AA

Meine Großtante, die Künstlerin

Metergroße nackte Brüste am KUB: Der Auftakt zur Anne Marie Jehle-Ausstellung ist spektakulär.
Metergroße nackte Brüste am KUB: Der Auftakt zur Anne Marie Jehle-Ausstellung ist spektakulär. ©Handout KUB / Maier
Metergroße nackte Brüste am KUB: Der Auftakt zur Anne Marie Jehle-Ausstellung ist spektakulär. Ihre Großnichte sprach mit W&W.

Ein nackter Frauen-Oberkörper, meterhoch und -breit an der KUB-Fassade, die blanken Brüste vom Schriftzug „Kunsthaus“ eher betont als verdeckt – und das in der Adventszeit, wenn Tausende Besucher die Zumthor-Fassade passieren: Die Ausstellung zu Anne Marie Jehle – der Frau, mit dem nackten Oberkörper – startet spektakulär. Eine Person, die die Ausstellung garantiert besuchen wird, ist Stefanie Maier. Denn die 31-Jährige ist die Großnichte der Feldkircher Künstlerin.

Jetzt auf VOL.AT lesen

Auf den eigenen Spuren

„Anne Marie ist eine von zwei Schwestern meines Großvaters mütterlicherseits“, erklärt Stefanie WANN & WO. Die Germanistin lebt in Wien und hat sich bereits tiefgreifend mit den Werken ihrer bedeutenden Verwandten auseinandergesetzt – auch wenn sie diese leider nie persönlich getroffen hat. „Das finde ich heute sehr bedauerlich. Ich hätte mir gerne mein eigenes Bild gemacht, was sie für ein Mensch war“, so Stefanie. „Mein stärkster persönlicher Eindruck ist, dass ich nach ihrem Tod ihr Haus in Tisis erlebt habe – noch ungefähr in dem Zustand, in dem sie es verlassen hatte. Ich muss damals 13 Jahre alt gewesen sein und war fasziniert. Zum ersten Mal habe ich Kunst in einer Form gesehen, die nicht kuratorisch oder didaktisch aufbereitet war.“ Zwar sei Stefanies Blick auf ihre Großtante und deren Kunst von Erzählungen verschiedener Verwandter beeinflusst. „Das Haus bot mir aber auch die Möglichkeit, ihre Persönlichkeit und ihre Haltung gegenüber der Gesellschaft, in der sie lebte, noch einmal unvermittelt und so, wie sie sich selbst ausdrückte, zu sehen.“

Gesellschaftskritik in jedem Millimeter ihrer Kunst

Genau diese Haltung von Anne Marie Jehle ist es, die Stefanie ganz besonders beeindruckt. „Sie zeigt sehr pointiert die Enge und scheinbare Harmlosigkeit in ihrer gesellschaftlichen Umgebung. Da steckt auch viel Kapitalismuskritik drin und überhaupt ein scharfer Blick auf die Nachkriegsgesellschaft“, schildert die Germanistin. „Viele ihrer Arbeiten zeigen die Lebensrealität von Frauen in einer Umgebung, in der Männer die Macht beanspruchen. Dass eine Frau sich von früher Kindheit an in ein kleines, enges oder zumindest überschaubares Leben hineinzwängen soll. In ihren Arbeiten steckt aber auch die Botschaft, dass kein Mensch und keine Frau in ihrer Komplexität in dieses Blechgerüst hineinpassen kann.“ Ein Werk von Anne Marie Jehle ist beispielsweise ein Schürze aus Blech: Ein Symbol der Enge und des Zwanges im Leben als Hausfrau. Gleichzeitig ist die so gearbeitet, dass sie unmöglich irgendjemandem passen kann. „Das ist oft grotesk und oft bedrohlich, und beides – das Groteske und das Bedrohliche – steckt in den dicken Bänden im bürgerlichen Regal und in den Gegenständen des Alltags, den Tassen und Pullovern. Es sitzt mit auf dem Sofa.“

(Wann & Wo / Anja Förtsch)

>>>Hier geht es zur aktuellen Ausgabe der Wann&Wo<<<

Wann_Und_Wo
  • VIENNA.AT
  • Wann & Wo
  • Meine Großtante, die Künstlerin