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"Mein Gehirn war ausgeschaltet"

Iris-Maria ist tot. Das Mädchen war praktisch sofort nach der Geburt Misshandlungen des eigenen Vaters ausgesetzt, weil dieser ihr Weinen und Schreien nicht aushielt, wie er am Mittwoch im Wiener Straflandesgericht geltend machte.

„Es hat mich wütend gemacht, dass ich sie nicht beruhigen hab’ können, obwohl sie trocken und gefüttert war“, sagte der 21-jährige Mann. Laut Anklage soll er das Baby mit der Faust geschlagen, heftig geschüttelt, ins Eck geworfen und gegen die Wand geschleudert haben. Im vergangenen Jänner, knapp vor ihrem ersten Geburtstag, starb Iris-Maria an den Folgen ihres Martyriums.

„Er konnte seine Rage nicht anders auslassen“, stellte Staatsanwältin Katja Wallenscheswki fest. Sie schilderte den Angeklagten als aggressiven, jähzornigen jungen Mann, dem Iris-Maria „ausgeliefert“ gewesen sei. Diesen hätten Aufsicht und Erziehung „komplett überfordert“. Einmal habe er die Kleine mit einem Zierkissen sogar „förmlich zu ersticken versucht“, so die Anklägerin.

„Er hat überreagiert, aber er hatte keinen Mordvorsatz“, hielt dem Verteidiger Oswin Lukesch entgegen. Sein Mandant meinte anschließend:
„Ich gebe zu, dass ich Iris-Maria absichtlich oder unabsichtlich verletzt habe.“ Er habe „nicht mehr weiter gewusst“, daher „ein Mal fester zugepackt“, ihr ein paar Mal „einen Klaps auf die Windelhose“ und eine Ohrfeige gegeben: „Richtig ausgeholt hab ich nicht, aber es war schon recht ordentlich.“

Als Iris-Maria Ende April 2005 ins Wiener AKH eingeliefert wurde, wies das drei Monate alte Baby Serienrippenbrüche, Hämatome und massive Hirnblutungen auf. Es war rasch klar, dass das Kind in jedem Fall bleibende Schäden davon tragen würde: Die Ärzte stellten schwerste, irreparable Gehirnschäden und eine Epilepsie fest, die offensichtlich von einem Schütteltrauma herrührten.

Das Baby wurde ins Koma versetzt, um eine Notoperation durchführen zu können. Ende Mai 2005 überstellte man die Kleine in eine Spezialklinik, weil man sich davon bessere Heilungschancen erhoffte. Diese erfüllten sich leider nicht.

„Mein Gehirn war ausgeschaltet“, antwortete der Vater, als ihn Richterin Michaela Sanda mit diesen Fakten konfrontierte. Er habe seine Tochter ein Mal „vier bis fünf Minuten“ kräftig geschüttelt, räumte er nun ein. Möglich, dass er auch zu heftig „Hoppe, hoppe Reiter“ gespielt habe, um sie ruhig zu stellen. Beim Wickeln habe er „leider manchmal zu fest zugedrückt“. Und ja, er erinnere sich an einen Vorfall, „wo ich in dem Moment keinen Ausweg mehr gesehen und deswegen leider zugeschlagen habe“.

Der Mann hatte zuletzt als Zivildiener gearbeitet, „damit ich den Menschen helfen kann“, wie er dem Schwurgericht erklärte. In seiner Überforderung bei anderen Rat zu suchen, kam für ihn nicht in Frage:
„Ich war zu stolz dafür, dass ich mir Hilfe hole.“

Die Kindesmutter wäre dafür wohl kaum in Frage gekommen. Die 25-Jährige leidet an einem Borderline-Syndrom, sie dürfte gesundheitlich kaum in der Lage gewesen sein, sich entsprechend um Iris-Maria zu kümmern. Die Staatsanwaltschaft hat im Hinblick auf ihr Befinden auch das Strafverfahren gegen sie eingestellt.

Der 21-Jährige hatte die Frau über eine Single-Börse im Internet kennen gelernt. Am 23. Mai 2005 traf man sich erstmals „im richtigen Leben“. Wenige Tage später war die Frau schwanger. „Es ist passiert, aber wir haben uns gefreut. Ich war von Anfang an Feuer und Flamme“, schilderte der Vater beider Reaktion.

Der Angeklagte selbst leidet laut zwei psychiatrischen Gutachten an einer Persönlichkeitsstörung, weshalb die Staatsanwältin den Antrag stellte, ihn nicht nur als Mörder zu verurteilen, sondern zudem in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen.

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