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Leben im Wagen

In Simmering lebt eine Gruppe von Menschen abseits von Wohnhausanlagen in Wägen.

Im Sommer 2006 hat sich diese Gruppe zusammengefunden, mit dem gemeinsamen Ziel eine alternative Lebensform zu leben und einen Freiraum zu schaffen. Ein umweltbewusstes Leben, ein nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen, außerhalb von Konsumzwang. Im Herbst 2006 gründeten sie in Simmering in der Nähe des Zentralfriedhofs den einzigen Wagenplatz in Österreich. Konfrontiert mit mehreren Räumungsdrohungen mussten sie aber wieder weiter. Eine Privatperson ist schließlich an die Gruppe getreten und hat ihnen angeboten, ihnen ein Grundstück zu vermieten. Dieses Grundstück befindet sich ebenfalls in Simmering, zwischen Gewächshäusern und Feldern. Seit August 2007 wohnt die Gruppe dort in selbst ausgebauten Bauwägen, Bussen und LKWs und das Leben am Wagenplatz gestaltet sich gemütlich, wären da nicht die Drohungen der Baupolizei, das Grundstück zu Räumen. Auch die Umweltpolizei hat dem Wagenplatz aufgrund einer Anzeige einen Besuch abgestattet, obwohl die Bewohner ihren Müll trennen und das Abwasser regelmäßig entsorgen. Trotz des Mietvertrages auf einem Privatgrundstück am Stadtrand, werden von der Bau – und Umweltpolizei ständig Gründe gesucht, den Wagenplatz räumen zu lassen.

Doch die Bewohner wollen kämpfen. Sie wollen sich ihr Leben im Wagen nicht verbieten lassen. Zumal sie ja auch niemand stören. Wenn sie nicht auf dem jetzigen Platz bleiben dürfen, verlangen sie von der Stadt einen anderen Platz, auf dem sie ihre Wägen stellen dürfen. Eines ist den Bewohnern jedoch wichtig. Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass sie aus Armut in ihren Wägen leben. Almosen brauchen und wollen sie nicht. Viele studieren, jobben nebenbei, einer ist Internetadministrator und Jacob ist Unternehmer einer Möbelrestaurationsfirma. Auch Philipp hat sich aufgrund einer Lebenseinstellung vor einem halben Jahr dazu entschlossen gemeinsam mit seiner Freundin Xandi aus Graz nach Wien auf den Wagenplatz zu ziehen. Den Wagen, in dem die beiden wohnen haben sie gemeinsam ausgebaut. Er ist isoliert, beheizt wird er mit einem kleinen Holzofen und es gibt sogar einen Internetanschluss.

Obwohl es in dem Wagen sehr gemütlich ist, möchte Philipp seinen eigenen Wohnplatz schaffen und seinen Bus ausbauen, damit das Paar sozusagen eine „Zweizimmerwohnung“ hat.

Der 20 jährige Spanischstudent möchte nicht ewig in Wien bleiben. Er hat schon Reisen durch die Ukraine, Tschechien, Ungarn und durch die Schweiz gemacht. Eine Zeit lang hat er auf Wagenplätzen in Deutschland gelebt und möchte dort vielleicht wieder hin und nach dem Studium eine Lehre im Nutzfahrzeugbereich beginnen. An ein Leben in einer herkömmlichen Wohnung denkt Philipp vorerst aber nicht. Ihm gefällt das Leben auf dem Wagenplatz, das Miteinander und die vielfältige produktive Arbeit wie zum Beispiel das eigene Ausbauen des Wagens oder das Holzhacken. Wenn jemand Hilfe braucht, wird untereinander geholfen. „Es ist hier wie eine große WG. Jeder hat sein „Zimmer“, eben den Wagen, wo man für sich alleine sein kann und im Garten oder im Wagenplatzbeisl kann man die anderen treffen. “, meint er. Vielen gefällt das Leben auf dem Wagenplatz auch deshalb, weil sie gerne reisen und dies bei einer Wohnung auf Rädern auch jederzeit möglich ist.

Im Küchenwagen wird oft gemeinsam gekocht und den Abwasch übernimmt ein Geschirrspüler. Ebenso gibt es einen Wagen mit einer Badewanne und Waschmaschinen.

Die Bewohner des Wagenplatzes wollen nicht als eine Art Aussteiger aus der Gesellschaft gesehen werden, die mit den anderen Stadtbewohnern nichts zu tun haben wollen. Im Gegenteil, sie wünschen sich, dass andere Menschen auf sie aufmerksam werden und sehen, dass es auch eine andere Art des Stadtlebens abseits des Konsums und des kapitalorientierten Wohnungsmarktes gibt. Mit einem umgebauten Anhänger dem „Piratenschiff“ und einem Traktor fahren die Wagenplatzbewohner im Zuge von Aktionen durch die Stadt und machen auf sich aufmerksam. Bis jetzt haben die Menschen sehr positiv darauf reagiert und sich für diese Art von Lebensform interessiert. In naher Zukunft soll es auch eine eigens gestaltete Zeitung, die „Wagenpresse“ geben, die verteilt wird und Informationen über das Wagenplatzleben beinhaltet.

Durch solche Aktionen wollen die WagenplatzbewohnerInnen das Stadtleben mitgestalten bis umgestalten. Und Philipp wird mit seiner Reise noch solange warten, bis es fix ist, dass der Wiener Wagenplatz weiter existieren kann.

 

Könnten Sie sich ein Leben am Wagenplatz vorstellen?

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