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"Les Adieux" und doch kein Abschied

©© Bilderbox
Bei den Wiener Festwochen 2007 hatte Friedrich Cerha das Klangforum Wien zum letzten Mal offiziell dirigiert. Der Komponist Cerha vertraut seine Schäfchen aber noch allemal dem Ensemble an, Dienstagabend etwa die österreichische Erstaufführung von "Les Adieux (Elegie)".

Das Pult überließ er dabei Johannes Kalitzke, der noch zwei weitere Erstaufführungen wie ein eigenes Werk im Programm hatte. Die Begeisterung im Publikum blieb nicht aus, zumal sich das Konzert von Stück zu Stück steigerte und das Klangforum Präsenz wie Präzision bewies.

Visionslos geriet nur der Beginn des zeitgenössischen Reigens, der den Titel “Die Poeten” trug: Der noch junge Aureliano Cattaneo hatte sein Werk “Latidos” beigesteuert und warf damit einen Mix serieller Neurosen unter das Publikum, das damit nur wenig anzufangen wusste. Das polyrhythmische Geflecht mit schrillen Klangfarben griff nicht und schaffte es kaum, dem Status des Experiments zu entfliehen. Achtungsapplaus gab es für den – wie auch alle anderen – anwesenden Komponisten allemal.

Die Stimmung sollte sich bei Michael Reudenbachs “Stück=Werk” umkehren. Seine kammermusikalischen Miniaturen, die – wie es der Schöpfer angibt – in beliebiger Reihenfolge gespielt werden können, zeigten trotz sparsamer Gestaltung größte Wirkung. Schon fast eine Portion Altersweisheit macht sich hier bei dem erst 52-Jährigen Komponisten bemerkbar. Dazu Motive von fast klassischer Eleganz, vor allem jenes der Trompete, umgesetzt in großartiger Kontrolliertheit von Anders Nyqvist.

Dann das Heimspiel: Cerhas “Les Adieux” (2005), das seine Uraufführung im vergangenen Jahr bei der Biennale in Venedig erlebt hatte. Der Titel verrät auch, so der Komponist, dass bei der Urfassung des Stücks der Abschied von etlichen Dogmen zeitgenössischer Musik vollzogen wurde. Schwebende Piano-Teppiche werden von fast affektartigen Tutti-Attacken, die so schnell wieder verschwinden wie sie aufgetaucht sind, vorangetrieben. Der Stoff aus dem Herzinfarkte sind. Cerha bewies sich abermals als Meister zwingender Strukturen und einer Herangehensweise alter Schule.

War früher “Cerha dirigiert Cerha” beim Klangforum keine Seltenheit, folgte nun “Kalitzke dirigiert Kalitzke”. Nämlich das nicht unwitzige “Wanderers Fall”, dass etliche Reminiszenzen an Schubert und Zeitgenossen enthielt. Als Textvorlage dienen dabei Walter Raffeiners subtil-sarkastische Gedichte (“Einsam stand ein Wanderer. Doch plötzlich kam ein anderer.”). Den Baritonpart übernahm bravourös Otto Kalitzke, und das als “bloßer” Einspringer für den erkrankten HK Gruber. Ein furios-komischer und doch sinnlicher Schluss für einen weiteren Versuch, Zeitgenössisches in die Wiener Walzerseligkeit zu schummeln. Trotzdem hatten wieder wenige Besucher das Konzert nach der Pause verlassen. Der Rest zeigte sich naturgemäß begeistert.

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