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Mann wollte "Versagen" nicht eingestehen

Sollte der 39-jährige PR-Manager im Sinn der Anklage schuldig gesprochen werden, drohen ihm bis zu 20 Jahre oder lebenslange Haft. Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt Reinhard St. zwar eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, aber volle Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt.

Zum Motiv heißt es in der Anklageschrift: “Angesichts des nahenden wirtschaftlichen Ruins und infolge seines Unvermögens, seine nächsten Angehörigen sein wirtschaftliches Totalversagen einzugestehen, fasste der Angeklagte den Entschluss, seine Ehefrau, seine Tochter, seine Eltern und seinen Schwiegervater zu töten.”

Reinhard St. hatte vor rund zehn Jahren mit Aktienspekulationen begonnen. Als seine Tochter geboren wurde, wünschte er sich mehr Geld und ließ sich daher auf riskantere Spekulationsgeschäfte ein. Dafür nahm er einen Kredit auf und investierte sein gesamtes Eigenkapital.

Zunächst schien er auch Erfolg zu haben: Im Sommer 2001 wies das Aktiendepot ein Guthaben von über 150.000 Euro auf, zu Pfingsten 2008 waren allerdings nur mehr 600 Euro da, denen Verbindlichkeiten von 350.000 Euro gegenüberstanden.

Laut Anklage wollte er seiner Familie ersparen, damit konfrontiert zu werden. Nachdem er noch ein gemütliches Wochenende mit Frau und Kind verbracht hatte, setzte er der Anklageschrift zufolge am 13. Mai 2008 in seiner Wohnung in der Neue-Welt-Gasse in Wien-Hietzing seinen Plan um und tötete am Morgen kurz nach dem Aufwachen mit einer Axt seine Frau.

Im begehbaren Schrank kam ihm dann seine Tochter entgegen. Mit der stumpfen Axtseite soll er sogleich auf das Kind eingeschlagen haben, das die Schläge mit bloßen Händen abwehren wollte. “Sie fiel danach zu Boden und der Angeklagte versetzte ihr zweimal mit voller Kraft Hiebe gegen den Kopf”, heißt es in der 16 Seiten umfassenden Anklageschrift.

Als Reinhard St. das Mädchen noch röcheln hörte, holte er aus dem Wohnzimmer einen Fuchsschwanz, “kehrte zu ihr zurück, setzte die Säge im Nackenbereich an und versuchte sodann, ihr den Kopf abzutrennen”, so die Anklage. Dieses Unterfangen gab er jedoch nach kurzer Zeit auf.

Gegen 11.45 Uhr traf er in Ansfelden ein, wo er zunächst mit seinen Eltern zu Mittag aß. Sein Vater zog sich gegen 13.00 Uhr vor den Fernseher zurück, seine Mutter ging ins Erdgeschoß, um dem 39-Jährigen als Wegzehrung einen Kirschkuchen einzupacken.

Der Sohn folgte ihr, zog die mitgebrachte Axt aus einem Rucksack und schlug auf sie ein. Danach begab er sich nach oben, wo sein Vater inzwischen eingenickt war. Von hinten hieb er mehrfach mit der Axt gegen seinen Kopf.

Mittlerweile hatte sich unten die schwerst verletzte Mutter aufgerichtet, wie Reinhard St. feststellte, als er nachschauen ging. Neuerlich machte er von seiner Waffe Gebrauch. Während er im Anschluss Abschiedsbriefe an seine zwei Geschwister verfasste und auf einem separaten Blatt seine Beweggründe darzulegen versuchte, waren die Eltern noch am Leben. Ihr Röcheln war deutlich zu vernehmen, der Vater soll laut Anklage sogar noch geschrien haben. Dem gerichtsmedizinischem Gutachten zufolge trat bei beiden der Tod möglicherweise erst gegen 15.00 Uhr ein.

Gegen 17.00 Uhr hatte Reinhard St. Linz erreicht, wo er abschließend seinem Schwiegervater das Leben nahm. Zunächst tranken die beiden Männer in dessen Küche Limonade und unterhielten sich über Belanglosigkeiten. Als der Schwiegervater die Gläser abwaschen wollte und ihm den Rücken zuwandte, öffnete der PR-Berater wieder seinen Rucksack und schlug zu. Während sein Opfer im Sterben lag, durchsuchte er die Wohnung nach Büchern, die er diesem vor einiger Zeit geborgt hatte, fand die zwei Exemplare und steckte sie ein.

Das “langsame Sterben” seiner Opfer, speziell das Röcheln seiner Mutter hielt Reinhard St. davon ab, sich – wie ursprünglich geplant – nach den Bluttaten das Leben zu nehmen. Das erzählte der 39-Jährige der psychiatrischen Sachverständigen Sigrun Rossmanith, die im Gerichtsauftrag ein Gutachten über den PR-Berater zu erstellen hatte.

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