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Nationalisten verhindern Parlamentsarbeit in Serbien

Das serbische Regierungsbündnis ist bemüht, eine wirksamere Parlamentsarbeit zu gewährleisten. Diese wird seit Monaten durch anhaltende Obstruktion der Opposition, allen voran der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS) verhindert.

Eine neue parlamentarische Geschäftsordnung, zu welcher sich das Parlament schon Ende dieser Woche äußern dürfte, soll nun Abhilfe bringen. Medienberichten zufolge sollen die Debatten über die Gesetzesentwürfe künftig in den zuständigen Parlamentsausschüssen und nicht mehr bei den Plenarsitzungen laufen.

Wie am Montag die Belgrader Tageszeitung “Blic” berichtete, ist die regierende Demokratische Partei (DS) von Staatschef Boris Tadic auch bemüht, das Parlamentsgesetz abzuändern, wodurch die Abgeordnetenzahl von aktuell 250 auf 150 gesenkt werden soll. Dies erfordert allerdings auch eine entsprechende Abänderung der Verfassung, was kurzfristig aber nicht durchzusetzen ist. Die Verfassungsänderung muss nämlich zuerst im Parlament von einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden, bevor sich dazu auch die Bürger bei einer Volksabstimmung äußern.

Um die Blockade der Parlamentsarbeit zu beheben, scheut die Regierungskoalition, wie sich dieser Tage herausstellte, auch nicht vor direktem Kontakt mit dem im Haager Gefängnis Scheveningen sitzenden mutmaßlichen Kriegsverbrecher und SRS-Chef Vojislav Seselj zurück. Gerade durch eine Absprache mit dem Ultranationalisten, der sich vor dem UNO-Tribunal wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien und der Vojvodina zu verteidigen hat, soll es dem Regierungsbündnis gelungen sein, das Budget für das aktuelle Jahr noch kurz vor dem Fristablauf am vorletzten Dezembertag im Parlament durchzusetzen. Darüber, was der sich seit sechs Jahren im Tribunalsgefängnis befindende Seselj, Drahtzieher wichtigster SRS-Entscheidungen, als Gegenleistung fordern könnte, wird spekuliert.

Ein erstes Opfer der Absprache dürfte der Chef der Serbischen Fortschrittlichen Partei (SNS) und einstiger Vize Seseljs, Tomislav Nikolic, werden. Auf Forderung der SRS soll Nikolic nämlich vom Posten des Vorsitzenden des parlamentarischen Ausschusses für Verwaltungsfragen abgewählt werden. Die SRS ist auch bemüht, mindestens drei von 22 Abgeordnetensitzen, die nach dem Zerfall der Partei im Herbst der abtrünnigen SNS zugefallen waren, zurückzuerobern.

Darüber, ob Seselj die SRS-Zustimmung zum Budgetentwurf, gegen welchen die Partei ursprünglich über 500 Einwände erhoben hatte, auch an die TV-Übertragung seines Verfahrens vor dem Kriegsverbrechertribunal geknüpft hat, wird noch spekuliert. In dem vom Haager Gericht seit November 2007 laufenden Verfahren hat Seselj bisher immer wieder die Situation in Serbien kommentiert und sich an Anhänger in Serbien gewandt. Das Verfahren war bis Ende des Vorjahres vom staatlichen TV-Sender übertragt worden. Derselbe Sender versäumte in den vergangenen Jahren gleichzeitig kaum ein Wort für das ebenfalls vor dem UNO-Tribunal laufende Verfahren gegen den früheren Präsidenten Serbiens, Milan Milutinovic, drei einstige jugoslawische Generalstabchefs und andere frühere Staatsfunktionäre, die der Kriegsverbrechen im Kosovo im Frühjahr 1999 angeklagt wurden.

Der Budget-Deal der Behörden mit Seselj sorgte für Aufsehen, umso mehr als man bisher eigentlich die gemäßigtere SNS als einen potenziellen Partner der Regierungskoalition im Parlament betrachtet hat. Während Nikolic und seine SNS-Parteifreunde auf die Groß-Serbien-Idee öffentlich verzichtet haben, ist sie weiterhin ein Bestandteil der SRS-Politik geblieben, die mit 57 Abgeordneten nach wie vor die größte Oppositionskraft im Parlament ist.

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