Mahnstück "Violenza" bei steirischem herbst aufgeführt

Zu dem scheinbar netten jungen Mann, Max heißt er und er will sein Publikum angeblich kennenlernen, gesellen sich bald vier weitere junge Männer, die sich als "Patrioten", als Burschenschaftler, alle stramm rechtem Gedankengut nachhängend. Ohne jetzt länger gefragt zu werden oder auch nur zu Wort zu kommen, wird das Publikum mit einem Schwall von Tiraden gegen Linke und Linkslinke, Migranten, "Islamisten", Politiker, Journalisten, "kosmopolitische Eliten" und ähnliche Feindbildschablonen überfahren. Die verwendete Rhetorik ist aus den Wahlkämpfen vieler Jahre und auch aus jüngster Vergangenheit wohlbekannt.
Offene Drohung bei anderer Meinung
Als die inzwischen auf der Bühne immer aggressiver ihre politische Botschaft verkündenden Männer eine Schweigeminute für den vor zehn Tagen erschossenen rechten US-Aktivisten Charlie Kirk ausrufen, beginnt das Publikum laut zu tratschen und mit den Füßen zu stampfen. Die Schauspieler reagieren auf diese Widerstandsäußerung so, wie die Reaktion vermutlich auf einer echten rechten Parteiveranstaltung ausfallen würde: Der Vorfall wird heruntergespielt. Man geht einen Schritt weiter. Jenen, die anderer Meinung sind, wird offen gedroht. Der Beginn eines "Neuen Reiches", getragen von einer "germanischen Ethnie" wird proklamiert.
In einer geschickten dramaturgischen Wendung verwandelt sich die Szene plötzlich in ein irrwitziges Ballett, in dem halbnackte Männerkörper eine Art rückwärts laufende Evolution vom klassischen männlichen Schönheitsideal über allerlei krude Ertüchtigungs- und Kampfspiele zur wildgewordenen Schimpansenhorde durchmachen - zu den Klängen von Donauwalzer, Gigi d'Agostinos von rechten Kreisen gekapertem und zur Hasstirade umfunktionierten "Toujours l'Amour" bis hin zum Schuhplattler.
Phasenweise kaum erträgliches Mahnstück
Als der Spuk vorbei ist, wird ein Ausschnitt aus der Autobiografie "Eine Jugend in Deutschland" des Schriftstellers und linkssozialistischen Revolutionärs Ernst Toller vorgelesen, der mit seinem Theaterstück "Nie wieder Friede" für das heurige Motto des steirischen herbst, "Never Again Peace" Pate stand. So steht am Ende die Frage: Geht die demokratische Gesellschaft sehenden Auges in einen neuen Abgrund, indem sie sich nicht gegen jene wehrt, die sie offen zu zerstören versuchen? Dem steirischen Herbst ist mit "Violenza" ein starkes, phasenweise kaum erträgliches Mahnstück gelungen.
Am Freitagnachmittag fand - wie zur Einstimmung, aber auch quasi als Antithese zu dem Stück - in der Grazer Herrengasse eine als künstlerische Aktion aufgezogene Kundgebung der "Omas gegen Rechts" statt. Eine Gruppe der Aktivistinnen bewegte sich vom Eisernen Tor rückwärts gehend in Richtung Hauptplatz - Symbol für eine rückwärtsgewandte Frauenpolitik, die sich seit den jüngsten Landtagswahlen in der Steiermark bemerkbar mache.
(Von Andreas Stangl/APA)
(S E R V I C E - steirischer herbst vom 18. September bis 12. Oktober; "Violenza" von Michiel Vandevelde, Pankaj Tiwari und Eneas Prawdzic; zweite und letzte Vorstellung: 21.9. 19.00 Uhr, Orpheum Graz. )
(APA)