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Leben im Halbdunkel

©VOL Live/Philipp Steurer
Dietmar Habisch setzt sich für die Anliegen von Sehbehinderten ein.

Mit beinahe traumwandlerischer Sicherheit bewegt sich Dietmar Habisch durch die Wohnräume. Hier kennt er jede Ecke, jede Kante, jede Stufe. Hier macht ihm seine von Geburt an starke Sehbehinderung kaum zu schaffen. Auch für bekannte Strecken wie etwa den Weg zum Bus braucht Dietmar Habisch keinen Blindenstock. „Ich kann zumindest noch Umrisse erkennen und mich deshalb etwas freier bewegen“, sagt er. Denn auch ein noch so kleiner Sehrest erweise sich immer als Vorteil. Trotzdem stößt auch er im Alltag nach wie vor auf Hindernisse. Darauf aufmerksam zu machen und eine Änderung zu erwirken hat sich Habisch mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit beim Blinden- und Sehbehindertenverband zur Aufgabe gemacht. Außerdem wirkt er als Juror beim Wettbewerb „Menschengerechtes Bauen“ mit, den VN und Ins­titut für Sozialdienste heuer zum 10. Mal ausschreiben.

Architekten ohne Einsicht

Es habe sich schon vieles zum Positiven verändert, anerkennt der Bregenzer die Bemühungen um eine barrierefreie Lebenswelt. „Gegenüber Rollstuhlfahrern sind wir aber um zwei bis drei Jahrzehnte zurück“, relativiert er im gleichen Atemzug. Bei Menschen im Rollstuhl würden die Leute eher verstehen, dass entsprechende Maßnahmen notwendig sind. Das Bewusstsein für die Anliegen von Sehbehinderten wachse dagegen langsamer. „Dabei geht es nicht nur um uns. Viele ältere Menschen haben ebenfalls ein eingeschränktes Sehvermögen“, gibt Habisch zu bedenken. Und: „Auch Sehende rennen zuweilen in Glasscheiben“, spricht er eine besondere Schwierigkeit an. Nämlich die Kennzeichnung von Glasflächen und –türen, der sich Architekten oft widersetzen.

Minimum an Wünschen

Da würden höchstens ein paar Alibi-Striche angebracht, die sogar für normal Sehende kaum bemerkbar seien, wird der beim AMS beschäftigte Beamte deutlich. Er verweist auf den Kampf, den es diesbezüglich beim neuen Hafengebäude in Bregenz gab. Schließlich wurde das Problem mittels Kunstprojekt gelöst. Überhaupt gebe es im öffentlichen Raum noch viel zu tun, meint Dietmar Habisch. Taktile Leitsysteme, Bedienungselemente mit Sprachansage in Liften, kontrastreiche Stufenmarkierungen, akustische Ampeln: Jeder Wunsch nach mehr uneingeschränkter Bewegung muss bei Ämtern mühsam begründet werden. „Dabei reicht uns eigentlich schon ein Minimum an Barrierefreiheit“, so Habisch. Wie er ist auch seine Frau Silvia stark sehbehindert. Dennoch haben sie alles weitgehend selbstständig gemeistert und sogar zwei Kinder großgezogen „ohne, dass etwas Gröberes passiert wäre“, wie Dietmar Habisch schmunzelnd anmerkt. Trotzdem ist jeder Tag eine Herausforderung an das Leben im Halbdunkel. Aber das Ehepaar Habisch hat sich gut mit seinem Schicksal arrangiert.

zur Person

Dietmar Habisch Geboren: 4. Juni 1956 in Bregenz Familienstand: verheiratet, 2 erwachsene Kinder Beruf: Beamter beim AMS Hobby: Sport

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