Mordverdacht gegen Pflegerin in Klinik Wien-Favoriten: Weiterer Fall wird nun überprüft
Behördensprecherin Nina Bussek bestätigte der APA am Dienstagvormittag eine Meldung des "Falter". "Wir stehen am Anfang der Ermittlungen", sagte Bussek. Man habe von einem Sachverhalt Kenntnis erlangt, "der nun geprüft wird". Wie der Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV) in einer Pressekonferenz am Nachmittag bekannt gab, wird ein zweiter Fall geprüft.
Mordverdacht in Wiener Klinik Favoriten: Beschuldigte Pflegerin befindet sich auf freiem Fuß
Vor zehn Tagen habe die Staatsanwaltschaft Wien dazu Dokumente angefordert, sagte der medizinische Direktor des WIGEV, Michael Binder. Auch dieser Patient oder die Patientin - genaue Daten wurden nicht bekannt gegeben - wurde ebenfalls in dem Spital palliativ behandelt und war im Jänner 2025 verstorben, sagte Binder. Die beschuldigte Pflegerin befinde sich auf freiem Fuß, teilte Bussek mit. Die Staatsanwaltschaft geht demnach aktuell nicht von einem dringenden Tatverdacht aus.
Bei den bedenklichen Todesfällen handelt es sich um eine Mitte September verstorbene Frau und einen im Jänner 2025 verstorbenen Mann, die vor ihrem Ableben jeweils seit Wochen auf der Onkologischen Station palliativmedizinisch behandelt wurden. Beide Personen - sie waren laut WIGEV zwischen 50 und 70 Jahre alt, nähere Angaben wurden aus Datenschutzgründen nicht bekannt gegeben - waren "in der Endphase ihres Lebens", wie Silvia Riepl, Pflegedirektorin der Klinik Favoriten, vor Medienschaffenden erläuterte. In diesem Stadium sei Ziel der pflegerischen Betreuung, "dass sie (die Betroffenen, Anm.) die Schmerzen gut ertragen und nicht leiden müssen."
Patientin in Wien-Favoriten bekam Benzodiazepine und Opiate
Die Patientin, über die der "Falter" zunächst berichtete, wurde über eine motorisierte Spritze kontinuierlich mit Benzodiazepinen und Opiaten versorgt. Sowohl der Zeitpunkt als auch die Dosis waren in einem Therapieplan festgelegt. Der Bolus (die Gabe von Medikamenten, Anm.) wurde auf der 28-Betten-Station von diplomierten Pflegekräften überwacht und schriftlich dokumentiert.
Nachdem die Patientin Mitte September verstorben war, wurden von den Pflegekräften, die am darauf folgenden Tag von der Beschuldigten und einer zweiten Mitarbeiterin unmittelbar die Schicht übernommen hatten, Unregelmäßigkeiten in der Pflegedokumentation festgestellt. Nicht jeder einzelne Bolus war dokumentiert worden.
Bei den dienstversehenden Mitarbeiterinnen schrillten insofern die Alarmglocken, als die nunmehr Beschuldigte laut "Falter" vor der Dienstübergabe bemerkt haben soll, man könne der Patientin "mehr geben, dann geht"s schneller vorbei". Sie meldeten die Vorgänge der Stationsleitung, die in weiterer Folge die Pflegedirektion informierte. Die Beschuldigte und jene Pflegerin, die gemeinsam mit ihr im Dienstradl tätig war, wurden in weiterer Folge vom WIGEV mit dem Vorwurf konfrontiert, der Verstorbenen wären mehr Medikamente als von ihnen aufgezeichnet verabreicht worden.
Beschuldigte dementiert laut WIGEV Vorwürfe
Die Hauptbeschuldigte hätte "den Vorwurf dementiert", stellte Michael Binder, Medizinischer Direktor und Vorstandsmitglied des WIGEV, am Dienstagnachmittag auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz klar. Man habe "umgehend reagiert", betonte Binder: die beiden Pflegerinnen wurden wegen Verstößen gegen interne Richtlinien dienstfrei gestellt und in weiterer Folge gekündigt, eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht und eine gerichtliche Obduktion angeregt. Diese sei zwischenzeitlich auch durchgeführt worden. Das Ergebnis liege noch nicht vor.
Unabhängig davon habe der WIGEV im Sinn umfassender Transparenz einen Facharzt für Anästhesie und Schmerztherapie mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Auch diese Expertise liege noch nicht vor. Es gehe um "vollumfängliche Aufklärung", die Sicherheit der Patientinnen und Patienten stehe im Vordergrund, betonte Binder.
WIGEV: Kein Hinweis auf kausalen Zusammenhang zwischen Medikamentengabe und Tod
"Unsere Kontrollsysteme sind sehr engmaschig und haben gewirkt", erklärte Binder. Zum derzeitigen Zeitpunkt gebe es "keinen Hinweis auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der Medikamentengabe und dem Tod der Patientin." Auch eine Überdosierung sei nicht erwiesen. Es gelte jetzt das schriftliche Obduktionsgutachten und vor allem die toxikologischen Untersuchungen abzuwarten, bemerkte der WIGEV-Manager.
Zweiter Fall vom Jänner 2025
Noch unklarer stellt sich die Lage zum im Jänner verstorbenen Patienten dar. Vor zehn Tagen habe die Staatsanwaltschaft dazu Dokumente angefordert, sagte Binder. Auch dieser Patient wurde in der Klinik Favoriten über einen längeren Zeitraum palliativ behandelt und von der mordverdächtigen Pflegerin betreut. Zur Behauptung des "Falter", der in diesem Zusammenhang von einer anstehenden Exhumierung berichtet hatte, erklärte Binder, er könne dies nicht bestätigen.
Die mordverdächtige Pflegerin befindet sich auf freiem Fuß. Die Staatsanwaltschaft geht aktuell nicht von einem dringenden Tatverdacht aus, teilte Behördensprecherin Nina Bussek auf APA-Anfrage mit.
Neben der Pflegerin, die der moribunden Patientin die Schmerzmittel verabreicht hatte, wird auch gegen jene Mitarbeiterin ermittelt, die gemeinsam mit ihr Dienst versah. Bei dieser Frau handelt es sich ebenfalls um eine erfahrene diplomierte Pflegerin. Beide waren seit rund eineinhalb Jahren beim WIGEV beschäftigt.
(APA/Red)