Neuer Prozess gegen 48-Jährigen in Wien vertagt

Am Montag fand am Wiener Landesgericht erneut eine Verhandlung gegen den 48-Jährigen statt. Seine beiden Anwälte, Michael Dohr und Marcus Januschke, äußerten den Glauben an einen Freispruch. Die Staatsanwältin sah das anders.
48-Jähriger soll Mordversuch in Auftrag gegeben haben
"Die Beweislage ist nach wie vor erdrückend", sagte sie zu Beginn der Verhandlung. Der Angeklagte habe "die Tatausführung gefördert" und zwar im Wissen, "dass das Opfer sterben soll". Der 48-Jährige bestritt anschließend den Vorwurf und entschied sich, von seinem Recht zu schweigen Gebrauch zu machen. Er verweigerte weitere Aussagen.
Der Ausgangspunkt der gesamten Angelegenheit war ein Mordversuch an einem Mann, der am frühen Morgen des 20. November 2018 in der Hippgasse in Ottakring mit einem langen, rohrförmigen Werkzeug niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt wurde. Er erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma sowie einen Bruch des Schädels. Der 48-jährige Mann geriet anschließend in Verdacht, dem unmittelbaren Täter, der bereits eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes verbüßt, ein Honorar von 10.000 Euro gezahlt zu haben.
Neue Zeugen entlasten 48-Jährigen
Es gibt jedoch deutliche Hinweise darauf, dass der 48-jährige Mann möglicherweise absichtlich vom Drahtzieher des Mordkomplotts falsch beschuldigt wurde. Zwei Zeugen, die Kontakt mit dem Drahtzieher hatten, der wegen Anstiftung zum versuchten Mord zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, behaupten, er habe ihnen gestanden, den 48-jährigen Mann aus Rache in die Sache hineingezogen zu haben. Ob dies tatsächlich der Fall war, wird nun vor einem Schwurgericht unter der Leitung von Richter Andreas Böhm geprüft. Die Staatsanwältin bezeichnete die beiden neuen Zeugen als "äußerst fragwürdig". Es handelt sich dabei um "Häftlinge".
Bei den Ermittlungen nach dem Anschlag im November 2018 wurde festgestellt, dass der ehemalige Schwiegervater des Mannes, der niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt wurde, den Anschlag in Auftrag gegeben hatte. Der Grund für seinen Auftrag war gekränkte Ehre, da der Mann eine außereheliche Beziehung mit seiner Schwägerin hatte und mit ihr ein Kind gezeugt hatte. Der türkischstämmige Immobilienunternehmer, der die Ehe seiner Tochter arrangiert hatte, war mit dieser Situation überhaupt nicht zufrieden und wollte daher den ehemaligen Schwiegersohn eliminieren lassen.
Um dieses Ziel zu erreichen, suchte er nach einem Auftragsmörder, den er schließlich nach einer langen Suche und gegen Bezahlung fand. Nachdem der Mordanschlag fehlgeschlagen war, wurden die Verantwortlichen durch ausführliche Ermittlungen identifiziert und festgenommen. Im Oktober 2019 wurde der frühere Schwiegervater des Opfers vom Wiener Landesgericht wegen Anstiftung zum Mord verurteilt, während der unmittelbare Täter im vergangenen Februar wegen versuchten Mordes verurteilt wurde.
48-Jähriger bestritt bei Verurteilung Vorwürfe
Im vergangenen Jahr wurde auch der 48-Jährige mitangeklagt und verurteilt. Als ausschlaggebend dafür galten ausschließlich die belastenden Aussagen des Drahtziehers. Dieser behauptete, dass der 48-Jährige den Plan der Tat gekannt habe, die geforderten 10.000 Euro des angeheuerten Mörders entgegengenommen und die Ausstellung einer entsprechenden Rechnung in Aussicht gestellt sowie diese bezahlt habe. Der 48-Jährige bestritt dies vehement in seiner ersten Verhandlung, jedoch glaubten die Geschworenen damals mehrheitlich nicht an seine Unschuldsbeteuerungen. Der Mann wurde als mitschuldig erkannt und zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt.
Es stellte sich jedoch heraus, dass der Anstifter des Mordkomplotts möglicherweise fälschlicherweise den 48-jährigen Mann beschuldigt hatte. Ein Mitgefangener des 58-jährigen ehemaligen Immobilienunternehmers wandte sich am 1. September 2022 in einem handgeschriebenen Brief an Rechtsanwalt Marcus Januschke, einen der beiden Verteidiger des 48-Jährigen. In dem Brief berichtete der Absender, dass der Drahtzieher ihm in der Justizanstalt Josefstadt und später während einer Busfahrt zur Justizanstalt Stein erzählt hatte, dass er falsche Aussagen gegen den 48-Jährigen gemacht hatte, um sich zu rächen. Das Motiv sei, dass der 48-Jährige dem 58-Jährigen in der Türkei gehörende Grundstücke verkauft und ihn dabei betrogen haben soll. Der Häftling betonte in dem Brief: "Er ist besessen von dem Rachegedanken. Mit seinen Lügen hat er das Hohe Gericht dazu gebracht, einen unschuldigen Menschen zu verurteilen". Der Briefautor erwähnte auch einen weiteren Insassen, der ebenfalls gehört haben soll, dass der 58-Jährige zu Unrecht jemanden beschuldigt.
