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Life Ball: Politisch von gestern

©APA/AFP/ALEX HALADA
Gastkommentar von Johannes Huber. Das Ende des schrillen Events ist bezeichnend für die politischen Veränderungen in Stadt und Land.

Pompös solle der allerletzte Life Ball werden, der am 8. Juni vor und im Wiener Rathaus über die Bühne geht, weiß die „Krone“. „Heute“ berichtet, dass Red Bull und Circus Roncalli dem Event unter dem Motto „United in Diversity“ Flügel verleihen werden: Drinnen sollen unzählige Spiegel für einen Hauch von Orient sorgen und draußen soll ein Riesenrad zum Hingucker werden.

Erfahrungsgemäß wird jedoch etwas ganz anderes im Vordergrund stehen. Menschen nämlich, die sich so schrill schminken, kleiden und geben, dass die einen das als faszinierend weltoffen und die anderen einfach nur als obszön bezeichnen werden. Jede sexuelle Orientierung ist nicht nur erlaubt; sie wird hier auch in so ziemlich einzigartiger Art und Weise demonstriert.

Der Life Ball ist in jeder Hinsicht Ausdruck einer Epoche: Ohne AIDS hätte es ihn nicht gegeben; er ist dazu da, Spenden für Organisationen zu sammeln, die HIV-Positiven sowie Erkrankten helfen. AIDS steht für eine gewisse Freizügigkeit. Mittlerweile scheint es weniger zu helfen zu geben und so sind Ballchef Gery Keszler große Unterstützer abhandengekommen: Vor diesem Hintergrund könnte man von einem logischen Ende sprechen und das Thema erledigen.

Es gibt jedoch noch eine andere, eine politische Dimension: Der Life Ball passt nicht mehr zu den politischen Verhältnissen in Stadt und Land. Beziehungsweise die politischen Verhältnisse in Stadt und Land passen nicht mehr zum Life Ball. Je nachdem, wie man es sieht.

Der erste Ball hat am 29. Mai 1993 mit tatkräftiger Unterstützung des damaligen Bürgermeisters Helmut Zilk stattgefunden. Typisch, könnte man sagen: Zilk hat allerhand ermöglicht. Unter ihm bekam vieles einen Platz in der Stadt. Vielleicht ist sie auch von daher aufgeblüht. Michael Häupl hat ein bisschen etwas davon weitergeführt. Unter Michael Ludwig ist jedoch Schluss damit. Ludwig ist kein Mann der Extreme, sondern des Durchschnittsbürgers. Ruhe, Beschauligkeit und Stabilität sind ihm wichtig. Der Life Ball ist ein Widerspruch dazu.

Zwischen der Bundespolitik und der Veranstaltung kriselt es schon länger. 2017 gab es laut „Profil“ unter dem damaligen Kanzler Christian Kern (SPÖ) und seinem späteren Nachfolger Sebastian Kurz (ÖVP) einen Konflikt um eine Unterstützung des Balls. Kern hat ihn gerne als große Bühne genossen. Wie auch immer: Die FPÖ-freundliche Website „unzensuriert.at“ interpretierte das Ergebnis so: „Liebesentzug der Schwulen und Lesben für Sebastian Kurz.“

Mit Nicht-Heterosexuellen haben es die Freiheitlichen nicht so, um es vorsichtig zu formulieren. Die Homo-Ehe versuchten sie bis zuletzt zu verhindern. Und die Anerkennung eines dritten Geschlechts erschwert ihr Innenminister Herbert Kickl trotz eines Urteils des Verfassungsgerichtshofes gerade, wo er kann.

Ja, politisch ist der Life Ball von gestern: Er passt nicht mehr zu den Regierenden bzw. die Regierenden passen nicht mehr zu ihm. Und zumal sie Mehrheiten hinter sich wissen, ist es unmöglich für ihn geworden, sich zu behaupten.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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