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Lone Twin Theatre bei den Wiener Festwochen

©© Lone Twin Theatre
Tödliche kleine Gesten: "Daniel hit by a train" unterwirft 53 tragische Tode dem totalen Theater-Minimalismus. Spielzeiten

“There is so much to do”, sagt Daniel. Später wird er auch James, William und Robert heißen und in jeder dieser Rollen vom Zug überfahren werden. So viel zu tun und trotzdem tut er fast gar nichts. Als “Daniel hit by a train” wird er einige Schritte zurückweichen und dann zu Boden fallen. Sonst nichts. 53 tragische und selbstlose Tode hat das britische Lone Twin Theatre gestern, Montag, bei den Wiener Festwochen im brut versammelt. Und sie nacheinander dem totalen Minimalismus preisgegeben.

Zuggleise, brennende Häuser und reißende Flüsse sind die beliebtesten Todesorte, aber auch Treibsand, sinkende Schiffe oder gar eine Theaterbühne wird den fünf Darstellern immer und immer wieder zum fatalen Verhängnis. Auch wenn man sich alle diese Orte freilich schon selbst vorstellen muss. “Regard the train!”, so die Aufforderung ans Publikum. Ein lauter Paukenschlag treibt die “Handlung” voran, fördert im Eiltempo eine Heldenminiatur nach der anderen zutage. Denn Helden sind sie alle, haben sie doch mit ihrem Sterben eines anderen Leben gerettet – oder es zumindest versucht.

“I saw the train. My friend didn’t. I saved my friend, but I couldn’t save myself”, heißt es dann, vielleicht sogar in einem kleinen Liedchen. Einem Liedchen vom Tod, durchaus tanzbar. Bis der nächste drankommt. “Who saw the river?” – “I did” sagt eine Todgeweihte und erzählt ihre Geschichte. “This is me in the river.” Hängender Kopf und Arme – mehr Schauspiel braucht es bei der nicht ganz zur Unkenntlichkeit reduzierten Theatersprache der Lone Twin-Masterminds Gary Winters und Gregg Whelan nicht.

Sie entspricht der entwaffnenden Schlichtheit der Vorlage. Das “Watts Memorial of Heroic Deeds” in der Londoner Innenstadt besteht aus 53 Gedenktafeln, die an selbstlose Taten mit Todesfolge erinnern. “Thomas Simpson, starb an Erschöpfung nachdem er das Leben vieler Menschen beim Einbrechen des Eises am Highland Pond gerettet hatte”, zum Beispiel. Antoine Fraval, Guy Dartnell, Molly Haslund, Nina Tecklenburg und Paul Gazzola stellen so viel dar, wie sie wissen: einen Moment der letalen Erschöpfung.

So viele Tode sterben, dass selbst das wahre, anonyme Heldentum zur absurden Farce wird, scheint das Ziel des Abends zu sein. Oder doch, wie im Programmheft ausgewiesen, das Bemühen zu ehren? Auch nach 53 Toden gibt es darauf keine Antwort. “Don’t you people have a home to go to?” wird man relativ bald gefragt. Wenige gingen tatsächlich irgendwo in den Dreißigern. Und wer das Experiment bis zum letzten Mann mitmachte – der konnte immerhin sicher sein, dass wirklich keiner übrig blieb. [Maria Handler/APA]

“Daniel hit by a train” – Spielzeiten

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