Es ist so bezeichnend: Vor der Gemeinderatswahl im Frühjahr hat Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) versprochen, dass die Jahreskarte der Wiener Linien weiterhin 365 Euro kosten werde. Dass es zu keiner Erhöhung kommen werde. Denn soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz hätten „oberste Priorität“, so Ludwig.
Das Ergebnis ist bekannt: Nach der Wahl hat er eine Erhöhung auf 467 Euro verkünden lassen. Schlimmer: Jetzt hat er auch noch mitteilen lassen, dass sich die Eröffnung der U5 um vier Jahre verzögern werde. Dass die Station Frankhplatz also bis 2030 eine Geisterstation bleiben werde.
Die praktischen Folgen mögen gleich null sein: Zunächst hätte es sich nur um eine Doppelführung von U2 und U5 vom Karlsplatz bis zum Rathaus gehandelt, allein vom Rathaus bis zum Frankhplatz wäre die U5 allein geführt worden. Das sind wenige Meter. Es geht jedoch ums Signal: Das Budget der Stadt ist so weit aus dem Ruder gelaufen, dass Ludwig nicht nur ein Wahlversprechen bricht; sondern dass Öffi-Benützer darüber hinaus zwar mehr zahlen müssen in Zukunft, aber eine entschleunigte Öffi-Erweiterung bekommen.
Es steht auch für ein Versagen: Wien kann es sich nicht mehr leisen, großzügig zu sein. Ob bei den öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch in anderen Bereichen. Fast schwerwiegender für Ludwig und die Sozialdemokratie ist beispielsweise, dass sie Kürzungen bei der Mindestsicherung vornehmen muss.
Damit gibt sie etwas auf, was aus ihrer Sicht gut und wichtig war: Man gibt denen, die nichts oder zu wenig haben, um über die Runden zu kommen, so viel, dass sie in Würde leben können. Dass sie nicht verelenden und auf die schiefe Bahn geraten, sodass sich Kriminalitätsraten vervielfachen und Gegenden entstehen, in die sich nicht einmal mehr die Polizei traut; wie das in Metropolen weltweit der Fall ist.
Verhängnisvoll für Ludwig ist, dass das alles nicht vorübergehend ist: In der Vergangenheit hat man ein Sparpaket geschnürt und gewusst, dass eher früher als später wieder fette Jahre folgen werden, in denen Geld keine Rolle spielt. Heute muss man davon ausgehen, dass die Zeiten längerfristig hart bleiben: Es ist kein Aufschwung in Sicht.
Zusätzlich setzt Ludwig der Zustand seiner Partei zu. Auf Bundesebene wirkt sie verloren, sieht sich allenfalls als Opfer böser Boulevardmedien, die es nicht gut meinen mit ihrem Vorsitzenden Andreas Babler; sie kommt nicht auf die Idee, sich zu überlegen, wie sie sich neu aufstellen müsste, um weiterhin eine Rolle spielen zu können.
Wenn heute gewählt wird, liegt die SPÖ unter 20 Prozent sowie um gut 20 Prozentpunkte unter der FPÖ von Herbert Kickl. Dann geht sich nicht einmal mehr Schwarz-Rot-Pink aus, hat Kickl noch bessere Chancen aufs Kanzleramt als heuer im Februar.
Auch für Ludwig ist das ein fürchterliches Szenario: Ein Kanzler Kickl läuft auf eine Bundespolitik hinaus, die sich gegen ein rotes Wien stellt. Und die dabei insofern am längeren Hebel ist, als sie die Stadt finanziell aushungern kann.
Es ist daher ein Rätsel, warum der Bürgermeister die Dinge in der Sozialdemokratie so laufen lässt. Warum er sich weder vor Babler stellt noch gegen diesen. Man könnte glauben, er habe bereits aufgegeben.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik