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Nationalratswahl: 25,6 Millionen Vorzugsstimmen könnten abgegeben werden

Vorzugsstimmenkaiser wurden jedoch zumeist ohnedies Erstgereihte.
Vorzugsstimmenkaiser wurden jedoch zumeist ohnedies Erstgereihte. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Bei der Nationalratswahl am Sonntag könnten theoretisch 25,6 Millionen Vorzugsstimmen abgegeben werden. Voraussetzung dafür ist, dass alle Wahlberechtigten wählen geben und die drei möglichen Vorzugsstimmen vergeben.

Theoretisch können bei der Nationalratswahl 25,6 Mio. Stimmen vergeben werden - und zwar wenn alle 6,4 Millionen berechtigten Österreicher am 29. September von ihrem Wahlrecht vollen Gebrauch machen. Jeder der Wahlberechtigten verfügt nämlich über vier Möglichkeiten ein Votum abzugeben: Eines für die Partei und drei Vorzugsstimmen für je einen Kandidaten in Wahlkreis, Bundesland und Bund.

Vorzugsstimmen nur innerhalb gewählter Partei möglich

Gültig sind diese aber nur, wenn die bevorzugten Personen alle der gewählten Partei angehören. Eingeführt wurden die Vorzugsstimmen 1971 noch als "Wahlpunkte", 1992 wurden sie dann ins jetzige Modell umgewandelt. Zweck war, die Kür der 183 Nationalratsabgeordneten zu "personalisieren". Die Wähler sollten die Möglichkeit haben, Bewerbern, die sie besonders schätzen, zu einem Mandat verhelfen zu können. Denn prinzipiell entscheiden ja die Parteien, wer Abgeordneter wird - mit den vor dem Urnengang eingereichten Listen. Die Mandatsvergabe richtet sich dann nach dieser Reihenfolge. Es sei denn, ein nachgereihter Kandidat erhält genügend Vorzugsstimmen.

Dann springt er auf Platz 1 der Liste - falls nicht ein anderer Kandidat noch mehr Vorzugsstimmen bekommen hat. Die Hürden für die Vorreihung wurden zwar schon mehrfach (zuletzt vor der Wahl 2013) herabgesetzt, sie sind aber dennoch sehr hoch: Im Bund sind sieben Prozent jener Stimmen nötig, die eine Partei erhalten hat, auf Länderebene zehn Prozent bzw. Vorzugsstimmen im Ausmaß der Wahlzahl und im Regionalwahlkreis 14 Prozent. So gibt es die Nationalratswahlordnung vor.

Vorzugsstimmen zumeist in Wahlkreisen vergeben

Am ehesten war die Hürde bisher in den Wahlkreisen zu nehmen, obwohl sie dort am höchsten ist. Auf dieser untersten Ebene werden aber auch die meisten Vorzugsstimmen vergeben. Unter anderem wohl deswegen, weil die Wähler die Wahlkreiskandidaten besser kennen, zudem sind diese am Stimmzettel aufgedruckt und müssen nur angekreuzt werden. Auf Bundes- oder Landesebene müssen Name oder Reihungsnummer in ein leeres Feld eingetragen werden.

Mit einem eigenen parteiinternen Vorzugsstimmensystem hat es wiederum die ÖVP bei der Nationalratswahl 2017 versucht. Dabei wurden die gesetzlichen Hürden halbiert - in drei Bundesländern waren sie sogar noch geringer bzw. wurden die Mandate nach den erreichten Vorzugsstimmen verteilt. Um diese parteiinterne Regelung auch exekutieren zu können, mussten alle Kandidaten vorsorglich Verzichtserklärungen unterschreiben. Auf den Landeslisten in Tirol, Steiermark, Oberösterreich, Niederösterreich und in Kärnten kam es dadurch zu Umreihungen.

ÖVP: Ganz auf Kurz fokussiert

Bei der bevorstehenden Wahl ist das interne Modell in der ÖVP jedoch aus der Mode gekommen. Mit Burgenland und Kärnten haben sich lediglich zwei Landesorganisation dafür entschieden. Aus der Bundespartei hieß es, dass diesmal von Vorgaben an die Länder abgesehen wurde. Die Wahlbewegung sei ganz auf Spitzenkandidat Sebastian Kurz fokussiert.

