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Menasse-Lesung im MQ

Als der Regen am Donnerstagabend die Lesung unter freiem Himmel nach etwas mehr als einer Stunde unterbrach, hatte Robert Menasse die Zuhörer bereits auf seiner Seite.

Auf dem Hauptplatz des Museumsquartiers hatte sich anlässlich der Lesung des Schriftstellers beim Literaturfestival „O-Töne” eine – vor allem hinsichtlich des unsicheren Wetters – beachtliche, teils stehende, teils sitzende Menschenmenge eingefunden. Zugleich diente der Abend der erstmaligen Publikums-Präsentation von Menasses neuem Roman „Don Juan de La Mancha oder die Erziehung der Lust”, für den der Autor für den Deutschen Buchpreis 2007 nominiert ist.

Eröffnet wurde die Lesung mit einem Gespräch zwischen Robert Menasse und ORF-Literaturredakteur Günter Kaindlstorfer, die ersterer – fast wie zu erwarten – nicht nur dazu nutzte, um sein neues Buch vorzustellen.

Frei oder sicher?

„Irgendwie ist es schon charmanter in einer Zeit aufzuwachsen, in der das Wichtigste Freiheit ist und nicht Sicherheit”, zeigte sich Menasse froh darüber, nicht nach 2001, in „der Epoche der Sicherheit” geboren zu sein. Denn jede Ära erkenne man daran, „dass sie eine fixe Idee hat”. War das Ziel nach 1945 noch Wiederaufbau und Wohlstand gewesen, so rückte, als dies erreicht war und die „Wohlstandskulissen” geschaffen waren, die „Befreiung von Tabus und alten Zwängen” in den Vordergrund.

Mit dieser Ära der Suche nach der Freiheit beschäftigt sich auch Menasses neuer Roman, nicht nur, aber sehr viel in sexueller Hinsicht. So zitierte Menasse im Gespräch mit Kaindlstorfer den Essayisten Franz Schuh: „Sexualität ist ja nicht nur ein körperlicher Prozess, sondern auch Metapher.” Sie diene etwa „als Lackmustest dafür, was für Bedürfnisse Menschen zu welcher Zeit haben”, so Menasse weiter. Und logischerweise lieben Menschen jeweils anders, je nachdem, in welcher Epoche sie leben.

Zeitgeist

Menasses Protagonist Nathan ist – in der Jetzt-Zeit – desillusionierter Chef des „Leben”-Ressorts einer Zeitung, und nahe liegender Weise ist sein Problem gerade das Unverständnis über den Wertewandel, den sein Autor ausspricht. Sozialisiert in der Zeit der Post-68er, in der Sozialismus statt Hedonismus als Lebensziel galt, Sexualität nicht als Genuss, sondern als Teil eines Gesellschaftskonzeptes gesehen wurde, stemmt sich Nathan – vergeblich – gegen Zeitgeist und „life style” und verliert in Folge dessen, wenig überraschend, seinen Job als Verantwortlicher des Ressorts, in dem es gerade um „life style” geht.

Nathan ist Patient bei einer Psychoanalytikerin, und so darf man als Leser beiwohnen, wie Nathan – mit wechselnder Ehrlichkeit – seine eigene Vergangenheit rekonstruiert und – oft über den Weg seiner Eltern – auf der Suche nach der Selbstfindung ist. Eines der schönsten Bilder, die Menasse verwendet, sind wohl die „Ich” und „Du”-Häferln, die auch bei der Lesung große Vergnügung im Auditorium hervorriefen: „Vater holte eine Flasche Billig-Sekt (’Söhnlein’) aus seiner Aktentasche, die er entkorkte, um mit mir von Mann zu Mann meine Unabhängigkeit zu feiern. Wir tranken den lauwarmen Sekt aus zwei Kaffeehäferln mit den Aufschriften ’Ich’ und ’Du’, die der Vormieter zurückgelassen hatte. Vater war ’Ich’”. Als die ersten Regentropfen der Freiluft-Lesung ein Ende machten, wurde Menasses Dank ans Publikum für die Geduld beim Zuhören und der Vorschlag , den Rest selber zu lesen prompt aufgenommen: Der Buchverkaufsstand wurde gestürmt.

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