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Libro-Rettberg: "Die Bilanz konnte ich nicht lesen"

Der frühere Libro-Chef Andre Rettberg hat sich heute bei seiner Einvernahmen als Angeklagter im Libro-Strafprozess als weitgehend Unwissender der finanziellen Vorgänge im von ihm geleiteten Unternehmen präsentiert. "Die Bilanz konnte ich nicht lesen", sagte Rettberg bei seiner Einvernahme durch Richterin Birgit Borns im Wiener Neustädter Landesgericht.
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Rettberg bekommt Niedrigeinkommen
"Außen hui, innen pfui"

Weiters wies Rettberg die Verantwortung für die Geldflüsse zurück. Dafür seien andere zuständig gewesen, verwies Rettberg auf seinen früheren Finanzvorstand und Mitangeklagten Johann Knöbl und die anderen Angeklagten. Während diese “hohes Fachwissen” besäßen, sei seine einzige Ausbildung die eines “Buchhandelsgehilfen”, versuchte er seine Rolle als unwichtig darzustellen.

Richterin Borns fragte Rettberg mehrmals zu seinem Gehalt. Als Libro-Vorstand noch in Wlascheks Reich habe er 120.000 Schilling im Monat verdient, plus Prämien. “War das dann nicht überbezahlt”, wunderte sich die Richterin. “Wlaschek hat gemeint, dass ich das verdiene, da müssen Sie ihn fragen”, konterte Rettberg – er habe ja “Visionen” für das Unternehmen gehabt. Als Libro-Generaldirektor habe er 250.000 Schilling Brutto im Monat verdient, der Finanzvorstand habe etwas weniger erhalten. “Warum war das wohl so?”, zeigte sich die Richterin neugierig. Er selber habe als Generaldirektor ja nur die Bilanz und die Zahlenwerke unterschrieben, die ihm vorgelegt wurden, verteidigte sich Rettberg. “Ich bin kein Bilanzbuchhalter, natürlich muss ich das unterschreiben, aber ich weiß nicht was in dem Bereich das Gesetz ist, dafür hatte ich Beauftragte, die mehr wissen als ich”, verwies er auf Finanzvorstand und Wirtschaftsprüfer. “Aber wer verlässt sich da auf wen?” hakte die Richterin nach.

Die Befragung begann mit der Schilderung von Rettbergs schnellem Aufstieg bei Libro. In der Ausbildung habe er nur fünf Klassen Gymnasium, die letzte habe er wiederholt, weil er vieles, etwa Mathematik, einfach nicht verstanden habe. In der Arbeit hingegen sei er erfolgreich gewesen, weil er hohes Engagement gezeigt und die Kundenbedürfnisse verstanden habe, versuchte sich Rettberg rein als Verkäufer zu präsentieren. Nach der Buchhandelslehre hatte er 1978 bei Libro angefangen, damals im Wirtschaftsimperium von Karl Wlaschek (Billa). Schon 1984 sei er von Wlaschek mit der Sanierung des Verkaufs beauftragt worden, 1986 wurde er Prokurist, 1987 Geschäftsführer – unter Leitung eines anderen, wie Rettberg betonte.

Der rasche Aufstieg eines Buchhändlers innerhalb des Billa-Konzerns sei damals eben möglich gewesen, so Rettberg. Ohne irgendwelche Zusatzausbildung, wollte die Richterin wissen. “Leider nein”, bedauerte Rettberg, er habe nur ein “Gespür für die Kunden” gehabt. Mehr sei auch nicht notwendig gewesen, da das gesamte Rechnungswesen damals vom Billa gemacht worden sei. Beim Verkauf von Billa an Rewe habe er sich mit dem Umbau der Bipa/Libro-Filialen befasst und nicht mit den Deutschland-Filialen von Libro.

Die Filialen von Libro in Deutschland hatten Verluste gemacht, weil sie zu klein waren, um die Marketing-Kosten hereinzuspielen. Damit habe er sich aber nicht befasst, weil er 1995/96 mit der Umsetzung von Wlascheks Wünschen beschäftigt gewesen sei, so Rettberg: “Da gabs keine Ausreden, Wlaschek wurde sonst stinkwütend”, daher habe er kein Augenmerk auf Deutschland gelegt.

Auch beim Kauf von Libro habe er alles den “Experten mit Fachwissen” überlassen, so Rettberg, obwohl er selber sich auch an Libro beteiligt habe. Die Idee zur Einschaltung der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft UIAG sei von der Hausbank eines Bekannten gekommen, er selber habe gar nicht gewusst, was die UIAG so mache.

Als Libro aus dem Wlaschek-Imperium herausgekauft wurde, beteiligte sich Rettberg selber mit 1 Prozent der Anteile, die er für 6 Mio. Schilling erwarb. Die Finanzierung seines Anteils war in Eigenfinanzierung mit Agio und Fremdfinanzierung durch ein Gesellschafterdarlehen geteilt, zeigte sich der Buchhändler bei der Einvernahme doch etwas informiert. Eigentlich habe er 25 Prozent kaufen wollen, ein geplantes Incentive-Programm sei aber nicht realisiert worden.

Für den Börsengang im November 1999 wurde die Libro-Bilanz gefälscht, so die Anklage. Die Deutschland-Filialen seien trotz Verlusten in die Tochter Libro Managementgesellschaft eingebracht und in der Beteiligung massiv aufgewertet worden. “Stiassny hat mir erklärt, bei Einbringung direkt in die Libro AG hätte man eine Unternehmensbewertung machen müssen”, so Rettberg. Bei der Bewertung – die Libro Deutschland wurde mit 140 bis 160 Mio. Schilling taxiert – sei es um künftige Erträge gegangen. “Das ist eine Vision und eine Hoffnung, aber kein Wert!”, warf die Richterin ein. “Aber das ist keine Luft, die Pläne waren realistisch”, so Rettberg.

Der Grund für den Downstream-Merger, wo also die Tochter (Libro) die Mutter (UDAG) übernommen hatte, sei ihm von Stiassny so erklärt worden, dass eine Holding an der Börse keine Chance habe. Außerdem hätte man sonst die Arbeitsverträge neu gestalten müssen. Er selber “würde sich nicht zutrauen, eine Bilanz zu lesen”, “Für mich war es der erste und der einzige Börsengang, ich wusste gar nicht, wie das vonstatten ging”, verteidigte sich Rettberg. “Sie putzen sich immer ab”, meinte die Richterin.

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