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Nach offenem Brief: Das sagen Gesundheitsvertreter zu Medikamentenengpässen

©VOL.AT/Mayer, Symbolbild: APA, Philipp Steurer
Ein offener Brief klagt den lebensgefährlichen Medikamentenengpass in Vorarlberg an. VOL.AT hat sich dazu bei Gesundheitsvertretern umgehört.
Apothekerkammer zu Engpässen

"In Vorarlberg (und Österreich) führt Politiknotstand seit Längerem zu lebensgefährdenden Situationen", heißt es in einem offenen Brief, der der VOL.AT-Redaktion zugespielt wurde. Der Brief ging an Bundeskanzlerin Bierlein, sowie an Gesundheitsvertreter des Landes und der Parteien. Seit 2016 gebe es "laut einschlägigen Informationen" massive Lieferschwierigekeiten bei rund 200 Medikamenten, die die für die Patienten mitunter lebensnotwendig seien, schreibt Dr. Wolfgang Herburger, der Verfasser des Briefes.

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Erhöhtes Risiko für Patienten

In Vorarlberg seien rund 550 Personen betroffen, auf Österreich hochgerechnet mehr als 10.000 Menschen. Der Medikamentennotstand sei mit einem erhöhten Risiko für die Patienten und einem massiven Mehraufwand für Mediziner verbunden. Die mangelnde Versorgung führe zu einem Vertrauensverlust, das Problem sei bekannt und werde schon länger diskutiert. Der Verfasser fordert die Politik und Kammern auf, einen Notstand auszurufen, da Gefahr im Verzug sei und es an der Zeit sei, zu handeln.

Gesundheitslandesrat Bernhard ist einer der Adressaten. © Philipp Steurer

Immer wieder Lieferengpässe

Einer der Adressaten des Schreibens ist auch der Vorarlberger Gesundheitslandesrat. Ja, er habe den Brief erhalten, bestätigte Christian Bernhard während einem Telefonat mit VOL.AT. „Es gibt keinen einzigen Wirkstoff, den wir in den Landeskrankenhäusern nicht vorrätig haben", gibt Bernhard im Hinblick auf den Inhalt des Briefes zu verstehen. Die Medikamentengebahrung sei ein komplexes Thema, auch weltweit. "Es gibt immer wieder Lieferengpässe, dass man ausweichen muss auf ein anderes Präparat", bestätigt er einen der im Schreiben angesprochenen Punkte.

Ersetzbar und überbrückbar

Das Ministerium, die Sozialversicherungsträger und die Apothekerkammer seien immer bemüht, einen Zustand gewährleisten zu können, in dem immer genügend Versorgung da sei. „Das ist etwas, bei dem man sich immer anstregen muss“, so der Gesundheitslandesrat. "Immer wieder sind Impfstoffe oder Medikamente für eine gewisse Zeit lang nicht lieferbar, aber alle diese Dinge sind ersetzbar und überbrückbar“.

"Überzogene Panikmache"

Der Landesrat gibt an, er wolle dem Schreiber nichts Böses unterstellen, da er es wahrscheinlich so mitbekommen habe und sich schlichtweg Sorgen mache. Das müsse man nicht: "Wie schwierig die Medikamentengebahrung ist weiß das Ministerium, das wissen die Sozialversicherungsträger, auch kleine Landesräte. Das wissen alle und wir wissen mit welchen Bemühungen wir immer dran sind", schildert er die Situation. Im operativen Geschäft seien Lieferengpässe nichts Ungewöhnliches, der offene Brief sei so gesehen eine Art "überzogener und einfach grundloser Panikmache". "Einen akuten Handlungsbedarf im Bezug auf etwas wirklich Fehlendes oder einen drohenden Versorgungsmangel haben wir nicht", gibt der Gesundheitslandesrat zu verstehen. Es könne sein, dass ein Mittel einmal ausgehe, es gebe jedoch keine Situation, die man medizinisch oder pharmakologisch nicht beherschen könne.

Der offene Brief handelt von einem Medikamentenengpass.

Ein globales Problem

Die Apotherkammer wollte sich gegenüber VOL.AT nicht konkret zum offenen Brief und seinen Inhalten äußern. Mögliche Lieferengpässe und -schwierigkeiten bei Medikamenten seien ein globales Problem, das Ministerium tage bereits intensiv dazu. In einer allgemeinen Presseaussendung zum Thema forderte die Apothekerkammer Österreich Anfang Juli eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, hier sei die Politik gefordert. Auch ein entsprechendes zuverlässiges Frühwarnsystem, um rasch und flexibel auf Engpässe reagieren zu können, sei wichtig. Die Industrie müsse ihre globale Vernetzung nutzen, um mögliche Marktengpässe zu vermeiden und eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten.

Zum Teil Engpässe

Von den von VOL.AT befragten Apothekern in Vorarlberg waren sich alle einig, dass kein eklatanter Lieferengpass spürbar sei, weder derzeit noch in den vergangenen Jahren. „Zum Teil gibt es schon Engpässe, das ist richtig“, bestätigt Günther Braun, seit 2002 Konzessionär der Montfort Apotheke in Feldkirch. Es handle sich dabei jedoch nicht um ein großes Ausmaß: „Es sind einzelne Medikamente nicht lieferbar, da es aber zahlreiche Generika gibt, sind sie austauschbar", so der Apotheker im VOL.AT-Telefoninterview. Braun sieht daher auch keinen akuten Handlungsbedarf.

Dr. Burkhard Walla, Kurienobmann der Ärztekammer, kennt das Problem. © VOL.AT/Mayer

Kein Grund zur Panik

"In dem offenen Brief werden reale Probleme angesprochen", erklärt Dr. Burkhard Walla, Kurienobmann der Ärztekammer und Facharzt für Innere Medizin. Manche Medikamenten seien kurz- bis längerfristig nicht verfügbar, manche müssten mittlerweile aus dem Ausland bezogen werden, da sie in Österreich nicht mehr hergestellt werden. Allerdings gebe es keine Notsituation für Patienten: "Wir sind nach wie vor recht gut versorgt mit den Medikamenten, die wir wirklich brauchen", so Walla. "Grund zur Panik sehe ich keinen.“ Auch eine Lebensgefährdung sehe er keine: "Dass jemand Medikamente, die er zum Leben braucht in Österreich nicht bekommt, gibt es derzeit nicht.“

Besonnenheit gefragt

Der Facharzt für Innere Medizin sieht vor allem ein Problem, das seiner Meinung nach mit für die Lieferschwierigkeiten verantwortlich sein könnte. "Es darf weder die Sozialversicherung zu viel Druck machen noch sich die Pharmaindustrie mit Fantasiepreisen berreichern.“ Es brauche eine gewisse Besonnenheit der Sozialversicherung, Politik und Pharmaindustrie. "Es sollten alle daran denken, dass es schlussendlich die Patienten sind, die die Medikamente brauchen und die besser leben wenn sie die Medikamente bekommen", betont der Arzt.

(Red.)

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