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Mentale Kraft fehlte

Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher hat das Ende seiner glanzvollen Karriere herbeigesehnt und Motivations-Probleme als Grund für seinen Rückzug genannt. Er hatte nicht mehr die mentale Kraft.

“Ich hatte nicht mehr die absolute mentale Kraft, die mich früher zu Höchstleistungen trieb”, erklärte der 37-jährige Deutsche in einem Interview mit dem am Freitag erschienenen “SZ-Magazin” der “Süddeutschen Zeitung”. Sein letztes Rennen hatte Schumacher am 22. Oktober in Interlagos/Sao Paulo bestritten. “Schumi” dementierte, dass Ferrari ihn zum Abschied gedrängt habe. Teamchef Jean Todt habe noch gehofft, ihn von seiner Entscheidung abzubringen. “Aber Runde für Runde habe ich mich vom Leben als Rennfahrer verabschiedet”, meinte der siebenfache Champion. Gerade bei Testfahrten sei ihm bewusst geworden, “dass ich im Prinzip die Stunden bis zum Ende meiner Laufbahn herunterzähle”.

Einen Rücktritt vom Rücktritt schloss Schumacher kategorisch aus. “Die Formel 1 verändert sich ständig: die Technik, die Motoren, die Regeln, die Pisten. Wenn du einmal raus bist, bist du raus.” Sein kurzer Auftritt im Film “Asterix bei den Olympischen Spielen”, in dem er einen Streitwagen lenkt, war “vielleicht das letzte Mal in meinem Leben, dass ich ein Rennen gefahren bin”. Schumacher hatte in Brasilien seinen 250. und letzten Grand Prix bestritten. Seine 16. Saison in der Formel 1 beendete er als Gesamt-Zweiter hinter dem spanischen Weltmeister Fernando Alonso. “Ob er besser war? Ich denke, er hat sich den Titel zumindest verdient”, lautete Schumachers Kommentar zu seinem Renault-Rivalen.

Der Deutsche sieht der Zeit nach der Karriere gelassen entgegen. “Ja, ich bin glücklich. Deshalb mache ich mir auch keine Gedanken, was aus mir wird”, betonte Schumacher. “Ich will zwar jetzt keinen Bauch ansetzen und dick werden. Aber ich freue mich darauf, einmal keine Verpflichtungen mehr zu haben. Zum ersten Mal nach mehr als 20 Jahren.” Er möchte “bewusst in eine Art Loch fallen, um mal zu schauen, wie sich das anfühlt”. Beim ersten Saisonrennen 2007 werde er deshalb sicher nicht an der Strecke stehen, sondern das Rennen wohl von zu Hause aus verfolgen. “Da gehöre ich jetzt hin”, bekräftigte der erfolgreichste Fahrer der Formel-1-Geschichte, der mit Frau Corinna und den Kindern Gina und Mick in der Schweiz lebt.

Schumacher, über den am Freitag ein von ihm autorisiertes Buch mit dem schlichten Titel “Schumacher” erschien, erinnerte sich in dem Interview auch an die Höhepunkte seiner Karriere. Wenn er zurückblicke, denke er als erstes an seinen ersten Titelgewinn für Ferrari. “Japan, 2000. Die Ziellinie. Ich fahre drüber und bin endlich Weltmeister mit Ferrari. Wäre es 2000 wieder schief gegangen, wer weiß, was aus mir geworden wäre!”

Gedanken an ein Karriere-Ende kamen bereits nach dem Tod von Ayrton Senna am 1. Mai 1994 in Imola auf. An jenem Renn-Wochenende war auch der Salzburger Roland Ratzenberger tödlich verunglückt. “Ich habe mich sehr intensiv mit dem Tod auseinander gesetzt und mich gefragt, was mir die Formel 1 und der Rennsport noch bedeuten können.” Daher sei er auch nicht zu Sennas Beerdigung gefahren, sondern zum Testen. Er sei später allein mit Corinna am Grab der brasilianischen Formel-1-Legende gewesen. Bei seinem einzigen schweren Unfall 1999 in Silverstone hatte Schumacher selbst Angst um sein Leben. “Ich habe die Helfer und den Arzt sprechen hören, aber alles wurde leiser. Dazu der nachlassende Herzschlag. Ich dachte tatsächlich: Jetzt geht’s dahin”, erinnerte sich der Rheinländer.

Selbstkritisches war von Schumacher kaum zu lesen. Seine Aktion im WM-Finale 1997, als er seinen Rivalen Jacques Villeneuve absichtlich rammte, bezeichnete er aber als Fehler. “Wenn es eine Situation in meiner Karriere gäbe, die ich ungeschehen machen könnte, wäre es diese.” Zu seiner letzten Saison nannte er seinen Ausrutscher in Melbourne und den Zusammenstoß mit Nick Heidfeld in Budapest als Fehler. Sein umstrittenes “Parkmanöver” in der Qualifikation in Monaco, für das er bestraft wurde, erwähnte er jedoch nicht.

Schumacher fuhr in der Formel 1 für Jordan, wurde mit Benetton zweimal Weltmeister (1994, 1995) und holte mit Ferrari (seit 1996) fünf Fahrer-Titel en suite (2000 bis 2004). Eine Zusammenarbeit mit Mercedes in der Formel 1 scheiterte an McLaren-Chef Ron Dennis. Schumacher habe gemerkt, “dass wir nicht wirklich zusammenpassen”. Mit Mercedes wäre dagegen alles gut gelaufen, “wir hätten sicherlich einen Weg gefunden”.

Sein distanziertes Verhältnis zu den Medien und der deutschen Öffentlichkeit erklärte er damit, “dass ich über viele Jahre gemauert und mich abgeschirmt habe. Rennsportfans hatten nie wirklich die Chance zu erkennen, wer denn dieser Schumacher in Wirklichkeit ist.” Schumacher wünscht sich dennoch, von seinen Landsleuten mehr geliebt zu werden: “Wer will das nicht? Natürlich, ja.”

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