die Regeln nun schrittweise gelockert werden sollen. Was bleiben wird, in Auckland wie im Rest des Landes, sind strenge Kontrollen und Quarantänemaßnahmen, wie sie betonte. "Wir müssen impfen, testen, Infektionsfälle finden und sie isolieren. Wir müssen jeden Ausbruch aktiv bekämpfen, jetzt und in der Zukunft."

In Australien gilt "Null Covid" schon länger als gescheitert. Auch der fünfte Kontinent setzt jetzt auf Massenimpfungen - allerdings sind viele nicht nur skeptisch gegenüber den Vakzinen, sondern auch gegenüber der Regierung von Scott Morrison. Schon mehrmals kam es zu Protestkundgebungen gegen die Corona-Politik aus Canberra.

Bisher haben weniger als die Hälfte der Bewohner zwei Impfdosen erhalten. Und einige Bundesstaaten bekommen die jüngste Welle einfach nicht unter Kontrolle - und das, obwohl nicht nur die Außengrenzen, sondern derzeit auch die Grenzen zwischen den einzelnen Regionen weitgehend geschlossen sind. Millionen Bürger sind im Lockdown - die Metropole Melbourne bereits zum sechsten Mal. Die Regionalhauptstadt von Victoria kam zu Wochenbeginn auf zusammengezählt 246 Tage im Lockdown-Modus - und lief damit dem bisherigen Rekordhalter Buenos Aires den Rang ab, wie der australische Sender ABC vorrechnete.

Allerdings gibt es eine große regionale Diskrepanz: Während Victoria seit Tagen Rekordwerte von weit über 1.000 Neuinfektionen meldet und auch New South Wales mit der Millionenstadt Sydney weiter mit der Welle kämpft, verzeichnete das tropische Queensland am Mittwoch keinen einzigen lokal übertragenen Fall. "Das ist unglaublich, eine großartige Leistung aller Menschen in Queensland", freute sich Regional-Premierministerin Annastacia Palaszczuk.

Hoffnung für geimpfte Australier

Für alle (geimpften) Australier gibt es immerhin ein Licht am Ende des Tunnels: Premierminister Morrison kündigte an, voraussichtlich im November erstmals wieder die internationalen Grenzen zu öffnen. Vollständig geimpfte Staatsbürger und Menschen mit Wohnsitz in Australien dürfen dann wieder ins Ausland. Bei ihrer Rückkehr müssen sie sieben Tage in häusliche Quarantäne statt wie bisher 14 Tage in Isolation in einer teuren Einrichtung. "Es ist Zeit, den Australiern ihre Leben wiederzugeben", sagte der konservative Politiker.

Viele Australier konnten seit Pandemiebeginn nicht mehr in die Heimat reisen und Verwandte und Freunde besuchen, weil die Kosten für Flüge und Quarantäne extrem hoch und die Genehmigungen schwer zu bekommen waren. Umgekehrt sitzen die rund 25 Millionen Bürger weitgehend im Land fest, ohne die Möglichkeit von Auslandsaufenthalten.

Die Regierung in Canberra will auch quarantänefreie Reisekorridore mit einigen Ländern einrichten - etwa mit Neuseeland. Die sogenannte "Trans-Tasman bubble" gab es schon einmal, sie wurde aber im Juli wegen der steigenden Fallzahlen in Australien gestoppt. Touristen aus aller Welt, die sehnlichst darauf warten, die Bay of Plenty und den Waipoua Forest in Neuseeland oder Uluru und das Great Barrier Reef in Australien zu bestaunen, müssen sich hingegen gedulden. Beide Länder wollen frühestens 2022 wieder ausländische Gäste empfangen.

(APA/Red)

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