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Medizin-Uni Wien gedenkt mit Mahnmal der Nazi-Opfer

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Der März 1938 hatte für die Wiener Medizin "irreparable Schäden", so der Rektor der Medizin-Uni Wien (MUW), Wolfgang Schütz, zur Folge:

65 Prozent der Wiener Ärzte – das waren 3.200 von rund 4.900 – mussten aus “rassischen” oder politischen Gründen ihren Beruf verlassen und wurden vertrieben bzw. später ermordet. Von den Professoren und Dozenten der Medizinischen Fakultät der Uni Wien mussten 54 Prozent ausscheiden. 70 Jahre nach dem “Anschluss” hat die heutige Medizinische Universität Wien am Donnerstag der Opfer des Nationalsozialismus gedacht und am Gelände der MUW ein Mahnmal enthüllt.

Das von Dvora Barzilai gestaltete Mahnmal erinnert in Form eines Buches mit herausgerissenen Seiten an die Opfer. Das Buch symbolisiert für sie nicht nur das jüdische Volk, sondern auch die Wissenschaft, während die herausgerissenen Seiten “die Vertreibung einerseits und den Verlust von Wissen andererseits” versinnbildlichen sollen, wie Oswald Wagner von der MUW bei einer Pressekonferenz erklärte. Ergänzt werden soll das Mahnmal durch die Namen der Vertriebenen und Ermordeten, die in die Steine eines benachbarten Brunnens eingraviert werden sollen.

Rektor Schütz erinnerte daran, dass die Mitverantwortung der Universitäten an diesen Taten “jahrzehntelang verschwiegen und verleugnet wurden”, es sei “jahrzehntelang Tabu gewesen, über diese Mitschuld zu sprechen”. Umso bedauerlicher sei es, dass “bei einer offiziellen Veranstaltung die längst überwunden geglaubte These der Opferrolle Österreichs unter Beifall wiederbelebt wird”, so Senatsvorsitzender Arnold Pollak im Hinblick auf die Aussagen von Otto Habsburg bei einer ÖVP-Veranstaltung am vergangenen Montag im Parlament.

Für Wissenschaftsminister Johannes Hahn (V) gehört es zu den “Unerklärlichkeiten der Zweiten Republik, dass Bestrebungen verabsäumt wurden, Vertriebene zurückzuholen oder Wiedergutmachung zu betreiben”. Erinnern sei notwendig, “um die Sensibilität zu bewahren und alle ähnlichen Tendenzen im Vorfeld zu ersticken”.

Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg erinnerte daran, dass Judenverfolgungen oft stattgefunden hätten, “weil die Verfolger gemeint haben, daraus Vorteile zu ziehen”. Angesichts der “irreparablen Schäden” der Medizin-Fakultät sei es ein “Hochpunkt des Antisemitismus” gewesen, “wenn man aus Hass auf andere in Kauf nimmt, selbst Schaden zu nehmen und sich ins eigene Fleisch zu schneiden”, sagte Eisenberg.

Als “beschämend” bezeichnete Kardinal Christoph Schönborn, dass “die Christen in diesem Land durch die jahrhundertelange Tradition des Antijudaismus innerlich nicht gerüstet waren, dem Antisemitismus mit der notwendigen Entschiedenheit” entgegenzutreten. Ebenso beschämend sei gewesen, dass nach dem Krieg “die Vertriebenen nicht selbstverständlich mit der notwendigen Reue eingeladen wurden, wieder zurückzukehren”.

Neben dem Mahnmal erinnerte eine vom “Verein zur Förderung von Wissenschaft und Forschung in den neuen Universitätskliniken am AKH” organisierte Gedenkveranstaltung heute, Mittwoch, an den “März 1938 und die Folgen für die Medizinische Fakultät”.

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