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Kurz flieht

Sebastian Kurz bevorzugt die Flucht nach vorne, anstatt sich den jetzigen Problemen zu stellen.
Sebastian Kurz bevorzugt die Flucht nach vorne, anstatt sich den jetzigen Problemen zu stellen. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Der Bundeskanzler will sich nicht mehr mit der Pandemie beschäftigen. Er redet lieber von einem schönen Sommer. Das entwickelt sich jedoch zunehmend zu einer Illusion.

Zum Jahreswechsel hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hingenommen, dass die Menschen in Österreich die Vorschriften, die seine Regierung zur Bekämpfung der Pandemie verhängt hat, immer weniger beachten; dass sie müde, frustriert und zu einem größer werdenden Teil sogar wütend geworden sind; dass sie einfach angefangen haben, Ausgangs- und andere Beschränkungen zu ignorieren, Freunde zu treffen und durchaus auch kleine Feste zu feiern; oder dass viele Wirte und sonstige Unternehmer verbittert sind, weil sie schon zu lange kein Geschäft mehr machen dürfen.

Wobei man natürlich abstrahieren muss, wenn man der Frage nachgeht, wer denn verantwortlich dafür sei. Man muss jedenfalls sehen, dass es nicht nur in Österreich ein sehr dynamisches Infektionsgeschehen, den einen oder anderen Lockdown sowie (unter anderem) wirtschaftliche Einbrüche gibt. Das Problem ist jedoch, dass sie in Österreich zunehmend größer sind als in anderen Ländern.

Die Regierung von Sebastian Kurz und mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat sich versteuert. Im Herbst hat sie zu lange zugewartet bis zum zweiten Lockdown und zu Weihnachten nach einer kleinen Unterbrechung einen dritten Lockdown fixieren müssen; „müssen“, weil sie ja immer gesagt hat, dass es auf die Zahlen ankomme.

Die Zahlen passen jedoch bis heute nicht: Österreich weist seit Herbst einen dreistelligen Inzidenzwert bestätigter Infektionen pro 100.000 Einwohner und Woche auf. Irgendwann aber, als der stimmungsverliebte Kanzler gemerkt hat, dass die Stimmung kippt, war das vollkommen egal: Kurz verkündete eine Lockerung und sagte gleich dazu, dass es bald wieder zu exponentiellen Zuwächsen kommen könnte.

Sie zeichnen sich nun ab. Und selbst wenn man berücksichtigt, dass viel mehr getestet wird, zeigen die Kurven von Salzburg über Nieder- und Oberösterreich bis Wien zu steil nach oben. Schlimmer: Mutationen, die ansteckender sind, können nicht mehr beseitigt werden.

Der Kanzler hat es jedoch aufgegeben, dagegen zu kämpfen. Er setzt auf massives Testen. Allein: Wenn bei sehr vielen Infektionen die Quelle ohnehin schon nicht mehr nachvollziehbar ist und die Kontaktnachverfolgung bei wachsenden Fallzahlen überhaupt an seine Grenzen stößt, ist das extrem riskant.

Sebastian Kurz redet lieber von einem „Grünen Pass“ für Geimpfte und davon, dass es im Sommer eine Rückkehr zur Normalität geben werde. Das ist zum einen Ablenkung und zum anderen illusorisch: Das Gesundheitsministerium geht derzeit davon aus, dass bis Ende Juni 7,3 Millionen Impfdosen verfügbar sind. Damit kann man nicht einmal die halbe Bevölkerung schützen. Und selbst wenn noch mehr Hersteller auf den Markt dürfen: Bei „AstraZenca“ sieht man, dass zugesagte Liefermengen nicht fixe Liefermengen sind.

Wenn der Kanzler seiner Verantwortung in dieser Pandemie gerecht werden möchte, dann stellt er sich den Problemen, die es jetzt gibt: Die Ausbreitung der Virusmutationen muss gestoppt werden. Sonst gibt es nicht nur keinen normalen, sondern einen düsteren Sommer.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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