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Lehrer werden verheizt

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Gastkommentar von Johannes Huber. Die Spuck-Affäre hat auch ihr Gutes: Sie weist darauf hin, wo’s hapert. Pädagogen werden mit Herausforderungen konfrontiert, die sie nicht bewältigen können.

Zum Glück ist der HTL-Lehrer, der einen Schüler bespuckt, nur kurz als Aggressor dagestanden. Nach und nach wird deutlich, dass er mehrfach angegriffen wurde. Und dass es an der Höheren Technischen Lehranstalt in Wien-Ottakring ein paar halbstarke Jungs gibt, die sich selbst nicht unter Kontrolle haben und die von einem ganz gewöhnlichen Pädagogen wohl auch gar nicht gebändigt werden können.

Immerhin redet man jetzt wieder einmal über dieses Problem. Wetten aber, dass die politische Debatte morgen oder übermorgen vorbei ist? Dass Freiheitliche ihre Forderung nach Erziehungscamps genauso einpacken wie ÖVP-Ministerin Juliane Bogner-Strauß ihre Überlegung, den übelsten Knaben die Familienbeihilfe zu kürzen, oder der SPÖ-geführte Stadtschulrat ganz andere Pläne? Vielleicht ist’s aber auch besser so. Am Problem würde alles in allem ohnehin nicht angesetzt werden; im Gegenteil. Auch die „Time out“-Klassen, die das Bildungsministerium erwägt, sind alles andere als eine Wurzelbehandlung, sondern lediglich eine Notlösung, wenn gar nichts mehr hilft.

Das ist das alte Spiel: Wenn ein spektakulärer Zwischenfall, wie die „Spuck-Affäre“, öffentlich wird, gibt’s den großen Aufschrei. Doch gerade auch die Politiker, die sich am lautesten zu Wort melden, wissen ganz genau, dass es an vielen Schulen schon sehr lange brennt und dass das Feuer immer mehr um sich greift. Gelöscht haben sie nie. Also müssen sie mit ein paar zugespitzten Ankündigungen davon ablenken.

Das Problem ist folgendes: Die Gesellschaft verabschiedet sich von immer mehr Aufgaben. Eltern geben nicht nur Bildungs-, sondern auch Erziehungsaufgaben ab. Sie selbst sind erwerbstätig. Die hauptberufliche Mutter, auch genannt Hausfrau, gibt’s kaum noch, ein vergleichbarer Vater hat sich nie durchgesetzt. Bei Personen mit Migrationshintergrund kommen vielleicht auch noch mangelnde Deutschkenntnisse und eigentümliche Rollenbilder dazu. Zu viele Kinder sind auf sich allein gestellt und werden verhaltensauffällig. Auffangen soll das alles die Schule, die in der Regel nur halbtags und 39 Wochen im Jahr Gelegenheit dazu hat.

Arme Lehrer, könnte man an dieser Stelle schon sagen. Es kommt jedoch noch viel Schlimmer: Praktisch vorbreitet werden sie kaum auf das, was sie in den Klassenzimmern erwartet. Offiziell sind sie ja noch immer ehr nur dazu da, vorgegebenen Stoff zu vermitteln. Wie man aber mit mehr oder weniger schwierigen Schülern umgeht, ist nicht oder nur am Rande Teil ihrer Ausbildung, wie junge Lehrer einer Wiener Mittelschule bestätigen. Das ist ungefähr so wie eine Arztausbildung ohne Patienten. Oder ein Musikstudium ohne Instrumente. Oder eine Kellnerlehre ohne Gäste. Also geht’s bei diesen Fallbeispielen immer auch praktisch in den Sinne zu, dass arge Patienten, verstimmte Instrumente oder eben lästige Gäste ganz selbstverständlich dazugehören. Kein Wunder: Wer gelernt hat, solche Herausforderungen zu meistern, kann letzten Endes einen guten Job liefern.

Bei Lehrern gibt’s Vergleichbares nicht. Und das macht in Verbindung mit der Entwicklung zu vieler Schüler einfach nur sprachlos: Ist’s der Politik, die zuständig ist für die Rahmenbedingungen, egal? Schaut so aus.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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