Lügen als bedenkliches Gesellschaftsspiel

Götzis. (sch) Der markante deutsche Charakterdarsteller Helmut Zierl ist vor allem durch seine rund 150 Fernsehproduktionen populär geworden. Es ist aber erstaunlich, dass er erst jetzt sein erstes Tourneetheater-Engagement (Euro-Studio Landgraf) angenommen hat; und zwar spielt er die Hauptrolle in der Komödie „Die Wahrheit“ des französischen Autors mit deutschem Namen Florian Zeller (geboren 1979 in Paris). Komödie und Frankreich sind normalerweise Garanten für spritzige, leichtfüßige Unterhaltung mit erotischem Pfiff. Zellers „Wahrheit“ macht aber die lügnerische Vertuschung von permanenten Seitensprüngen zum alleinigen Inhalt des Stücks. Und weil jede Figur des Bühnenquartetts „Dreck am Stecken“ hat, bleibt dem Publikum nichts anderes übrig, als die beinahe kriminelle Energie der vier Lügnerinnen/Lügner zu „bewundern“ – aber lustig ist diese geballte Unmoral eigentlich nicht. Der Autor überlässt es dem Publikum allerdings, die Lügen einfach als die mögliche Außenseite bestehender Wahrheiten zu sehen.
Lüge als „Wahrheit“
Der charmante Michel ist mit Laurence verheiratet; Paul, der beste Freund von Michel, hat Alice zur Frau. Diese wiederum eröffnet den Theaterabend mit Michel zusammen kuschelnd in einem Hotelbett. Und auch Laurence hatte bisweilen Paul als Lover. Unwahrscheinlich im Stück ist, dass alle Akteure von den diversen Affären über Monate hindurch nie etwas „gerochen“ haben sollen – oder doch? Es geht jedenfalls bis zum Schlussbild mit dem Lügen weiter, und die Pointe im letzten Satz ist für eine französische Komödie sehr banal, nämlich, dass „Wahrheit“ bei Amore doch das Beste wäre.
Helmut Zierl kommt in dem anstrengenden Lügengeflecht mit Charme, Entrüstung, gekränktem Stolz etc. am besten zurecht, Karin Boyd (auch fernsehberühmt) als seine Frau Laurence hatte einen großen Auftritt nach der Pause. Susanne Berckhemer als unkompliziertes Betthupferl Alice und Uwe Neumann als ihr cooler Mann Paul komplettierten das Quartett. Der Regisseur Peter Lotschak hätte die bisweilen ermüdenden Rededuelle durch spielerische Gags theatralisch aufpeppen können.