Dass ein parteiinternes Rennen um Vorzugsstimmen nicht immer nur (Mobilisierungs-)Vorteile hat, konnte man auch am Fall des Tiroler Nationalratsabgeordneten und Spitzenkandidaten im Wahlkreis Unterland (Kufstein/Kitzbühel) Josef Lettenbichler sehen. Dieser zog im Juli seine Kandidatur zurück, da ihm ein internes Rennen den Nerv zog. Zuvor hatten nämlich Landwirtschaftskammerpräsident Josef Hechenberger auf Platz fünf im selben Wahlkreis und der Kandidat der Jungen ÖVP, Michael Riedhart, ein Werben um Vorzugsstimmen durchklingen lassen.

NR-Wahl: Vorzugsstimmen brachten nur selten Mandate

Vorzugsstimmen haben bei den bisherigen Nationalratswahlen nur selten Kandidaten zu einem Mandat verholfen - obwohl seit 48 Jahren Wähler über die Möglichkeit verfügen, Parteilisten auf den Kopf zu stellen. Zumeist haben sich aber lediglich die ohnedies Erstgereihten als Vorzugsstimmenkaiser hervorgetan.

Erstgereihten zumeist auch Vorzugsstimmenkaiser

So nahm auch beim bisher letzten Urnengang im Jahr 2017 auf der Bundesliste etwa nur ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit 117.468 Vorzugsstimmen die nötige Hürde von sieben Prozent. Da er aber sowieso Listenerster war, blieb die von den Wählern bedachte Zustimmung wirkungslos. Für die restlichen Kandidaten auf den Bundeslisten blieb der Sprung über die Hürde hingegen außer Reichweite.

Ähnlich auf Ebene der Landeslisten: Dort übertrafen etwa in Oberösterreich VP-Spitzenkandidat August Wöginger und FPÖ-LHStv. Manfred Haimbuchner die gesetzliche Hürde, so wie Josef Muchitsch (SPÖ) in der Steiermark. Während aber Wöginger und Muchitsch ohnedies gesetzt waren, verzichtete Haimbuchner auf sein Nationalratsmandat.

Gut gegriffen haben 2017 in mehreren Ländern die (unterschiedlichen) ÖVP-internen Vorzugsstimmenmodelle mit den deutlich niedrigeren Hürden: In Tirol, der Steiermark, Oberösterreich, Niederösterreich und in Kärnten kam es dadurch zu Umreihungen.

Der Erste, der über die gesetzliche Hürde ins Parlament kam, war 1983 Josef Cap. Damals galt noch das Wahlpunkte-Modell. Nachdem er 2017 am Einzug gescheitert war, versucht es Cap auch dieses Mal wieder. Der Ex-SPÖ-Klubobmann kandidiert im Wahlkreis Wien Nord-West an vierter Stelle und läuft um Vorzugsstimmen. 2017 hatte er dort den Einzug um knapp 500 verpasst.

1992: Vorzugsstimmen auch in Land- und Regionalwahlkreisen eingeführt

Die Wahlrechtsreform 1992 brachte Vorzugsstimmen in Land und Regionalwahlkreisen - aber auch damit bekamen nur drei eigentlich aussichtslos gereihte Bewerber, alle von der ÖVP, ein Mandat. 1999 holte sich Gerhart Bruckmann mithilfe des ÖVP-Seniorenbundes das für Generalsekretärin Maria Rauch Kallat vorgesehene Mandat in einem Wiener Regionalwahlkreis. 2002 brachte der burgenländische Landwirt Franz Glaser den ÖAABler Paul Kiss um die Wiederwahl - ebenfalls in einem Regionalwahlkreis. 2013 schaffte die ehemalige Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP) im Wahlkreis Waldviertel genug für die Vorreihung.

Manche Kandidaten hatten Pech: 2013 rückte in Vorarlberg zwar FP-Landesparteichef Dieter Egger dank der vielen Nennungen von Rang 12 auf Rang 1 im Wahlkreis Nord - aber die FPÖ holte dort kein Mandat. Also ging er leer aus. Norbert Darabos (SPÖ) schaffte 2008 in seinem burgenländischen Wahlkreis zwar den Sprung über die Hürde, der vor ihm gereihte Erwin Kaipel erhielt aber mehr Vorzugsstimmen und behielt damit Platz 1.

Vorwurf: Vorzugsstimmen als "Mobilisierungsgag"

1999 hatten auch zwei FPÖ-Politiker - Jörg Haider und Hubert Gorbach - genug Vorzugsstimmen für eine Vorreihung. Aber sie verzichteten auf das Mandat, weil sie nur als Wahlkampf-Zugpferde angetreten waren. Auch die Tatsache, dass die meisten Vorzugsstimmen nahezu ausschließlich Listenerste bekamen, nährte wiederholt die Kritik, dass Vorzugsstimmen nur als "Mobilisierungsgag" eingesetzt werden.

(APA/Red)

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