Lieber „Bussi Baby“ oder „Ode an Wien“?
Lustenau. Auf Frühaufsteher, die das gesamte Programm ab 12.45 Uhr absolvieren wollten, wartete am Freitag ein langer Festivaltag mit österreichischem Schwerpunkt. Traditionell startete der zweite Festivaltag mit dem Auftritt des Jazzseminares Lustenau. Das Festival am Alten Rhein wurde 1990 von Musikern des Jazzseminars mit dem Ziel gegründet, jungen Talenten eine Bühne zu geben. Dem blieb man sich bis heute treu, davon zeugten auch die Auftritte von „Uh! Batman“ („Who the fuck is Superman?“), den Lustenauern „Tight Ships“, die ihre Songs mit Botschaft ins Publikum schleuderten oder eben dem Auftritt der Band des Jazzseminars.
Viel Liebe mit Blumengarten
Das Lineup der lokalen Künstler wurde vom deutschen Duo Blumengarten unterbrochen. Mit gefühlvollen Songs über die Themen des Erwachsenwerdens fanden sie ihr Publikum und sorgten schon am Nachmittag für viel Liebe auf dem bereits gut gefüllten Konzertgelände. Wer den weichgespülten Sound mit etwas härteren Klängen tauschen wollte konnte zum Szene Pavillon ausweichen, dort wurden Gitarre und Schlagzeug vom Duo „Schmärza“ ordentlich malträtiert.
Nachdem die Performance von Dante Yn und der Hyperpop von Ness vom jüngeren Publikum gefeiert wurden, betraten mit Amistat drei Vollblutmusiker die Hauptbühne und sorgten für etwas ruhigere Stimmung. Um zu dritt einen vollen Sound liefern zu können bediente jeder von ihnen mehr als ein Instrument - und das meist gleichzeitig. Egal ob Piano und Trommel, Gitarre, Basedrum und Tambourin mit dem Fuß, oder abwechselnd Schlagzeug, Bass und Geige, jedes der Instrumente wurde virtuos beherrscht. Auch ihnen selbst dürfte der Auftritt gefallen haben, denn Bandmitglied Josef Prasil strahlte, als wäre es sein erster Auftritt.
Salò - ein Hauch von Drahdiwaberl
Salò ist offen, ehrlich und treffsicher. Wenn man eine österreichische Version des Punk benennen müsste, wäre sein Name sicher ganz oben auf der Liste. In den Texten des Mannes, der in einem Interview einmal von sich behauptete, wenn er eine Schriftart wäre, wäre er Comic Sans, vermutet man immer eine kritische Botschaft zwischen den Zeilen. Doch selbst wenn diese fehlt, sein raues, ehrliches Konzert war jedenfalls eine Wohltat und eine willkommene Abwechslung zu den glatten Performances zuvor. Es wehte mehr als nur ein Hauch von Drahdiwaberl über die Bühne. Wer den Auftritt verpasst hat, sollte sich unbedingt den 14. Dezember rot im Kalender anstreichen, denn da kommt Salò noch mal nach Vorarlberg ins Conrad Sohm.
Energie Pur mit Wanda und Bibiza
Bevor die österreichischen Rock-Aushängeschilder loslegten, wurden noch die ersten Bands für nächstes Jahr verkündet: Provinz, Yung Hurn, 01099 und Ennio stehen bereist als Shows fest.
Mit unbändiger Energie rockten anschließend Wanda als Hauptact des Abends das Festival und trugen so zu einem unvergesslichen Feier-Tag bei. Vor der „Alter Rhein-Bühne“ drängte sich das Publikum, als sie gleich zu Beginn mit ihrer Hymne „Bologna“ loslegten. Das Publikum sang aus voller Kehle mit, doch schon während der nächsten Nummern lichteten sich die Reihen. Schade, denn die Band steigerte sich mit Fortdauer des Konzertes und Michael Marco Fitzthum, aka Marko Wanda verausgabte sich wie immer bis zum letzten Ton.
Bibiza meisterte die Herausforderung, nach Wanda aufzutreten, mit Bravour. Der sympathische Künstler, der mit seiner „Ode an Wien“ die authentischste Liebeserklärung an die Hauptstadt im Osten seit dem unvergesslichen Falco schuf, fand mit dem Album „Wiener Schickeria“ seine eigenen Sound, der getrost als eine logische Weiterentwicklung des großen Wiener Musikers bezeichnet werden kann. Mit dabei war auch der brandneue Song „aufnimmawiederschaun“. Das Konzert war mit Sicherheit eines der besten am diesjähren Open Air, nur leider viel zu kurz, da Bibiza die Bühne für Marsimoto räumen musste.
Abschiedstournee von Marsimoto
2024 wird nicht nur Slim Shady, das Alter Ego von Eminem (allerdings nicht am Szene-Openair) verabschiedet, auch Marsimoto begibt sich auf seine Abschiedstour. Seinen eigenen Worten nach braucht es den dauerbekifften Anarchisten durch die Graslegalisierung in Deutschland nicht mehr. Marten Larciny, so der bürgerliche Name von Marsimoto aka Marteria, lieferte für eine üppige Performance mit viel Laser, Licht und Show und das begeisterte Publikum wollte Marsi trotz einsetzendem Starkregen nicht gehen lassen.
Text: Dietmar Palmetzhofer