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Ludwigs Wahlniederlage

©APA/ROBERT JAEGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Vergeblich hat die SPÖ versucht, freiheitliche Wähler zu umwerben. Das hat nur dazu geführt, dass die Partei jetzt auch noch an die Grünen ausrinnt.

"Die SPÖ Wien braucht organisatorisch, inhaltlich und personell ein neues Angebot." So wurde Bürgermeister und Landesparteichef Michael Ludwig diese Woche von "Österreich" zitiert. Deutlicher hätte der 58-Jährige das Debakel bei der Nationalratswahl nicht auch zu seiner persönlichen Niederlage erklären können.

Die Akzente, die Ludwig bisher gesetzt hat, haben ihr Ziel verfehlt. Das ist ein schlechtes Zeichen für die Gemeinderatswahl im kommenden Jahr. Die Genossinnen und Genossen müssen mit dem Schlimmsten rechnen.

Bei der Nationalratswahl ist die SPÖ in der Bundeshauptstadt nur noch auf 27,3 Prozent gekommen. Der Vorsprung auf die ÖVP ist auf weniger als drei Prozentpunkte zusammengeschmolzen. Und die Grünen sind zugleich zum ersten Mal auf mehr als 20 Prozent gekommen. Setzt sich dieser Trend fort, fällt die SPÖ beim nächsten Mal hinter die beiden zurück.

Gut, das ist erstens der "Worst Case" und zweitens sind am vergangenen Sonntag nicht die Landesparteien mit Ludwig, Gernot Blümel (ÖVP) und Birgit Hebein (Grüne) zur Wahl gestanden, sondern die Bundesparteien mit Pamela Rendi-Wagner (SPÖ), Sebastian Kurz (ÖVP) und Werner Kogler (Grüne); die Verschiebungen sind jedoch bemerkenswert. Abgesehen davon ist die sozialdemokratische Nationalratswahlkampagne ja nicht von irgendjemandem, sondern von Ludwigs Vertrautem Christian Deutsch gemanagt worden. Er trägt also Mitverantwortung.

Die Wiener SPÖ rinnt sowohl nach links als auch nach rechts aus. Ausgerechnet auch in den Flächenbezirken ist ihr die ÖVP sehr nahegekommen. Ludwigs Versuch, die dortigen Wähler mit einer „Wiener zuerst“-Politik zu umwerben, wurde nicht belohnt, um es vorsichtig zu formulieren. Es ist vielmehr so, dass dieser Kurs eher zu einer Wählerabwanderung von der SPÖ zu den Grünen führt. In zehn von 23 Bezirken sind sie stärkste geworden.

Der SPÖ wird etwas zum Verhängnis, was man in Abwandlung einer Formulierung von Sebastian Kurz so zusammenfassen könnte: Wenn schon Mitte-Rechts-Politik, dann ordentliche. Und eine solche liefern nicht die Roten, sondern die Türkisen. Umgekehrt werden all jene, die eine ordentliche Mitte-Links-Politik wollen, zu den Grünen vertrieben; von den Sozialdemokraten bekommen sie eine solche jedenfalls nicht.

Laut „Österreich“ will Ludwig darauf reagieren und Klimaschutz forcieren. Nicht, dass man das bisher verabsäumt habe, es sei öffentlich nur nicht aufgefallen. Kommt jetzt also die große Wählerrückholaktion von den Grünen? Man darf gespannt sein; es wäre ein Ausdruck von Panik, würde das doch zwangsläufig auf Kosten der bisherigen Rückholaktion von ÖVP- und FPÖ-Wählern gehen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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