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Mit Kindern lebendig bleiben und den Geist wachhalten

Dr. Albert Lingg genießt seinen Ruhestand an seinem neuen Wohnort Lustenau – hier im Austria Café.
Dr. Albert Lingg genießt seinen Ruhestand an seinem neuen Wohnort Lustenau – hier im Austria Café. ©Edith Hämmerle
Menschen aus der Heimat: Dr. Albert Lingg erzählt von seinem „pensionierten Leben“ am neuen Standort Lustenau.

Lustenau. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“. Diese Lebensphilosophie hat ihn zweifellos beruflich geprägt. Albert Lingg war über 30 Jahre Leiter und Chefarzt der psychiatrischen Abteilung des LKH Rankweil. Er wählte einen Beruf, der ein starkes Nervenkostüm voraussetzt. Den Ausgleich suchte er in der Musik. Doch mit dem Pensionsantritt hat er vieles verändert und einiges aufgegeben. So auch seine vielgeliebte Band, die er als Frontman und Sänger mit großem Enthusiasmus formte. „Rolling-Stones-Lieder habe ich immer bevorzugt“, blickt er doch etwas wehmütig zurück. Aber noch etwas Grundlegendes hat sich vor vier Jahren, mit Beginn in die neue Lebensphase, verändert: Sein Wohnort. Der Bregenzerwälder hat sich unter die Lustenauer gemischt. Den Bund mit Lustenau habe er aber bereits vor einem Vierteljahrhundert geschlossen – als treuer Anhänger vom SC Austria Lustenau. Das ließ bei manchen den Verdacht aufkommen, dass mich gerade das zur Umsiedlung bewogen habe, meint er mit einem Augenzwinkern, nennt aber spontan den wahren Grund, der bei seiner ältesten Tochter liege, die nach Lustenau geheiratet habe. „Beide sind Architekten und haben uns eingeladen zusammen ein Wohnprojekt zu machen, womit wir sehr glücklich sind.“ Seitdem schätzt das Ehepaar Lingg vor allem die Nähe zu seinen Enkelkindern.

Mit Kindern lebendig bleiben

„Kinder lassen uns Ältere lebendig bleiben“, ergänzt er mit Blick auf seine Familie, für die er jetzt die Zeit findet, die ihm in den Berufsjahren oft gefehlt hat. Apropos Lustenau: Der Ort war schon früh bedeutsam für ihn. Sein Vater war direkt nach der Kriegsgefangenschaft in die Handelsschule nach Lustenau gekommen. Dort hat er auch feine Quartiergeber gefunden, zu denen er stets einen guten Kontakt pflegte. „Bei aller Bereitschaft zur Integration werde ich es mir allerdings nicht zumuten, den Lustenauer Dialekt anzunehmen“, meint er lachend und als eher nüchterner Mensch werde er auch nicht unbedingt den „Rhinzigünern“ beitreten, obwohl er sich durchaus als „Zigüner“ bezeichnen möchte. In seinem Leben ist er aus beruflichen Gründen häufig umgezogen. „Zum Glück“, meint er, „hat das meine Frau, die aus Holland stammt und sehr weltoffen ist, mitgemacht.“ Auch die Kinder hätten davon profitiert „verschiedene Kulturen“ erleben zu dürfen, resümiert der 69-jährige Mediziner, dem 2016 der Toni-Russ-Preis verliehen wurde. „Als Opa soll man sich keinesfalls in die Erziehung der Enkel einmischen“, erwähnt er weiter in Sachen Familienpolitik. Sehr positiv findet er, dass seinen Enkeln viel Probierraum geboten wird. Das heißt, sie werden nicht vom Aufwachen bis zum Schlafengehen überwacht und bespaßt, wie es heutzutage oft der Fall ist. Ich selbst konnte mich in den Sommerferien, wohlgemerkt barfuß, ganze Tage in Wald und Feld aufhalten, ohne dass meine Eltern Bescheid wussten.“ Das war für ihn erlebbarer Freiraum, erzählt Lingg aus Kindertagen.

Lesen fördert Ideen

So ganz ruhig soll der Ruhestand dann doch nicht sein. Als medizinischer Leiter unterrichtet Lingg an der Krankenpflegeschule Rankweil und hält Vorträge in Schlosshofen. Sein Ehrenamt als Obmann der Vorarlberger Telefonseelsorge hält er weiter aufrecht. „Dabei habe ich zwangsläufig auch Einblicke in die aktuellen Nöte und Bedürfnisse der Menschen und profitiere dabei von meinen tüchtigen Leitern und natürlich von den inzwischen rund 90 Ehrenamtlichen. Gerade dieser Dienst sei heute in der total vernetzten Zeit, in der viele Menschen unter Einsamkeit leiden, so wichtig. Privat füllt er seine Freiräume mit Lesen. „Lesen ist zu meiner Hauptleidenschaft geworden. Ich entdecke ständig neue Schätze“, lässt Lingg in sein „pensioniertes Leben“ blicken. Er bevorzugt russische Schriftsteller der alten und neuen Zeit. „Ich habe für meinen Beruf aus der Literatur mehr Ideen gewonnen als aus der Fachliteratur“, bekennt er. Und nachdem er für das Gespräch mit der VN-Heimat das Austria-Café wählte, lässt er abschließend durchblicken, dass er sich hier öfters und gerne aufhält.

Zur Person
MR Dr. Albert Lingg
Geboren: 1949 Bregenzerwald
Wohnort: Lustenau
Familie: Verheiratet, 5 Kinder, 8 Enkel
Beruf/Ausbildung: Studium der Medizin, Ausbildungen in der Psychiatrie, 1981 bis 2014 Leiter einer psychiatrischen Abteilung und Chefarzt im LKH Rankweil mit Schwerpunkten Sozialpsychiatrie, Geriatrie und Suizidprophylaxe, ehrenamtlich für die Lebenshilfe und Telefonseelsorge tätig, zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt Toni-Russ-Preis 2016
Hobbys: Musik, Lesen, Wandern
Lebensphilosophie: „Man sieht nur mit dem Herzen gut“.

 

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