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Links um!?

©APA/ROBERT JAEGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Michael Ludwig weicht mehr denn je von türkis-blauer Migrations- und Integrationspolitik ab. Aber auch von sozialdemokratischer, sofern es eine solche überhaupt gibt.

Michael Ludwig hat in den vergangenen Wochen mehrmals aufhorchen lassen: Der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzende spricht sich für einen erleichterten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft aus, lehnt das Veto von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gegen einen Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien ab und tritt für eine beschleunigte Arbeitsmarktintegration von Asylwerbern ein.

Was will er? Geht er mehr und mehr zu dem über, was gemeinhin als linke Politik bezeichnet wird? Auffallend ist, dass er sich deutlicher denn je auch von eigenen Genossinnen und Genossen unterscheidet: Dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskoszil entspricht das, was er da fordert, alles in allem eher weniger. Und die Chefin der Bundes-SPÖ, Pamela Rendi-Wagner, unterstützt das Schengen-Veto im Unterschied zu ihm sogar ausdrücklich.

Dieser Widerspruch zwischen Ludwig und Rendi-Wagner überraschte ganz besonders: Immerhin ist er noch immer ihr wichtigster Unterstützer. Ohne ihn würde sie sich schwertun, sich zu halten. Es geht ihm jedoch nicht darum, auf Distanz zu ihr zu gehen.

Wichtiger sind ihm zwei ganz andere Dinge: In Wien gibt es eine wachsende Mitte-Links-Mehrheit. Zum Ausdruck gekommen ist das zuletzt beispielsweise bei der Bundespräsidenten-Wahl. Alexander Van der Bellen erreichte in der Stadt mehr als 65, Dominik Wlazny über zehn Prozent der Stimmen. Zusammen kamen sie auf mehr als drei Viertel davon. Für FPÖ-Mann Walter Rosenkranz etwa blieben rechts der Mitte – bei zumindest zwei Mitbewerbern – gerade einmal 10,4 Prozent.

Da trifft es sich gut für Michael Ludwig, dass er Nützliches mit Vernünftigem verbinden kann: Indem er sich so klar von türkisen und blauen Zugängen zur Migrations- und Integrationspolitik unterscheidet, umwirbt er diese Mitte-Links-Mehrheit nur umso deutlicher. Das sollte nicht zum Schaden sein für ihn und seine Partei.

Im Übrigen aber leben so viele nicht-österreichische Staatsangehörige und Asylwerber in der Stadt, dass pragmatische Antworten überfällig sind: Beschleunigte Einbürgerungen unter strengen Auflagen (z.B. Deutschkenntnisse) wären ein Beitrag zu einer besseren Integration. Grund: Wer den rot-weiß-roten Pass hat, fühlt sich eher zugehörig.

Daneben gibt es einen wachsenden Arbeitskräftemangel. Es ist daher naheliegend, ihn auch mit Asylwerbern zu bekämpfen, die eine Aussicht haben, bleiben zu dürfen. Zumal das kein Widerspruch zu einer konsequenten Flüchtlingspolitik ist: Wer einmal hier ist und in aller Regel ohnehin nie abgeschoben wird, sollte gefälligst hackeln dürfen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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