Brief an Anwalt um Unschuldigen zu entlasten
In der zweiten Verhandlung vor den neuen Geschworenen bestätigten diese beiden Männer unter Wahrheitspflicht ihre vorherigen Aussagen. Der ältere der beiden Männer, 58 Jahre alt, erklärte, dass er sich an dem 48-Jährigen rächen wollte, da er glaubte, dass dieser ihm Besitz und Vermögen entwendet habe. Der jüngere Zeuge wurde genauer und berichtete, dass er den 58-Jährigen im Gefängnis darauf angesprochen habe, ob die Gerüchte, die in der Justizanstalt kursierten, wahr seien. Diese besagten, dass der 58-Jährige zu Unrecht den 48-Jährigen beschuldigt habe. Der Zeuge gab an, dass der 58-Jährige dies bestätigt habe und sagte: "Er hat gesagt, aus Rache, weil er ein Grundstück verkauft und das Geld Meier gemacht hat." Der Zeuge forderte den 58-Jährigen daraufhin auf, seine falsche Aussage zurückzunehmen, was dieser jedoch ablehnte. Der Zeuge erklärte: "Er ist so stur, er wollte nicht abbiegen.". Deshalb schickte er einen Brief an den Anwalt des 48-Jährigen mit der Absicht, sicherzustellen, dass kein Unschuldiger im Gefängnis sitzt.
Das Wiener Oberlandesgericht (OLG), das den Antrag auf Wiederaufnahme ausführlich geprüft hatte, stellte fest, dass der ehemalige Schwiegervater des beinahe getöteten Mannes den 48-Jährigen bis August 2021 nie mit der Tat in Verbindung gebracht hatte. Die beiden neuen Zeugen, ehemalige Mitgefangene des 58-Jährigen, könnten laut dem Beschluss, mit dem die staatsanwaltschaftliche Beschwerde gegen die von einem Drei-Richter-Senat genehmigte Wiederaufnahme abgelehnt wurde, dazu führen, dass die Beweislage gegen den 48-Jährigen erschüttert wird. "Den Aussagen der beiden Zeugen, der einzige Belastungszeuge habe ihnen gegenüber eine falsche Belastung (…) zugegeben, weil er sich betrogen gefühlt habe, ist eine beachtenswürdige Beweisrelevanz nicht abzusprechen, sohin werde diese gemeinsam mit den anderen Beweismitteln vor einem neuen Geschworenengericht zu würdigen sein."
Emotionale Zeugenbefragungen bei Prozess in Wien
Nach der Mittagspause wurde der Organisator als Zeuge befragt. Der 58-jährige Zeuge beharrte auf seinen vorherigen Aussagen und beschuldigte weiterhin den 48-Jährigen: "Die ganzen Überweisungen hat der Angeklagte gemacht. Ich verstehe von den Online-Sachen nichts." Der Zeuge erklärte, dass er nicht in der Lage sei, Online-Banking durchzuführen, und daher habe der 48-Jährige die Überweisungen übernommen. Im Verlauf der Verhandlung konfrontierte der Anwalt Michael Dohr den Angeklagten mit den widersprüchlichen ursprünglichen Aussagen. In einer früheren Stellungnahme hatte der 58-jährige Mann zugegeben, Geld an den Mann überwiesen zu haben, der als unmittelbarer Täter verurteilt wurde. Daraufhin geriet die Situation emotional, als der 58-Jährige diese Vorwürfe zurückwies und den Angeklagten scharf kritisierte: "Der Plan von ihm ist, mir mein Vermögen wegzunehmen."
Anschließend wurde der Mann, der sich aufgrund einer Lebenslangen Freiheitsstrafe in einer Justizanstalt befindet und als unmittelbarer Täter im Zusammenhang mit dem Mordkomplott gilt, als Zeuge aufgerufen. Der Mann überraschte die Anwesenden mit einer klaren Aussage: Der Angeklagte habe "mit der Sache nichts zu tun". Er habe bereits in seiner eigenen Verhandlung versucht, dies anzuführen, "aber ich wurde unterbrochen". Der Mann behauptet ebenfalls "unschuldig" zu sein und strebt nun die Wiederaufnahme seines Verfahrens an. Er bat darum, eine Abschrift des heutigen Verhandlungsprotokolls zu erhalten: "Ich ersuche daher um eine Protokollabschrift der heutigen Verhandlung." Der Mann gibt an, den wahren Täter zu kennen und hielt dabei Unterlagen in die Höhe. Es soll sich um einen ehemals inhaftierten Bosnier handeln, der mittlerweile entlassen wurde.
Nachdem sich dieser Verlauf abzeichnete, stimmte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft zu, einen weiteren Zeugen vorzuladen. Infolgedessen wurde die Verhandlung auf den 9. Januar vertagt.
(APA/Red)