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"Lernt das Leben unglaublich zu schätzen"

Robert Ritter ist ehrenamtlicher Hospiz-Mitarbieter und begleitet nicht nur Sterbende auf ihrem letzen Weg, sondern leistet auch Alten und Kranken Gesellschaft.
Robert Ritter ist ehrenamtlicher Hospiz-Mitarbieter und begleitet nicht nur Sterbende auf ihrem letzen Weg, sondern leistet auch Alten und Kranken Gesellschaft. ©W&W/Förtsch
Wer mitten im Leben steht, denkt nicht gern an den Tod. Robert Ritter (36) tut das – in seinem Ehrenamt beim Hospiz.

Von Anja Förtsch (Wann&Wo)

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Robert Ritter hat schon viel Schweres gesehen. Menschen, die an Demenz leiden und sich langsam aber stetig selbst verlieren. Menschen, die für den Job nach Vorarlberg gezogen sind und nun niemanden haben, der sie im Krankenhaus besucht. Menschen, die noch nicht einmal 40 Jahre alt sind und denen die Multiple Sklerose schon jetzt ein normales Leben unmöglich macht. Und dann auch die Menschen, die sich unweigerlich auf ihrem letzten Weg befinden. Das alles erlebt der 36-Jährige freiwillig. Seit nun sieben Jahren. Denn Robert ist ehrenamtlicher Hospizmitarbeiter. „Manche von ihnen habe ich mehrere Jahre lang begleitet, manche nur einige Wochen“, erzählt er im Gespräch mit WANN & WO.

„Das berührt einen sehr“

Das Soziale hat Robert schon früh interessiert: „Ich wollte immer schon einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen. Aber eben nicht einfach nur in der Freiwilligen Feuerwehr oder so“, erinnert er sich. „Im Zivildienst habe ich dann erstmals von der Hospizarbeit gehört.“ Nach einigen längeren Überlegungen geht der damals 29-Jährige zu einem Info-Abend. „Und ab da war ich dabei.“ Er absolviert den Befähigungskurs sowie ein Praktikum und ist schließlich der zu dieser Zeit jüngste ehrenamtliche Hospiz-Mitarbeiter. Seine Aufgaben ist es dabei nicht nur, wie oft angenommen wird, Menschen die Hand zu halten, bis sie einschlafen. „Es ist immer unterschiedlich. Mit manchen von ihnen rede ich, mit manchen spiele ich Karten, mit manchen singe ich Lieder“, erklärt Robert. Daneben gibt es aber auch noch das sogenannte stille Aushalten: „Da sitze ich wirklich nur mit den Menschen da und wir schweigen gemeinsam. Das kann schon sehr schwierig sein, auch weil man sich fragt, ob diejenigen einen überhaupt wahrnehmen oder man willkommen ist.“ Der Bregenzerwälder erinnert sich an die Begleitung eines alten Mannes, der gute zwei Stunden lang nicht signalisierte, sich über seine Gesellschaft zu freuen. „Schließlich dachte ich, er wolle, dass ich gehe. Und als ich gerade aufstand sagte er zu mir: ‚Bitte bleib doch noch.‘ Das berührt einen sehr.“ Beim unmittelbaren Sterben war Robert in seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Hospiz-Mitarbeiter noch nicht dabei. „Da werden ja oftmals die Angehörigen oder Zugehörige informiert und gerufen. Was wir Ehrenamtlichen tun, ist vielmehr eine Entlastung für die Familie, die ja freilich nicht rund um die Uhr oder teils auch nicht täglich bei den Menschen sein kann.“ Rund 20 Stunden ist Robert im Monat im Einsatz, dieser dauert im Schnitt etwa zwei Stunden und es gibt auch mal Nachtbegleitungen. Dennoch ist der Dienst vollkommen kostenlos, wie Robert schildert. „Viele können das gar nicht glauben. Aber es geht nicht ums Geldverdienen, es ist kein Job.“ Und kommt vielleicht gerade deshalb so von Herzen.

Dank fürs Dasein, nicht für bestimmte Leistung

Auch wenn es sich um ein verbindliches Ehrenamt handelt und damit freiwillig ist: Die Arbeit im Hospiz kann natürlich belasten. Deshalb gibt es monatliche Austauschtreffen und regelmäßige Gruppen- oder auch Einzelsupervisionen, die in einem geschützten Rahmen stattfinden, in denen die Männer und Frauen über ihre Erfahrungen berichten und ihren Gedanken und Gefühlen Luft machen können – natürlich unter Wahrung der Verschwiegenheitspflicht. Luft machen wollen sich auch viele Menschen auf ihrem letzten Weg, wie Robert aus Erfahrung berichtet. „Da kommen viele Dinge hoch, die jahre- oder gar jahrzehntelang vergraben waren. Wir hören uns das an. Mehr nicht. Schließlich sind wir da, um die Menschen zu begleiten, nicht um über sie zu richten.“ Bei allem Schweren, das Ehrenamt gebe Robert auch viel zurück: „Man erfährt eine unverfälschte Dankbarkeit. Nicht dafür, dass man dieses oder jenes schafft. Sondern dafür, dass man einfach nur da ist.“ Und auch die eigenen Werte würden sich ganz deutlich verändern. „Es ist nicht so, dass die Angst vor dem Tod steigt, wenn man ihn so nah vor Augen hat“, erklärt Robert. „Vielmehr lernt man das eigene Leben stärker zu schätzen.“

Ehrenamtliche Hospiz-MitarbeiterInnen gesucht

Das Hospiz Vorarlberg der Caritas sucht laufend ehrenamtliche MitarbeiterInnen. Die Ausbildung (100 Theorie- und 40 Praktikumsstunden) ist für die Männer und Frauen kostenlos, sie sollten aber bereit sein, zwei Jahre lang ca. 20 Stunden im Monat zur Verfügung zu stehen. Die Ehrenamtlichen können natürlich mitbestimmen, welche Einsätze und Patienten sie übernehmen wollen. Infos und Anmeldung: Tel. 05522-200 1100, hospiz@caritas.at, www.hospiz-vorarlberg.at.

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