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"Liebe Tod Einsamkeit": Munchs Druckgrafiken in Albertina

Munch "zieht" in der Albertina, weiß Direktor Schröder
Munch "zieht" in der Albertina, weiß Direktor Schröder
Mit Edvard Munch (1863-1944) feierte die Wiener Albertina 2003 ihre Wiedereröffnung. 260.000 Besucher und damit "mehr, als die Albertina gesamt zehn Jahre zuvor hatte" lockte die große Retrospektive an, erinnert sich Direktor Klaus Albrecht Schröder. Zwölf Jahre später nimmt sich das Haus abermals des norwegischen Meisters an und stellt mit "Liebe Tod Einsamkeit" Munchs Druckgrafiken ins Zentrum.


An selber Stelle wie “Thema und Variation” 2003 – in den zehn fensterlosen, aufeinanderfolgenden Räumen der Propter-Homines-Halle – führt die Schau ab morgen, Freitag, vor Augen, wie weit Munch seiner Zeit in punkto Themensetzung und formalem Interesse voraus war. 100 Leihgaben aus einer internationalen Privatsammlung, darunter vorrangig Unikate, zeugen von der Experimentierfreudigkeit Munchs, der sich schon Mitte der 1890er Jahre neben seiner Malerei intensiv mit der Druckgrafik auseinandersetzte. Fertigte er zunächst spiegelbildliche Fassungen seiner bereits bekannten Sujets und Gemälde wie “Der Schrei”, “Madonna” oder “Melancholie” an, variierte er diese in weiterer Folge.

Auf diesem Gebiet, so Kurator Dieter Buchhart bei einer Presseführung am Donnerstag, habe der Vorreiter des Expressionismus seine “innovativsten Leistungen” erzielt. Mit Radierungen, Lithografien und Holzschnitten arbeitend und letztere beide oft kombinierend, integrierte er früh Holzmaserungen und experimentierte von einer Fassung zur nächsten. So gab er vom Zufall bestimmte Farbaufträge, erweiterte einzelne Abzüge mit Papierschablonen und kolorierte u.a. mit Pastell, Farbkreide und Öl nach. Mehrere Holzschnitt-Varianten von “Der Kuss” zeigen etwa, wie Mann und Frau durch verstärkte Holzmaserung immer mehr zu einer Silhouette verschmelzen. Und der Farbholzschnitt “Zwei Menschen. Die Einsamen” setzt Mann und Frau in gleich sechs Farbkombinationen in unterschiedlichste Relationen zu der sie umgebenden Landschaft.

Einsamkeit, Liebe und Tod ziehen sich dann auch wie ein roter Faden durch Munchs “Lebensfries”, jener Reihe zusammengehöriger Bilder, die eine zentrale Stellung in seinem Schaffen einnimmt und nicht weniger als die existenziellen Fragen des Menschseins ergründet. “Du sollst dein eigenes Leben schreiben” war ein Gebot der Boheme von Kristiania, dem heutigen Oslo, der Munch angehörte. Es steht am Beginn der Schau, die anhand Munchs “Lebensfries” den Lebenszyklus von der Befruchtung (“Madonna”) über die unsichere Jugend (“Junge Frau am Strand”) bis zur Vereinigung von Mann und Frau (“Der Kuss”), die in Verzweiflung endet, hin zu Krankheit (“Das kranke Kind”) und Tod (“Am Totenbett”) nachzeichnet. Biografisches, darunter frühe Schicksalsschläge innerhalb der Familie und tragisch endende Liebesbeziehungen, flossen in Munchs Werke ebenso ein wie “epochisch Typisches” aus dem Zeitalter der Industrialisierung, erläuterte Schröder.

“Es ist wahrscheinlich die schönste Druckgrafikausstellung, die es jemals gegeben hat”, ist Schröder überzeugt, hätten andere Museen doch weder den Platz noch die Möglichkeiten, 100 ausgewählte Werke auf 1.000 Quadratmetern zu präsentieren. Die großzügige Anordnung lässt auch viel Platz für Munchs dichterisches Werk, “das weit über das Dargestellte hinaus geht”, so Schröder. So viel Interpretationsraum die symbolgeladenen Illustrationen lassen, so klar sprechen Munch und seine Zeitgenossen in auf die Wände gedruckten Zitaten von Vergänglichkeit, der Bedrohung des Individuums und der schwierigen Kommunikation zwischen Mann und Frau. Den zweiten Blick auf in manchem Bild vorerst Verborgenes aber ersetzen sie nicht.

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