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Nach Ibiza-Affäre: Reihe von Regierungsvorhaben hängt nun in der Luft

Ende April präsentierte Bundeskanzler Sebastian Kurz die geplante Steuerreform
Ende April präsentierte Bundeskanzler Sebastian Kurz die geplante Steuerreform ©APA/HERBERT NEUBAUER
Wie geht es nun weiter, nachdem das Skandalvideo von Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Wochenende zu einem vorzeitigen Ende der ÖVP-FPÖ-Regierung nach 1,5 Jahren geführt hat? Eine ganze Reihe von Regierungsvorhaben hängt dadurch in der Luft - allen voran die Steuerreform. Offen blieb unter anderem auch die Reform der Pflege oder der Notstandshilfe.
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Erst im April 2019 präsentierte die Koalition ihre lang angekündigte Steuerreform. In Begutachtung geschickt wurde bisher aber nur ein Teil der ersten Etappe der Reform – der unter anderem die Neuberechnung der Normverbrauchsabgabe für Neuwagen und Erleichterungen für Unternehmer vorsieht.

Was nun wohl nicht mehr umgesetzt wird

Ausständig ist dagegen der für das kommende Jahr eigentlich bedeutendere Teil, nämlich die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für Kleinverdiener. Überhaupt nichts mehr werden dürfte es mit der angekündigten Lohnsteuersenkung ab 2021, denn dafür gibt noch nicht einmal einen Entwurf.

Ein reguläres Budget für 2020 wird es wohl auch nicht mehr geben. Die Budgetrede war für 15. Oktober angesetzt, das ist wohl erst nach dem Neuwahltermin. Damit dürfte die neue Regierung wieder mit einem Doppelbudget starten.

Noch nicht beschlossene Regierungsvorhaben – was geschieht nun?

Unklar ist auch, was mit einer weiteren Reihe von Vorhaben geschieht, die in Begutachtung geschickt, aber noch nicht beschlossen wurden. Dazu zählt unter anderem die Reform der Bankenaufsicht, die künftig in der Finanzmarktaufsicht (FMA) konzentriert werden soll. Bis zum Sommer sollte eigentlich auch die Änderungen bei der Transparenzdatenbank im Nationalrat beschlossen werden. Der Parlaments-Beschluss des Gewaltschutz-Pakets war überhaupt erst für den Herbst angepeilt.

Geplante Reformen bleiben offen

Für die angekündigte Anhebung der Mindestpensionen mit langen Versicherungszeiten, die 2020 in Kraft treten sollte, gibt es noch nicht einmal einen Begutachtungsentwurf. Auch das geplante Arbeitslosengeld Neu, in dem die Notstandshilfe aufgehen sollte, und die Pflege-Reform sind offen geblieben. Nichts wird es vorerst wohl auch mit der Reform des ORF-Gesetzes. Bereits beschlossen wurde zwar die Mindestsicherungs-Reform, die Bundesländer müssen diese allerdings erst bis spätestens Mitte 2021 umsetzen.

Was die Regierung erfolgreich umsetzte

Im ersten Jahr brachte die Regierung dagegen gleich zwei größere Reformen auf den Weg: die von Wirtschaft und Industrie geforderte und von Arbeitnehmervertretern scharf kritisierte Arbeitszeitflexibilisierung (“12-Stunden-Tag”) sowie die 2019 angelaufene Fusion der Gebietskrankenkassen samt Schwächung der Arbeitnehmerseite. Eingeführt wurden unter anderem auch die umstrittene Indexierung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder und der Familienbonus. Außerdem wurde das von der Vorgängerregierung beschlossene Rauchverbot in der Gastronomie gekippt.

Neues Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz wackelt

Angesichts der Regierungskrise droht auch die Novelle zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) zu scheitern, deren Begutachtung erst eine Woche vor dem “Ibiza-Gate” des zurückgetretenen FPÖ-Vizekanzlers Heinz Christian Strache endete. “Der Optimismus ist aus meiner Sicht 50:50 – kämpfen tun wir alle dafür”, so ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker.

