Familienrechnung im Check: Wann sich Teilzeit lohnt – und wann nicht

In Österreich ist Teilzeitarbeit längst die verbreitetste flexible Beschäftigungsform. 2024 arbeiteten im Schnitt 31,5 Prozent der unselbstständig Erwerbstätigen in der Privatwirtschaft in Teilzeit; bei den Frauen sind es 51,1 Prozent, bei den Männern 13,7 Prozent.

Mit 1,4 Millionen Teilzeitbeschäftigten hat Österreich die zweithöchste Quote in der EU. Die allermeisten Teilzeitkräfte sind damit zufrieden: Laut einer Market-Umfrage gaben 87 Prozent an, mit Arbeitszeit und Arbeitsplatz glücklich zu sein. Nur 6,7 Prozent würden gerne mehr Stunden arbeiten, haben aber keine Möglichkeit.
Gründe für Teilzeit
Hinter dem Wunsch nach reduzierter Arbeitszeit steht vor allem das Bedürfnis nach mehr Freizeit. In der StepStone‑Jobreport‑Umfrage 2023 sagten 55 Prozent der Teilzeitbeschäftigten, dass ihnen freie Zeit wichtiger sei als ein hohes Gehalt oder eine Karriere. 38 Prozent nannten mentale und 37 Prozent körperliche Belastungen als Grund. Ein gutes Drittel arbeitet nicht länger, weil sich eine Aufstockung finanziell kaum rentiert; bei einer Verdoppelung der Stunden steigt der Nettolohn oft nur um etwa 70 Prozent. Weitere Motive sind fehlende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige (31 Prozent) und fehlende Vollzeitstellen (26 Prozent). Frauen nennen häufiger Kinderbetreuung als Hauptgrund, während Männer öfter einfach keine Vollzeitstelle wollen.
Regionale Unterschiede
Wie stark Teilzeit das Einkommen beeinflusst, zeigt der Blick auf Vorarlberg. Laut Einkommensbericht 2024 sind dort nur 25 Prozent der Frauen ganzjährig vollzeitbeschäftigt; drei von vier Frauen arbeiten Teilzeit oder nicht ganzjährig, während 72 Prozent der Männer vollzeitbeschäftigt sind. Diese Asymmetrie hat Folgen: Vorarlbergerinnen erreichen im Median nur 56 Prozent des Männereinkommens – österreichweit sind es 66 Prozent. Männer in Vorarlberg verdienen mit 48.055 Euro brutto im Jahr den höchsten Medianlohn aller Bundesländer, Frauen kommen auf 26.675 Euro.
Teilzeit und Einkommen in Vorarlberg
Einkommensbericht 2024
Vollzeitbeschäftigung
Medianeinkommen (brutto/Jahr)
Fraueneinkommen vs. Männer
Vorarlberg zählt zu den größten Einkommenslücken in Österreich (-10 Prozentpunkte).
"Freiwillige Teilzeit" als Problem
Rund ein Viertel der österreichischen Teilzeitkräfte strebt keine Vollzeitstelle an; laut einer Umfrage von "Agenda Austria"könnten etwa 320.000 Personen mehr arbeiten, wollen es aber nicht. Würde diese Gruppe im Median-Vollzeitlohn arbeiten, flössen dem Sozialsystem jährlich rund 3,1 Milliarden Euro mehr an Beiträgen zu. Die Gesamtmehreinnahmen für den Staat lägen bei etwa 4,9 Milliarden Euro. Ein weiterer Effekt: Seit 2019 sank die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Erwerbstätigen um 2,5 Stunden.
Steuer- und Sozialpolitik
Die Teilzeitquote wird auch durch staatliche Regelungen beeinflusst: Teilzeitbeschäftigte zahlen oft keine oder nur geringe Lohnsteuer und keinen Arbeitslosenversicherungsbeitrag. Für Mehrarbeit gibt es in Österreich einen Zuschlag von 25 Prozent, der europaweit einzigartig ist. Zudem existieren mehrere gesetzliche Modelle (z. B. Altersteilzeit, Pflegeteilzeit, Bildungsteilzeit), die Teilzeit fördern. Diese Privilegien machen einen Wechsel zur Vollzeit oft unattraktiv, weil höhere Einkommen sowohl Sozialtransfers als auch Begünstigungen verlieren lassen.
Modellrechnung für eine Vorarlberger Familie
Eine Beispielrechnung zeigt, wie stark die Grenznutzen sinken. In einem Szenario einer Vorarlberger Familie mit zwei Kindern und einem vollzeitbeschäftigten Mann steigt das Familieneinkommen von 49.541 Euro netto, wenn die Frau nicht arbeitet, auf 59.111 Euro bei 30‑Prozent‑Teilzeit – ein Plus von rund 20 Prozent. Wird die Arbeitszeit der Frau auf 60 Prozent erhöht, wächst das Einkommen auf 69.183 Euro (plus 18 Prozent). Bei Vollzeit steigt es nur noch auf 79.108 Euro, das sind weitere 14 Prozent. Der effektive Stundenlohn nimmt mit jeder Aufstockung ab: bei 30 Prozent Teilzeit liegt er bei etwa 21 Euro, bei Vollzeit bei nur noch rund 18 Euro. Ursächlich ist die progressive Steuer- und Abgabenstruktur; gleichzeitig verlieren Sozialleistungen wie Familienbonus oder Alleinverdienerabsetzbetrag mit steigendem Einkommen an Bedeutung.
