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Leto - Kritik und Trailer zum Film

Kirill Serebrennikow nähert sich in "Leto" dem russischen Rockmusiker Viktor Tsoy, der in den 1980ern zum Jugendidol aufstieg. Im Film begleitet man den noch unerfahrenen, aber sehr ehrgeizigen Künstler, wie er auf bald befreundete Mitstreiter trifft, seine ersten Auftritte abliefert und sich mit einem Kollegen und dessen Frau in einer eigenwillig harmonischen Dreiecksbeziehung wiederfindet.

Die Haare sind lang, die Musik ist laut, und jeder will einfach sein Ding durchziehen: Der immer noch unter Hausarrest stehende russische Regisseur Kirill Serebrennikow hat mit dem Musikerbiopic “Leto” über Viktor Tsoy einen ziemlich leichtfüßigen Film abgeliefert, der mehr vom Sound lebt als von politischen Untertönen. Ab 14. Dezember ist die durchaus gelungene Arbeit im Kino zu sehen.

Leto: Kurzinhalt zum Film

Seit mehr als einem Jahr kann Serebrennikow seine Moskauer Wohnung nicht mehr verlassen – kein Kontakt zur Außenwelt, auch das Internet ist tabu, mit wenigen Menschen darf er telefonieren. Vorgeworfen wird dem Künstler, dass er mit seiner Produktionsfirma Fördergelder unterschlagen habe. Eine Gerichtsverhandlung reiht sich an die nächste, und der internationale Protest gegen die Inhaftierung hat durchaus prominente Fürsprecher.

Dennoch ist “Leto” (Sommer) kein dezidiert politischer Film geworden, wiewohl Serebrennikow ihn in seinen eigenen vier Wänden erst fertiggestellt hat. Darin erzählt er sehr frei die Geschichte des bekannten russischen Rockmusikers Viktor Tsoy, der mit seiner Band Kino in den 1980ern große Erfolge feierte. Ihn verkörpert der deutsch-koreanische Schauspieler Teo Yoo mit viel Zurückhaltung als wortkargen, aber durchwegs charismatischen Künstler, der zu keinen Kompromissen bereit ist.

Dabei wirkt jener Sommer 1980 in Leningrad geradezu wie ein Klischee von Aufbegehren mit musikalischen Mitteln, von Freiheit und Freundschaft, von der Sehnsucht der unter dem strengen Regime leidenden Jugend nach popkulturellen Ausprägungen des Westens. Im Herz der lose verbundenen Clique steht Mike Naumenko (betont cool: Roman Bilyk), der mit seiner Gruppe Zoopark bereits erste Erfolge feiert und im städtischen, von der Zensur überwachten Rockclub für Begeisterungsstürme sorgt – wenngleich unter dem strengen Blick der Staatsmacht alles zum braven Sitzkonzert verkommt.

Er und seine Freundin Natasha (Irina Starshenbaum) werden für Tsoy bald mehr als nur eine Ersatzfamilie, hier entspinnt sich eine Dreiecksbeziehung, die primär harmonisch abläuft. Wie auch die sonstige Erzählung, an der Wegbegleiter von Tsoy teils kein gutes Haar ließen und sie als ungenau kritisierten, eher gemächlich dahin plätschert. Laue Abende am See werden konterkariert mit stickigen Aufnahmen im engen Proberaum, die unzähligen Partys in Privatwohnungen treffen auf die eigenwillige Theatercharakteristik des Clubs.

Leto: Die Kritik

Und doch versteht es Serebrennikow, seinem Film einen eigenen Twist zu verleihen. Dafür bedient er sich zweierlei Dinge: Einerseits unterbricht er die Handlung mit musikvideoartigen Montagen, in denen die Protagonisten Songs wie “Psycho Killer” von den Talking Heads oder “Passenger” von Iggy Pop zum Besten geben. Es ist ein Ausbruch aus gesellschaftlichem System wie filmischer Struktur, durchzogen von sprunghaften Animationen, begleitet von einem quasi als Erzähler auftretenden jungen Mann, der immer wieder festhält: “Das ist alles nie passiert.”

Und zweitens lässt Serebrennikow die Musik ihre Wirkung entfalten. Gefühlt die Hälfte des Films darf das Publikum westlichen Hits oder der Erarbeitung des eigenen Sounds in Russland lauschen, hört man zurückgenommene Akustikversionen, dann wieder die volle Kraft von E-Gitarre und Co. Dieses bis auf wenige Zwischenszenen gänzlich in schwarz-weiß gehaltene Biopic wird so letztlich mehr eine atmosphärische Annäherung an eine Zeit, in der der Aufbruch bereits spürbar war. Zudem ist es eine letztlich wunderschön eingefangene Geschichte von Liebe, Freundschaft und der Macht der Musik.

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(APA/Red)

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