Mehr als eine Narbe: Die Schattenseite des Kaiserschnitts

In Österreich kommt rund ein Drittel aller Babys per Kaiserschnitt zur Welt. Für viele ist der Eingriff ein Segen – doch er kann auch langfristige körperliche Folgen, sowohl für Mutter als auch Kind, mit sich bringen. Das Interview mit Prim. Dr. Michael Rohde bringt medizinische Einordnung.
Die aktuelle Lage in Österreich und Vorarlberg
Die Kaiserschnittrate in Österreich liegt, laut Prim. Dr. Michael Rohde, aktuell bei 33,2 Prozent. Der ärztliche Leiter der Gynäkologie im Krankenhaus Dornbirn und im Landeskrankenhaus Bregenz erklärt, dass man sich in Vorarlberg stabil zwischen 25 und 30 Prozent bewege, ohne deutlichen Anstieg in den letzten Jahren.
Video: Experte Michael Rohde klärt auf
Was bedeutet der Kaiserschnitt für das Kind?
Ein Kaiserschnitt verändert den Start ins Leben – medizinisch, mikrobiologisch und potenziell auch gesundheitlich. Ein Kind, das nicht durch den Geburtskanal geht, kommt nicht mit den mütterlichen Vaginalbakterien in Kontakt. Das kann das kindliche Immunsystem beeinflussen.
Angesprochen auf Studien, wonach Kinder, die per Kaiserschnitt geboren wurden, statistisch häufiger von Asthma, Allergien, Typ-1-Diabetes oder Adipositas betroffen sind, sagt Rohde: "Faktoren wie Adipositas oder Asthma sind von so vielen Einflüssen geprägt, dass der Kaiserschnitt nicht immer der Auslöser dafür ist." Dennoch weist er darauf hin, dass entsprechende Risiken bei der Aufklärung vor dem Eingriff benannt werden.
Der Kaiserschnitt, so erklärt er weiter, "könnte ein kleiner isolierter Faktor sein. Das sind natürlich total theoretische, völlig abgehobene Überlegungen." Man müsse die Zahlen immer im Verhältnis betrachten. Ein erhöhtes Risiko sage wenig über das absolute Risiko aus: "Wenn eine seltene Erkrankung 20-mal häufiger vorkommt, dann ist sie unter Umständen immer noch selten."
Langzeitfolgen für Mutter nach "großer Bauchoperation"
Nach einem Kaiserschnitt steigt das Risiko für Fehlgeburten, Totgeburten und Placenta praevia – also einer ungünstigen Plazentalage. Diese Risiken lassen sich auf Narbengewebe und Verwachsungen zurückführen [→ PubMed, PLOS ONE]. Pro 1.000 Frauen treten etwa drei zusätzliche Fälle von Placenta praevia auf.
Dr. Rohde macht deutlich: "Ein Kaiserschnitt ist eine große Bauchoperation. Und eine Wunde hinterlässt Narben – mit möglichen Folgen für kommende Schwangerschaften." Die Probleme reichen von Einnistungsstörungen über Plazentakomplikationen bis hin zur gefürchteten Uterusruptur.
Er berichtet aus der Praxis: "Dadurch, dass der Bauch geöffnet wurde, bestehen natürlich Möglichkeiten der Beeinträchtigung der Funktionen all dieser Dinge."

"Wir wollen nicht verunsichern, aber auch nicht verharmlosen"
Für Dr. Rohde steht fest: "Wir nehmen uns viel Zeit, um Frauen und ihre Partner aufzuklären – mit ausführlichen Gesprächen und mehrseitigen Infoblättern." Ziel sei es, die bestmögliche Entscheidung im individuellen Fall zu treffen. "Ob es ein Kaiserschnitt oder eine natürliche Geburt wird – das hängt vom gesamten Risikoprofil ab."
Die größte Herausforderung sieht er darin, die Balance zu halten: "Wir wollen Frauen nicht verunsichern, aber auch nichts verharmlosen."
Wenn er medizinisch notwendig ist, ist der Kaiserschnitt ein Lebensretter. Dennoch ist klar: Er verändert die Ausgangslage – für Mutter und Kind. Deshalb plädiert der Experte für eine offene, faktenbasierte Aufklärung. "Geburt ist ein komplexes Geschehen. Jede Geburt ist individuell, keine Geburt ist planbar – aber jede verdient Respekt und Sorgfalt."
(VOL.AT)