Familieneinkommen Rechner
Vergleichen Sie verschiedene Arbeitszeit-Szenarien für österreichische Familien
★ Familie mit 2 Kindern (3 und 6 Jahre)
Mann: €4.000/Monat (€56.000/Jahr) • Frau: €3.000/Monat (€42.000/Jahr) bei Vollzeit
Grundgehälter: Frau arbeitet variabelSzenarien
Zum Durchklicken
Frau keine Arbeit – Detailansicht
Familie Netto Gesamt
€49.541
Frau Netto pro Stunde
–
Jahresstunden Frau
0
Mann (Vollzeit)
Frau Keine Arbeit
Info: Steuerliche Vorteile
Familienbonus Plus: €4.000/Jahr
Für 2 Kinder (€2.000 pro Kind) – reduziert Lohnsteuer des Mannes
★ Alleinverdienerabsetzbetrag: €813/Jahr
Reduziert die Lohnsteuer des Mannes bei alleinigem Einkommen
Zusätzliche Familienleistungen
Familienbeihilfe
(für 2 Kinder)
€5.460
Schulstartgeld
(6-jähriges Kind)
€121
Heizkostenzuschuss
(bei niedrigem Einkommen)
€330
Szenario-Vergleich
Einkommensentwicklung nach Arbeitszeit der Frau
Wie sich das Familieneinkommen mit steigender Arbeitsleistung der Frau entwickelt
Wichtige Erkenntnisse
- Größter Sprung: Von 0% auf 30% Arbeitszeit (+€9.570 = +19,3%)
- Abnehmender Nutzen: Zusätzlicher finanzieller Nutzen pro Stunde nimmt mit steigender Arbeitszeit ab
- Stetige Steigerung: Jede zusätzliche Arbeitsstunde der Frau erhöht das Familieneinkommen
- Gesamtpotential: +€29.567 (+59,7%) von 0% auf 100% Arbeitszeit
Mögliche Ansätze
Politik und Interessenvertretungen suchen Wege, die Anreize für Vollzeit zu verbessern. Die Industriellenvereinigung spricht von einem strukturellen Problem und fordert, dass sich zusätzliche Arbeitsstunden stärker im Nettolohn niederschlagen. Die Wirtschaftskammer verweist auf fehlende Betreuungsplätze und verlangt flächendeckende Kinderbetreuung mit Öffnungszeiten, die dem Bedarf der Eltern entsprechen. Denn obwohl Kinderbetreuung der häufigste Grund für Teilzeit ist, bleiben fast 60 Prozent der Frauen auch dann in Teilzeit, wenn die Kinder größer sind.
Teilzeit bleibt damit ein zweischneidiges Schwert: Sie ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und steigert die Erwerbstätigkeit, besonders von Frauen. Gleichzeitig reduziert sie das Einkommen, mindert Pensionsansprüche und belastet das Sozialsystem. Wie sehr Österreich sein Teilzeitmodell anpassen will, wird in den kommenden Jahren eine zentrale Frage der Arbeitsmarktpolitik bleiben.
Teilzeit vs. Vollzeit - alle Zahlen im Überblick:
Österreichische Einkommensanalyse 2023
Ganzjährig Beschäftigte – Median-Einkommen im Vergleich
Bruttojahreseinkommen
Nettoeinkommen
⏰ Bruttostundenverdienst
Nach Geschlecht
Frauen
Teilzeit: 25.611 €
Vollzeit: 45.872 €
Teilzeit = 56% von Vollzeit
Männer
Teilzeit: 24.762 €
Vollzeit: 53.797 €
Teilzeit = 46% von Vollzeit
Gesamtvergleich Nettoeinkommen 2023
Teilzeit erreicht 57% des Vollzeitniveaus
Frauen – Netto
Teilzeit: ~16.500 €*
Vollzeit: ~32.500 €*
*Geschätzt basierend auf Bruttowerten und Steuerprogression
Männer – Netto
Teilzeit: ~16.200 €*
Vollzeit: ~37.800 €*
*Geschätzt basierend auf Bruttowerten und Steuerprogression
Frauen
Teilzeit: 17,30 €/h
Vollzeit: 18,70 €/h
Männer
Teilzeit: 17,90 €/h
Vollzeit: 21,80 €/h
Gender Pay Gap
Frauen erzielen 68% des Männereinkommens (gesamt)
Beim Stundenverdienst: 84% des Männerniveaus
Nach Funktionen
ArbeiterInnen
Angestellte
Öffentlich Bedienstete
ArbeiterInnen – Netto
Angestellte – Netto
Öffentlich Bedienstete – Netto
Entwicklung 2004–2023
12.908 € → 25.433 €
30.266 € → 51.500 €
Fazit
Wichtigste Erkenntnisse
Brutto: Teilzeitkräfte verdienen nur die Hälfte der Vollzeitkräfte
Netto: Unterschied geringer – Teilzeit bei 57% des Vollzeitniveaus
Stundenlöhne: Teilzeit erreicht 84% des Vollzeit-Stundenverdienstes
Geschlecht: Frauen überproportional in Teilzeit mit deutlichen Nachteilen
(VOL.AT)