Der offenbar durch eine technische Kettenreaktion im Computerhandel ausgelöste Kurssturz an der Wall Street versetzte den Börsen in Asien und Europa zum Wochenschluss einen zusätzlichen Schlag. Von den Turbulenzen alarmiert wollten die Finanzminister der sieben führenden Industrienationen (G-7) noch am Freitag in einer telefonischen Krisenkonferenz über die Entwicklung beraten.
Dies sorgte an den Märkten für etwas Erleichterung. Hoffnung schürten zudem Äußerungen einer Sprecherin der deutschen Regierung, wonach am Abend Entscheidungen in Brüssel gefällt werden sollten, die “zur Stabilisierung des Euro” beitragen würden. Dies stützte den Kurs der Gemeinschaftswährung. In Berlin wurde zudem das Hilfspaket für Griechenland vom Bundestag abgesegnet, nachdem das griechische Parlament bereits am Donnerstag dem Sparprogramm der Regierung in Athen zugestimmt hatte.
An den Börsen Europas und Asiens gingen die Kurse fast überall auf Talfahrt. Der Stoxx50E der 50 größten börsennotierten Unternehmen der Eurozone rutschte um knapp zwei Prozent auf 2.560 Zähler ab. In Frankfurt fiel der Dax um 1,4 Prozent auf 5.824 Punkte und damit auf den Stand von Anfang März zurück. Der britische Leitindex “Fuzzi” gab um 1,15 Prozent auf 5.200 Zähler nach. Zusätzlich belastet wurde die Londoner Börse vom Ausgang der Parlamentswahlen, nach denen die künftigen Machtverhältnisse unklar bleiben.
Der Dow-Jones-Index hatte den Handel am Donnerstag 3,2 Prozent im Minus und damit mit dem größten prozentualen Rückgang seit April 2009 beendet. Zeitweise war der Rückgang in absoluten Zahlen mit 1.000 Punkten das größte Minus während eines Handelstages in der Geschichte des Börsenbarometers. Einige Blue Chips wie Procter & Gamble waren kurzzeitig um mehr als 30 Prozent eingebrochen.
“Hinsichtlich des Kurssturzes in den USA hat sich zwar inzwischen die Meinung durchgesetzt, dass es wohl durch einen Computerfehler ausgelöst war, das zeigt einem aber klar, dass mehr Unsicherheit im Markt ist, als man zunächst denkt”, sagte Jörg Rahn, Chief Investment Officer beim Vermögensverwalter Marcard, Stein & Co.
Dem Chef der Nyse Euronext, Duncan Niederauer, zufolge war der Auslöser für den Kursrutsch, dass Computerprogramme während einer Handelsaussetzung einzelner Aktien an der New York Stock Exchange (Nyse) wegen zu hoher Kursausschläge ihre Aufträge auf anderen Plattformen abwickelten, auf denen die Umsätze deutlich geringer waren. Dadurch hätten sich die heftigen prozentualen Einbrüche ergeben. Auf Xetra, dem Handelssystem der Deutschen Börse, wird zur Verhinderung solcher Einbrüche bei ungewöhnlich hohen Kursausschlägen eine sogenannte Volatilitätsunterbrechung ausgelöst.
“Die unterliegende Ursache für die Nervosität ist aber eine ganz andere: die Sorge vor einer Schuldenkrise in Europa”, betonte der Chefvolkswirt der UniCredit in Deutschland, Andreas Rees. “Die steigende Risikoaversion ist über den Atlantik und damit auch nach Asien geschwappt. Verstärken sich diese Ängste, würde die Schuldenproblematik in der EWU zu einem globalen Problem werden.”
An der Börse wurden alte Ängste wach. “Die griechische Schuldenkrise lässt Erinnerungen an die Folgen des Lehman-Kollaps hochkommen”, sagte Stratege Kazuhiro Takahashi von Daiwa Securities Markets in Tokio. “Diese kurze Wiederholung der dunkelsten Tage, die wir vor zwölf bis 24 Monaten gesehen haben, ist ein absoluter Vertrauenskiller”, ergänzte Analyst Rory Robertson von Macquarie in Sydney.
Auch in Athen gab es an der Börse nach der Parlamentszustimmung zum Sparkurs keine Entspannung. Der Leitindex fiel um 1,3 Prozent auf 1657 Zähler. In Spanien, dem wegen seiner Haushaltsprobleme derzeit auch das verstärkte Augenmerk der Investoren gilt, gab es dagegen einen Hoffnungsschimmer. Nach einer positiven Prognose der spanischen Notenbank für das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal schaffte es der spanische Ibex 35 ins Plus und lag gegen Mittag 0,6 Prozent höher bei 9412 Punkten.