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Me, We - Kritik und Trailer zum Film

Regisseur David Clay Diaz erzählt in seinem neuen Werk vier Geschichten, die zwar unabhängig voneinander laufen und doch allesamt verschiedene Facetten des Themenkomplexes von Flucht, Migration und unseren alltäglichen Umgang damit umkreisen.

Das Zusammentreffen geflüchteter Menschen mit Ortsansässigen, die Debatte um Zuwanderung und den schwammigen Begriff "Integration": Alles zentrale Themen der Zeit, bevor sie durch die Klima- und dann die Coronakrise in den Hintergrund der Wahrnehmung getreten sind. David Clay Diaz richtet mit "Me, We" nun wieder den Fokus auf diesen Komplex - und das mit einem ungewohnt differenzierten Blick. Nach der Weltpremiere auf der Diagonale kommt das Werk am Freitag ins Kino.

Dafür verschränkt der 33-jährige Clay Diaz vier Geschichtenstränge ebenso wie die Genres. Dem Nachwuchsfilmer, der 2016 bei der Berlinale mit "Agonie" als bestem Erstlingsfilm reüssierte, gelingt dabei die Gratwanderung zwischen parabelhaftem Sujet und einem sehr menschlich-nahen Begleiten seiner Charaktere.

Me, We - Kurzinhalt zum Film

Da wäre zum einen Marie (die heurige Salzburg-Buhlschaft Verena Altenberger in einer uneitel überspannten Partie), die voll des Impetus zu helfen, in ein Durchgangscamp in Griechenland reist, in das schon seit Wochen niemand mehr angelandet ist. Auch ihr Bemühen, dann eben mit einem Seenotretterschiff auszulaufen, scheint zu scheitern. Petra (Barbara Romaner) hingegen quartiert den Flüchtling Mohammed (Mehdi Meskar) bei sich ein, behandelt diesen aber in ihrem "Integrationsbemühen" eher wie ein Kind, bevor sich seine Geschichte als komplexer entpuppt als zunächst gedacht.

Gerald (Lukas Miko) wiederum ist eigentlich der engagierte Leiter eines Flüchtlingsheims. Mit dem etwas aufsässigen Schützling Aba (Wonderful Idowu) entspinnt sich allerdings sukzessive ein Konflikt, der in die Eskalation führt. Und schließlich ist da im tiefsten ländlichen Raum, in dem Freibad und Kreisverkehr die Höhepunkte darstellen, der schmächtige Marcel (wie schon in "Agonie" Alexander Srtschin). Er versucht mit seinen nicht minder schwachbrüstigen Kumpels, eine eigene Schutztruppe für Mädchen angesichts des vermeintlichen Explodierens von "Ausländerkriminalität" aufzuziehen.

Narrativ überschneiden sich diese vier Stränge nie, als Roter Faden und gleichsam Zerrspiegel dienen allerdings die Berichte der laufenden Fußballeuropameisterschaft, die im Hintergrund aus Radios und Fernsehern immer wieder das Geschehen begleiten und vom einigenden Momentum für Europa schwärmen. Während dieser Soundtrack den Hintergrund der Szenen koloriert, so kommt doch auch der Vordergrund nicht moralinsauer daher, sondern changiert gekonnt zwischen einem bisweilen durchaus zynischen Humor und berührenden Charakterzeichnungen.

Me, We - Die Kritik

Clay Diaz beweist dabei ein erstaunliches Auge für kleine Szenen, die in ihrer Alltäglichkeit doch symbolische Bedeutung haben, wenn etwa Marie im Lokal von einer bettelnden Geflüchteten solange belästigt wird, bis auch sie den Blick abwendet. Oder wenn sich zwischen Petra und Mohammed ein Diskurs über Schiele und das Empfinden gegenüber dem nackten Körper entspinnt.

Der ebenso genaue wie unbelastete Blick auf die Reibepunkte zwischen Kultur mag dem Regisseur in die Wiege gelegt sein, der als Sohn einer peruanischen Mutter und eines US-amerikanischen Vaters in Paraguay geboren wurde und mit vier Jahren nach Wien kam. Und doch geht es in "Me, We" nicht vordergründig um die gesellschaftspolitische Debatte.

Vielmehr steht die genaue Analyse der Persönlichkeiten im Zentrum, die mit diesem Umfeld interagieren - und hierbei wieder für das große Ganze stehen. Dabei schlägt sich "Me, We" nie auf eine Seite, verdeutlicht die Nuancen des Dazwischens, überzieht selten, sondern zeigt naiven Antirassismus ebenso wie naiven Rassismus als Grundhaltungen, die letztlich beide auf deren Träger zurückspiegeln. Ein starker Film, der den Blick wieder über den Coronahorizont hinaus öffnet.

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(APA/Red)

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