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Nach dem Urteil - Kritik und Trailer zum Film

Miriam und Antoine kämpfen um ihre Familie - und zwar gegeneinander. Die Eheleute streiten um das Sorgerecht für ihren elfjährigen Sohn Julien. In den Augen der Richterin verstricken sie sich dabei in Widersprüche. Die Mutter unterstellt dem Vater einen Hang zur Gewalttätigkeit. Der Mann gibt hingegen an, seine Ex-Frau mache falsche Vorwürfe, um seine Kinder gegen ihn aufzustacheln und sich in dem Verfahren Vorteile zu verschaffen. Aussage steht gegen Aussage. Wer lügt hier?

Der französische Regieneuling Xavier Legrand macht sich gleich mit seinem Debüt einen Namen. Beim Filmfest von Venedig gewann er 2017 für “Nach dem Urteil” (Originaltitel: “Jusqu’a la garde”) einen silbernen Löwen für den besten Erstlingsfilm. Am Freitag kommt der Psychothriller nun auch in die österreichischen Kinos.

Nach dem Urteil: Kurzinhalt zum Film

Legrand zeigt in “Nach dem Urteil”, wie sich der subtile Horror der Angst mit perfider Lautlosigkeit ins alltägliche Leben einer zerbrochenen Familie drängen kann. Der Rosenkrieg, den Legrand (Buch und Regie) in seinem Autorenfilm inszeniert, wirkt mit seiner langsamen Normalität wie aus dem Leben gegriffen: Miriam (Lea Drucker) und Antoine Besson (Denis Menochet) kämpfen um ihre Familie – und zwar gegeneinander. Die Eheleute streiten um das Sorgerecht für ihren elfjährigen Sohn Julien (Thomas Gioria).

Die Mutter unterstellt dem Vater einen Hang zur Gewalttätigkeit. Der Mann gibt hingegen an, seine Ex-Frau mache ihm falsche Vorwürfe, um seine Kinder gegen ihn aufzustacheln und sich in dem Verfahren Vorteile zu verschaffen. Aussage steht gegen Aussage. Wer lügt hier? Das kann die Richterin unmöglich entscheiden.

So spricht sie Antoine zu, seinen Sohn jedes zweite Wochenende sehen zu dürfen. Doch mit jedem Aufeinandertreffen von Vater, Mutter und Sohn verschärft sich der Konflikt. So eskaliert die Situation, bis sich die Gefühle Bahn brechen und ganz klar wird, wer die wahren Opfer in dem Familiendrama sind.

Nach dem Urteil: Die Kritik

Legrand wollte eine Tragödie aus der heutigen Zeit schreiben, sagte er jüngst in einem Interview, die Darsteller sollten keine stereotypen Genrefiguren spielen. Der Wunsch des 1979 geborenen Regisseurs, seinen Darstellern zur größtmöglichen Wahrhaftigkeit zu verhelfen, verwundert wenig: Auch er selbst ist eigentlich Schauspieler, vor allem im Theater. Seine erste Kinorolle spielte er als Grundschüler in Louis Malles längst zum Klassiker avancierten Kriegsdrama “Auf Wiedersehen, Kinder” (“Au revoir, les enfants”) aus dem Jahr 1987.

Es sind Legrands Gespür für die Schauspielerei und seine großartige Besetzung, die den Film zu einem besonderen Kinoerlebnis werden lassen. Lea Drucker, die Serienfans womöglich als Psychologin aus der französischen Geheimdienstserie “Büro der Legenden” kennen, trägt in dem Film mit ihrem verhaltenen und distanzierten Charisma in der Rolle der Mutter Miriam entscheidend zur spannungsgeladenen Atmosphäre bei. Die verzweifelte Vaterfigur, die Denis Menochet verkörpert, bleibt in den Augen der Zuschauer lange so ambivalent, dass man ihn keinesfalls vorverurteilen möchte.

Ein echter Glücksgriff ist Legrand nach einer langen und schwierigen Suche mit seinem Kinderdarsteller Thomas Gioria gelungen, der mit seinem minimalistischen Spiel all den Trotz und den Schmerz und die Wut auszudrücken vermag, die seine Situation in ihm auslöst. Die große Wucht dieses Debüts liegt schließlich vor allem darin, dass der Regisseur den Horror verborgener häuslicher Gewalt inszeniert, diese aber nur kurz zeigt. Ein wahrlich sehenswerter Film, der ganz ohne Überdramatisierung auskommt.

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(APA/Red)

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