“Seit Freitag letzter Woche ist alles anders”, räumte die Nationalratsabgeordnete am Montag am Rande einer Pressekonferenz ein. “Ich kann einfach heute nicht sagen, wie viele Plenartage wir noch haben und ob noch ein Bauten- oder Justizausschuss stattfindet”, sagte Steinacker zur APA. Die Frage sei, welche Gesetzesvorlagen noch Platz fänden. Die WGG-Novelle ist noch nicht durch den Ministerrat. Die Begutachtungsfrist ende am 10. Mai. Es gibt Begutachtungsanmerkungen, jetzt müsste die finale Regierungsvorlage produziert werden, ehe diese dem Ministerrat zugeführt wird. “Ich hoffe, dass wir weitermachen können”, so Steinacker.

“Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die WGG-Novelle auch beschlossen wird, da es keine Widerstände zu den geplanten Punkten in der Regierung gegeben hat”, gab sich Christian Struber als Bundesobmann der ARGE Eigenheim, eines Zusammenschlusses von rund 100 ÖVP-nahen gemeinnützigen Bauträgern, Aufsichtsrat beim Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV) und Chef der Salzburg Wohnbau etwas zuversichtlicher. “Ob dieses Paket umgesetzt wird, hängt maßgeblich davon ab, wie diese Bundesregierung zusammengesetzt sein wird – es wird Teile (der Novelle, Anm.) geben, die durchflutschen, andere nicht.”

Parteipolitische Gräben tun sich jedenfalls generell bei der Bildung von Eigentum auf: “Wenn es gesellschaftspolitische Unterschiede gibt, dann ist es die Behandlung von Miete und Kauf”, sagte Struber zur APA. Auf heftige Kritik bei der SPÖ stößt die geplante Erleichterung beim Erwerb einer gemeinnützigen Wohnung. Mit dem vorzeitigen Kaufrecht werde dem ohnehin angespannten Mietwohnungsmarkt zusätzlich leistbarer Wohnraum entzogen, so die Position der Roten.

Mit der novellierten Fassung des Gesetzes wollte die türkis-blaue Regierung die gesetzlichen Regelungen für Sozialwohnungen auf ein neues Fundament stellen. Vor allem wollte sie die Eigentumsbildung bei gemeinnützig errichteten Wohnungen erleichtern bzw. beschleunigen – der Kauf der eigenen Wohnung sollte dem Mieter bereits nach fünf und nicht erst – wie bisher – nach zehn Jahren möglich sein.

Weitere Pläne der WGG-Novelle

Von der Möglichkeit des Mietkaufs machten früher laut Struber “vielleicht 20 Prozent” Gebrauch – “jetzt sind wir sicher in der Größenordnung von 50 Prozent”. Sollte die WGG-Novelle umgesetzt werden, so werde der Anteil steigen, ist Struber überzeugt. “Mit dem Kauf der Wohnungen durch den Mieter werden wieder Wohnungen gebaut, also der Kreislauf funktioniert”, betonte er.

Ein weiteres zentrales Element der geplanten WGG-Novelle war die deutliche Bevorzugung österreichischer Staatsbürger bei der Vergabe von gemeinnützigen Wohnungen. Ausländer sollen sich nur mit nachweislicher Integration einmieten können und von der Kaufoption weitgehend ausgeschlossen werden.

Weiters geplant war ein explizites Verbot, die mit öffentlichen Mitteln geförderte Bleibe touristisch über Online-Kurzzeitvermietungsplattformen wie Airbnb anzubieten und als Privater Kapital daraus zu schlagen. Sollte der Käufer einer gemeinnützigen Wohnung diese weitervermieten, ist die Miete 15 Jahre lang mit einem gesetzlichen Richtwert gedeckelt.

“Die Arbeit ist getan – es geht um die Beschlussfassung”, betonte GBV-Aufsichtsratschef Michael Pech. Aber: “Wir sind ja nicht die Einzigen, die eine Regierungsvorlage haben”, so Steinacker, die auch Aufsichtsratsvorsitzende der niederösterreichischen “Alpenland” Gemeinnützige Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft sowie nominiertes Vorstandsmitglied des GBV ist. Den Obmann der GBV (derzeit Karl Wurm, Anm.) stellt die SPÖ. Vizeobmann soll Vorstandsmitglied Herwig Pernsteiner werden.

(apa/red)

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