Dies beteuerte die Europa-Parlamentarierin in ihrer Rede. “Ich nehme die Wahl sehr gerne an, weil ich mit euch gemeinsam diese Wahl gewinnen will”, sagte Lunacek – die eingestand, dass die Entwicklung der vergangenen Wochen sie durchaus überrascht hat. Nun, da sie sich entschlossen habe, in die Wahl zu gehen, hätten sie viele gefragt: “Warum tust du dir das an? Warum springst du noch einmal in das kalte Wasser der Bundespolitik?”
Listenerste für Politik gegen “Angstmacher und Zündler”
Der Grund sei, dass sie als “Bürgerin dieses Landes” unter anderem nicht tatenlos mitansehen möchte, wie es zu einer Neuauflage einer blauen Regierungsbeteiligung kommt. Denn dieser “Dammbruch” drohe, auch weil die SPÖ eine Koalition mit der FPÖ nicht mehr ausschließe. Sie stehe nun hier, weil sie verhindern wolle, dass die Angstmacher und Zündler an die Macht kommen.
Lunacek: “Gemeinsam machen wir vieles möglich”
“Gemeinsam machen wir vieles möglich. Wir haben noch viel vor”, versicherte Lunacek. Ein wichtiges Ziel sei unter anderem, dass lesbische und schwule Paare in Österreich heiraten dürfen: “Herr Kurz, es ist 2017, schneiden sie die alten Zöpfe der ÖVP endlich ab und machen sie moderne Politik”, appellierte sie an den künftigen ÖVP-Chef, hier aktiv zu werden.
Auch die Umsetzung der Bildungsreform und der Forderungen des Frauenvolksbegehrens nannte sie als vordringliche Aufgaben. Weiters müssten dem Klimawandel “handfeste Maßnahmen” entgegengesetzt werden: “Unser aller Zukunft steht auf dem Spiel.”
Landesversammlung begann mit Wahlkampftönen
Im Wiener Austria Center hatte am Samstag wenige Stunden zuvor die 77. Wiener Landesversammlung der Wiener Grünen begonnen – die dank vorgezogener Nationalratswahl von einer Routinesitzung zur Partei-Großveranstaltung mutiert ist. Zum Auftakt gab es bereits die ersten Wahlkampftöne. Denn die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zeigte sich in ihrer Rede überzeugt: “Der Oktober wird eine Richtungsentscheidung. Die Fragen stellen sich so offen wie schon lange nicht mehr.” Es gehe darum, ob autoritäre Tendenzen oder die liberale Demokratie gewinne.
“Ich weiß, dass die Österreicherinnen und Österreicher die richtige Antwort auf die Fragen haben”, zeigte sich Vassilakou überzeugt. Wie die Antwort ihrer Ansicht nach lautet, verriet sie sogleich: “Geben sie den Grünen ihre Stimme.” Denn auf der anderen Seite würden mit SPÖ, ÖVP und FPÖ drei Parteien stehen, die nicht mehr auseinanderzuhalten seien: “Es ist ihnen gleichgültig, wie regiert wird, Hauptsache sie regieren.”
Grünen-Landesversammlung: Vassilakou-Kritik an Kurz
Der designierte ÖVP-Obmann Sebastian Kurz etwa sei, so befand Vassilakou, ein skrupelloser Opportunist. SPÖ-Kanzler Christian Kern würde wiederum nicht zögern, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zum Vizekanzler zu machen. Die grüne Frontfrau in Wien – die formal keine Parteichefin ist – zeigte sich aber zuversichtlich: “Das Pendel schwingt zurück in Europa.” Viele hätten genug von “Hetzern und Opportunisten”: “Wir brauchen euren Hass und euren Geifer nicht.”
Lob gab es für Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek: “Sie ist eine große Europäerin, die ich ganz oben sehen will, als Ministerin, als Vizekanzlerin und – warum so bescheiden tun – auch als Bundeskanzlerin.”
Überraschungen auf vorderen Listenplätzen
Auch für den vierten Listenplatz brauchte es drei Wahlgänge. Schließlich setzte sich Koza, Vorsitzender der Unabhängigen Gewerkschafter im ÖGB, gegen Zinggl durch. Zinggl hatte sich in den vergangenen Monaten gegen das von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou vorangetriebene Hochhausprojekt am Heumarkt engagiert, warb in seiner Rede auf der Landesversammlung am Samstag allerdings für Geschlossenheit im Vorfeld der Nationalratswahl. Letztendlich musste er sich mit dem achten Listenplatz begnügen.
Vergleich mit dem Prozedere 2013
Die Kandidaten, die es auf keinen der vorderen Listenplätze schafften, haben noch die Chance, über die Bundesliste, die beim Grünen Bundeskongress am 25. Juni gewählt wird, ein Mandat zu besetzen. Zinggl ließ am Samstag offen, ob er dort kandidieren wird.
2013 kamen fünf Abgeordnete – neben Spitzenkandidaten Eva Glawischnig waren das Steinhauser, Korun, Zinggl und Daniela Musiol – über die Wiener Liste ins Parlament. Musiol hatte ihr Mandat bereits 2016 zurückgelegt, ihr Nachfolger Karl Öllinger bewarb sich bei der Landesversammlung nicht mehr um einen Listenplatz.
(apa/red)